Ein Haus mit Zukunft
Die Zukunft beginnt heute - nicht erst morgen. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als unser Kollege und Webmaster Dominique Anderes an der letzten Redaktionssitzung von seiner neuesten Weiterbildung berichtete: dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im kirchlichen Umfeld. Eine Predigt mit Hilfe von KI schreiben? Warum nicht. Ein Plakat für die Pfarreien mit KI-generierten Bildern gestalten? Auch das ist möglich.
So grenzenlos die Chancen scheinen, so berechtigt sind auch die moralischen und ethischen Bedenken. Sicher - praktisch wäre es, wenn eine KI unsere Teamsitzung, frei in Dialekt gesprochen, sekundenschnell transkribieren, in Schriftdeutsch übersetzen und als fertiges Protokoll liefern könnte. Wir wären wohl effizienter, würden viel Zeit sparen.
Aber was, wenn darin auch unsere ungefilterten Bemerkungen auftauchen - unser Klatsch, unsere Sprüche? Heikler wird es, wenn uns jemand per Telefon kontaktiert - mit einer KI-generierten Stimme. Oder wenn KI Fotos erstellt, die in Wirklichkeit nie so passiert sind. Zum Beispiel: der Papst, der in den Schweizer Alpen ein Alphorn bläst. Wäre es ein Video, würden es wohl noch viel mehr Menschen glauben.
Doch zu Ende gedacht: Wer weiss dann noch, was wahr ist, und was nicht?
Unser Kollege hat es ausprobiert: Das Bild vom Papst mit dem Alphorn wurde mit Google Gemini generiert. Den echten Papstkopf konnte er jedoch nicht einfügen – dieser war (noch) gesperrt. Verblüffend ist das Bild trotzdem.
Brave New World, hier und heute – mit den Chancen und Risiken der KI beschäftigt sich auch die emeritierte Wirtschaftsprofessorin Margit Osterloh. In einem kürzlich erschienenen Gastkommentar in der NZZ vom 1. September weist sie darauf hin, dass KI der menschlichen Intelligenz in vielen Bereichen bereits überlegen ist. Aber was hat der Mensch ihr voraus? Osterloh nennt: Spiritualität, Achtsamkeit, Emotionen und Moral – denn jenseits der Rationalität fehlen der KI viele menschliche Dimensionen.
Genau hier, so Osterloh, liegt die Chance für Institutionen wie die Kirche.
Kirchen, die heute unter akutem Mitgliederschwund leiden, könnten sich auf ihre einzigartige Spiritualität konzentrieren, und damit vielleicht eine Umkehr bewirken. «Kirchen und Klöster könnten sich in neuer Form als Stätten der Begegnung, der Besinnung auf gemeinsame moralische Grundlagen sowie emotionale und ästhetische Erlebnisse wieder ins kollektive Gedächtnis bringen.»
Dass das keine leeren Worte sind, zeigt Osterloh auch in ihrem Beitrag «Darum bin ich wieder in die Kirche eingetreten» im Tages-Anzeiger vom 25. August. Sie legt dar, warum die christliche Botschaft der Solidarität einzigartig und für echte Gemeinschaft überlebenswichtig ist. Der Beitrag sorgte für lebhafte Diskussionen in den Kommentarspalten. Von «man braucht keine Kirche, um an Gott zu glauben» bis zu «die Kirche ist ein zentraler Teil unserer Kultur» war alles dabei.
Ich persönlich finde es schön, dass Kirche diskutiert wird. Auch hier ging es immer wieder um die Zukunft und wie Kirche sich entwickeln kann und soll.
Kirche wurde auch an der jährlichen, ökumenischen Begegnungssynode angeregt diskutiert, einem Austauschanlass für katholische und reformierte Synodale und Kirchenräte. «Hört auf in die Kirche zu gehen», provozierte Pater Martin Werlen gewohnt pointiert. Sein Referat stand unter dem Motto des Abends, «Mut zur Veränderung».
Dann löste er auf: «Ich gehe nicht in die Kirche. Ich bin Kirche!» Alle seien nur einmal in die Kirche gegangen - bei der Taufe. Danach dürfe jeder realisieren: «Ich bin Kirche.» Werlen zeigte Bilder seiner Einsiedler Propstei Sankt Gerold im österreichischen Vorarlberg, die er seit 2020 leitet.
Dort hat er aus dem ehemaligen Altarraum eine «spirituelle Wohnecke» gemacht, Kirchenbänke und Altar kurzerhand entfernt. Nun versammeln sich die Feiernden im barrierefreien Halbkreis, ausgerichtet auf die Mitte, ohne Hierarchien. Meine Kollegin Veronika Jehle vom Forum hat mit dem umtriebigen Werlen ein interessantes Interview geführt, das spannende Impulse zur Zukunft der Kirche liefert.
Ein Zitat der Begegnungssynode ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Es stammt vom verstorbenen katholischen Theologen Karl Rahner (1904-1984). Es hat mit Mut zu tun. Mut, der Zukunft ermöglicht.
«Wir leben in einer Zeit, wo es notwendig ist, im Mut zum Neuen und Unerprobten bis an die äusserste Grenze zu gehen. Die einzige heute erlaubte Sicherheit im Leben der Kirche ist die Sicherheit des Wagnisses.»
Meine Kollegin Sibylle Ratz hat die Begegnungssynode von vergangenem Montag in ihrem Bericht zusammengefasst.
Ein Hauch von Zukunft verspricht auch das Mini-Treffen in St. Gallen an diesem Sonntag. Beim grössten kirchlichen Jugendanlass der Schweiz kommen die Ministrantinnen und Ministranten für ein Fest voller Freude, Gemeinschaft und Begeisterung auf dem Olma-Gelände zusammen.
Geboten werden über 100 Ateliers, Verpflegung, ein Auftritt der Jugendband St. Anton Basel, ein Hip-Hop-Workshop und eine Eucharistiefeier.
Ein Zeichen für die hoffnungsvolle Zukunft sind auch die zwölf frisch diplomierten Katechetinnen, die vergangene Woche ihre Ausbildung zur Religionspädagogin abgeschlossen haben. Generalvikar Luis Varandas, der die Segnung und Sendung vornahm, sagte in seiner Rede: «In den jungen Frauen ist ein Hauch von Zukunft sichtbar. Und damit Hoffnung. Denn Hoffnung ermöglicht Zukunft.»

Dass die Kirche sich der Zukunft stellen muss, ist unbestritten. Veränderungen kommen von innen, aber auch von aussen. Ende August wurde bekannt, dass der Fachbereich Religion im Generalsekretariat der Zürcher Direktion der Justiz und des Innern auf den 1. Januar 2026 in eine Fachstelle Religion umgewandelt wird. Damit gewinnt die Arbeit mit allen Religionsgemeinschaften an Bedeutung.
Der Kanton Zürich will der veränderten Religionslandschaft gerecht werden - mit verfassungsrechtlich anerkannten Gemeinschaften wie der katholischen Kirche, aber auch grossen nicht-anerkannten. Verbindliche Grundlagen sollen geschaffen werden. In letzter Konsequenz könnte das auch eine Reduktion der Kirchensteuerbeiträge an die Katholische Kirche bedeuten.

Man wird sehen. In die Zukunft schauen muss die Kirche so oder so. Für mich jedenfalls ist nach 100 Tagen die Probezeit vorbei; ich bin nun endgültig «mit an Bord». Ich freue mich auf weitere anregende Einsichten und das gemeinsame, konstruktive Voranbringen der Kirche.
Ein Highlight wird das Bistumsfest der Urschweiz am 27. September sein. Organisiert von unseren Kolleginnen und Kollegen im Kloster Ingenbohl-Brunnen. Den feierlichen Abschluss des Bistumsjahres, das Bischof Joseph Maria Bonnemain im Heiligen Jahr 2025 unter dem Leitwort «Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung» ausgerufen hat, begehen wir dann am 31. Mai 2026 in Zürich.
Merken Sie sich das Datum – es wäre schade, das zu verpassen. Es ist ein Stück Gegenwart, das Zukunft schafft.

Zum Schluss noch ein «Gluschterli»: Das RefLab (kurz für «reformiertes Labor») unserer Kolleginnen und Kollegen der reformierten Kirche bietet seit 2020 attraktive Blogs, Podcasts und Tagungen rund um Kirche und Digitalisierung.
Wer das zweite, grosse Podcast-Festival nicht verpassen will, besucht dieses Wochenende die Mühle Tiefenbrunnen in Zürich. An zwei Tagen findet dort das RefLab Podcast-Festival unter dem Motto «Alles wird gut» statt. «Geht Mystik auch online?» oder «Taufen uns zukünftig Roboter» laden zum Mitdenken ein: Schnuppern sie hier schon mal rein.

Was ist jungen Menschen heilig? Mit dieser Frage beschäftigen sich Jugendliche im Bistum Chur. Bischof Joseph Maria Bonnemain lädt gemeinsam mit dem Vorstand des diözesanen Jugendrates zur zweiten Jugendkonferenz ein.
Drei intensive Workshops und gemeinsame Gebetszeiten sollen Austausch und Gemeinschaft fördern. Das Projekt wurde erst gestern online geschaltet und findet Anfang Dezember statt.
Und noch ein Ausblick: Carlo Acutis, der mit 15 Jahren an Leukämie verstorbenen Norditaliener, wird dieses Wochenende heiliggesprochen. Seine sterblichen Überreste ruhen in Assisi, und er wird bereits als «heiliger Influencer» verehrt.
Sie kennen ihn nicht? Informieren sie sich in diesem Artikel. Dann können auch sie mitreden. Denn nur so gestalten wir die Zukunft gemeinsam.
Ihnen wünsche ich eine gute Zeit, herzlichst
Manuela Moser
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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