Über uns

Kommunikation mit Knieschuss

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Nun begrüsst Sie im neuen Jahr auch wieder das Team von «Grüss Gott Zürich». Stoff gibt’s in Hülle und Fülle, leider nicht nur kleidsamen.
13. Januar 2023

Bereits aufs vergangene Wochenende hin erhielten alle Seelsorgerinnen und Seelsorger der Deutschschweizer Diözesen (die Deutschfreiburger blieben verschont) Post von ihren Bischöfen. Gute Wünsche zum neuen Jahr, verpaart mit der «Ermahnung», in der Feier der Liturgie ja die Regeln einzuhalten und nur das zu tun, was die Kirche je nach Stand ihnen auch zuweist. Das Schreiben, in der kirchlichen Öffentlichkeit schnell mit dem Etikett «Rüffelbrief» versehen, hat es tatsächlich in sich. Ausgelöst hat es bei den Empfängerinnen und Empfängern kaum konstruktive Diskussion, sondern vor allem Betroffenheit, Verletzung und offene Empörung.

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Die Bischöfe reagieren pikiert. Nein, das sei doch kein Rüffel, sondern «Ermutigung». Ein Beitrag zum synodalen Prozess. Wie das, bitte? Mich erinnert der Brief eher an den Schiedsrichter beim Fussball, der schon mal zur Brusttasche greift, wo die gelben und roten Karten stecken. Wehe, wenn! Nur geht es beim Fussball um ein Spiel, in der Liturgie um das Leben der Gemeinde. Und Leben hat mit «lebendig» zu tun, sprich mit ständiger Veränderung.

So wie sich übrigens auch die Liturgie in den 2000 Jahren Kirchengeschichte immer verändert hat, wie immer wieder regionale Sonderformen in einzelnen Bistümern oder Orden entstanden, und auf der anderen Seite die römische Zentrale möglichst eine Einheitsliturgie durchzusetzen versuchte. Das war von der Spätantike an so bis in die Januartage des Jahres 2023.

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Natürlich, das Anliegen der Bischöfe hat einen berechtigten Kern. Die Liturgie als Herz einer Weltkirche ist nie beliebig, sie muss in ihrer Grundstruktur wiedererkennbar sein. Sie ist Feier der Gemeinschaft, nicht von Einzelnen. Und zum sakramentalen Selbstverständnis der Kirche gehört das «Amt», der Auftrag, sprich Ordination, um der Liturgie vorzustehen. Alles richtig – und alles gut! Wir sind als Kirche nicht einfach eine NGO.

Nur: Wer im Jahr 2023 die Hälfte der Gläubigen prinzipiell von der Ordination ausschliesst und gleichzeitig auf die Ordination als Voraussetzung pocht, kann nun wirklich nicht mehr auf viel Verständnis hoffen. Und wer den Frauen dann noch «andere liturgische Formen» wie u.a. «die Stille» empfiehlt, dem ist kommunikativ einfach nicht mehr zu helfen! Das konnte nur schief herauskommen, ein Schuss ins eigene Knie. Immerhin: Felix Gmür, Bischof von Basel, will das Anliegen in die europäische synodale Versammlung in Prag tragen. Aber glaubwürdig ist das nur, wenn alle drei (!) unterzeichnenden Bischöfe dies laut und deutlich tun.

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Ja, die Kommunikation. Die Kathedralspatzen in St. Gallen und Solothurn pfeifen es längst von den Dächern, dass hier nicht mal die eigenen Kommunikationsleute von diesem Brief wussten. Geschweige denn Seelsorgeräte, Pastoralräte, Priesterräte, Jugendräte und wie die netten Gremien alle heissen, die im Ernstfall dann doch nicht befragt werden. In ihrer episkopalen Allwissenheit brauchen die Bischöfe keine Beratung, schon gar nicht in Kommunikation.

Deshalb hüpfte Bischof Bonnemain in der Podiumsdiskussion anlässlich des Dreikönigsanlasses des katholischen Medienzentrums auch gleich in den nächsten kommunikativen Fettnapf. Wir sollten uns weniger um innerkirchliche Strukturen kümmern, sondern für den Frieden in der Ukraine beten, nur das sei wichtig, riet er dem Publikum. Die 150 Anwesenden konnten sich nur diese eine Frage stellen: «Ja warum steht denn dann in ihrer Neujahrsbotschaft kein Wort zur Ukraine, stattdessen ganz viele zu den liturgischen Regeln? » Plumper geht’s wirklich nicht mehr. Wenn die Bischöfe schon in Kommunikation keinen Rat annehmen, dann vielleicht wenigstens von einem erfahrenen Organisationsberater? Hier wäre eine lesenswerte Rückmeldung auf ihren Brief.

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Doch lassen wir dieses traurige Kapitel. Lassen wir auch den verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt im Frieden Gottes ruhen. Ich hoffe nur, der Vatikan lässt ihn ebenfalls ruhen und macht nicht noch einmal mit grossem Tamtam den «Santo-subito-Fehler», geschweige denn eine voreilige Erhebung zum «Kirchenlehrer», wie das gewisse Kirchenfürsten fordern. Vor allem solche, die unter ihm Karriere machten.

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Foto: KNA

Hier erinnere ich doch an die heilige Hildegard von Bingen, die erst 800 Jahre nach ihrem Tod zur Kirchenlehrerin erhoben wurde. Wenn in 800 Jahren die Menschen noch Ratzingers «Einführung ins Christentum» lesen, dann mag man ihm gern diese Ehre zuteil werden lassen. Aber vorher bitte nicht. Wer sich mit der Wirkung des Verstorbenen auf die Theologiegeschichte der letzten Jahrzehnte ernsthaft auseinandersetzen will, dem kann ich den Artikel des Zürcher Theologen Felix Senn wärmstens ans Herz legen.

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Jetzt zum Krieg in der Ukraine. Heute Abend laden Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist und Abt Urban Federer von Einsiedeln sowie die orthodoxen Kirchen von Zürich zum öffentlichen Friedensgebet ins Grossmünster ein. Abt Urban betont im Gespräch mit uns, dass es gerade im Krieg die besondere Aufgabe der Kirchen sei, die Brücken zwischen den Nationen wieder aufzubauen. «In der Ukraine wurden durch den Krieg – wie in so vielen anderen Kriegsgebieten – Brücken zerstört und damit auch Brücken des Vertrauens. In Zürich und in Einsiedeln öffnen wir unsere katholisch und reformiert gestimmten Kirchenräume unseren orthodoxen Schwestern und Brüdern, damit sie einander begegnen können.»

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Auch wenn im Kriegsgebiet immer mehr Waffen aus aller Welt sprechen, als dass über Frieden gesprochen würde, sollen zumindest die betroffenen Gläubigen aus der Ukraine, aus Russland und aller orthodoxer Schwesterkirchen bei uns einen Raum für das gemeinsame Gebet finden. Dafür bin ich Pfarrer Sigrist und Abt Urban von Herzen dankbar.

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Dieser Newsletter zum neuen Jahr ist etwas gar schwer ausgefallen, das aktuelle Kirchengeschehen drängt leider dazu. Deshalb zum Abschluss doch noch was zum Schmunzeln. Sie dürfen sich mit mir beim Anschauen des Videos fragen, wer für Hund und wer für Katze steht.

Ich wünsche Ihnen allen einen erholsamen Sonntag.
Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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