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Fragen eines ungeweihten Eingeweihten

Informationsbeauftragter des Generalvikariates bis Ende April 2023
Arnold Landtwing
Arnold Landtwing
Was haben das Gute, das Böse und ein Herrenhandtäschchen gemeinsam? Nein, das ist nicht einer meiner ironischen Fragen, sondern ernst gemeint.
12. November 2021

Was locker-flockig daherzukommen scheint, hat durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Antwort auf die Frage liefert die deutsche Politikwissenschaftlerin und Journalistin Christiane Florin, die unter anderem für den Deutschlandfunk arbeitet in ihrer Festrede zum 50. Berufsjubiläum der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten in Deutschland.

Das Berufsbild umschreibt Florin als «Laien mit Volltheologie-Studium. Ungeweiht, aber eingeweiht.» In ihrer unvergleichlichen Art schaut sie ein halbes Jahrhundert zurück. Und sagt zum Schluss ihrer Rede: «Ein gedankenloses Weiter-So, ein «Ad multos annos», wie es in gehobenen katholischen Kreisen üblich ist, eine «Jede Krise ist eine Schangse»-Weisheit haben Sie nicht verdient», um drei markante Wünsche mitzugeben: Zu Gleichberechtigung, sich wehren und Freiräumen. Lesens- und bedenkenswert! Christiane Florins Erfahrungen sind im Rheinland verortet, wo der Fluss behäbig dahinfliesst. Wenn sie schon daran erinnert, dass das kirchliche Berufsbild der Pastoralassistentinnen und- assistenten ein Jubiläum begeht, könnte es sein, dass dies zurückfliesst bis an die Quellen desselbigen Flusses im Bistum Chur?

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Womit wir beim Thema Wertschätzung angekommen sind. Da passt bestens der Vortrag von Reinhard Haller unter dem Titel «Ein Plädoyer für mehr Wertschätzung» dazu. Haller ist Mediziner, Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe. Er referiert am 24. November in St. Josef Zürich, setzt bei der (leider auch in der Kirche) herrschenden Wertschätzungsblockade an und motiviert: «Gehen Sie nach dem Vortrag nach Hause und fangen Sie bei sich und in Ihrem Umfeld gleich mit dem Geben und dem Einfordern von Wertschätzung an. Sie werden Ihre Wunder erleben.» Klingt spannend. Einfordern von Wertschätzung sind wir uns ja nicht so gewohnt. Und: haben Sie sich schon mal überlegt, welche Farbe ein Wunder hat? Zum Beispiel an Orten, wo es an Wertschätzung mangelt? Blau?
 

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Statistisch gesehen zeigt sich Wertschätzung auch zahlenmässig. Zum Beispiel in der Anzahl von Mitgliedern oder Austritten. Urs Winter-Pfändler vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut in St. Gallen überblickt die Entwicklung der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche in den vergangen 10 Jahren. «Totgesagte leben länger» betitelt er seine Analyse der Kirchenstatistik. Er vermutet, dass die Zahl der Kirchenmitglieder in den kommenden 10 Jahren stabil bleiben könnte, jedoch der Rückhalt in der Gesamtbevölkerung weiter sinken dürfte. Winter-Pfändler zieht ein Fazit – ich formuliere es zur Frage um: Sollte der Relevanzverlust die Kirche(n) zu genauem Hinschauen und zum Handeln drängen?

 
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Apropos Relevanz. «Wir Kirchen wurden schlicht nicht gefragt», antwortete der reformierte Kirchenratspräsident Michel Müller auf die Frage, warum man von den Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirchen zu Corona in der Öffentlichkeit und in den Debatten der breiten Medien kaum je etwas gehört habe. Moderiert von der Publizistin Esther Girsberger debattierten am Martinstag Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Religion am Diakonie-Tag im Zürcher Grossmünster über die Corona-Krise und ihre Folgen.

Rita Inderbitzin, Co-Leiterin der Bahnhofseelsorge erzählte von zahlreichen Seelsorgenden und Freiwilligen, die das Bedürfnis der Menschen nach Nähe erkannt hätten: In Heimen, Spitälern, Gefängnissen und bei Alleinstehenden haben sie dafür gesorgt, dass weniger Menschen einsam blieben. Der von der Steuergruppe «Corona-Manifest der Zürcher Kirchen» produzierte und vom Sozialamt des Kantons Zürich unterstützte Tanzfilm «Ver_Luscht», zeigte eine künstlerische Reflexion über die Verluste, die wir alle auf Grund der Pandemie und ihren Folgen erlebten. Übrigens: Am 20. November widmet sich der Pastoralkongress des Seelsorgerates den Lernerfahrungen der Kirche aus der Pandemiezeit. Und ich frage, welche Relevanz relevanter ist: Die in den Medien oder diejenige bei den Menschen?
 
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Wie relevant die Kirche bei den Menschen (noch) ist, wird sich auch beim synodalen Prozess erweisen, denn die Online-Umfrage dürfte in der Auswertung klare Fakten und Zahlen liefern. Mittlerweile hat der Vatikan erkannt, dass die knappen zeitlichen Fristen dem eigenen Ziel, viele zum Mitmachen zu motivieren, entgegenlaufen. Die eiligst nachgeschobene Verlängerung bringt jetzt aber nichts mehr und erlaubt höchstens den Bischöfen eine gemächlichere Gangart. Wenigstens bekommen die zahlreichen italienischsprachigen Christinnen und Christen im Bistum Chur jetzt noch Relevanz, denn – nicht zuletzt dank des Engagements von Kanzlerin Donata Bricci – ist seit ein paar Tagen die Umfrage auch in Italienisch verfügbar. Ci sono altre domande?
 
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Ins Italienische zu übersetzen hatte die Churer Kanzlerin in den vergangenen Tagen so einiges, denn Bischof Bonnemain hat gleich drei Ernennungen vorgenommen. Alle drei übrigens mit Seelsorgenden aus Zürich: Der kürzlichen Ernennung von Pfarrer Karl Wolf zum Spiritual des Priesterseminars folgten heute diejenigen von Artur Czastkiewicz zum Offizial und von Thomas Lichtleitner zum Leiter der Geschäftsstelle des Offizialates. Wichtig für den Bischof sind nicht nur die Fachkompetenz, sondern dass die Ernannten auch weiterhin mit Seelsorgearbeit geerdet bleiben. Das wünschen wir vor allem den Menschen, um die sich die Ernannten kümmern werden. Fragen habe ich dazu keine. Aber zu was anderem: Wann ernennt der Bischof neue Domherren?
 



Habe ich alles kommentiert, was mir in der letzten Woche aufgefallen ist? Beim Blick in meine Agenda sehe ich noch die Nacht der Lichter, die am 13. November mit Taizé-Gesängen, viel Kerzenlicht und Stille mitten in der Stadt eine Oase der Spiritualität schafft. Sind Sie auch dabei?

Und zu guter Letzt noch mein Highlight der Woche: nau.ch berichtete, dass es in Luzern eine neue Pfafferin gibt, die sich um die Jugend kümmert. Dass auch nach fünfzig Jahren ein so sperriger Begriff wie Pastoralassistentin nicht im journalistischen Vokabular integriert ist, kann ich irgendwie nachvollziehen, aber die Pfarrerin erwarte ich schon vom Praktikanten. Wie wohl das Zeug heisst, das die da in der Redaktionsstube reingezogen haben?
Der neuen reformierten Jugendpfarrerin und Ihnen, liebe Leserin und Leser, wünsche ich jederzeit göttliche Inspiration, immer einen klaren Kopf, einen gesegneten Sonntag und immer eine nächste Frage.
 
Arnold Landtwing
Laie mit Volltheologie-Studium
Informationsbeauftragter Generalvikariat
 
 
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