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Stolpersteine

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022
Aschi Rutz

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022

Aschi Rutz
In Winterthur wurden am Mittwoch drei Stolpersteine in den Boden der Marktgasse eingelassen. Diese stehen explizit als Mahnmale gegen das Vergessen, als Erinnerung an Opfer des Holocausts.
02. September 2022

Die drei in der Eulachstadt in den Boden einbetonierten Steine erinnern an das Schicksal von drei jüdischen Menschen, die früher hier an der Marktgasse gewohnt hatten: Therese, Bertha und Lina Levitus. Insgesamt über 90‘000 solche Stolpersteine mahnen mittlerweile in fast 30 Ländern an Opfer des Nationalsozialismus. Den Verein Stolpersteine Schweiz gibt es seit 2021. Weil nur in Erinnerung bleibt, was wir uns in Erinnerung rufen!

Ich stolpere in diesen Tagen aber noch über ganz andere Dinge.

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Am letzten Sonntag fand in Illnau-Effretikon ein Gottesdienst zum Abschied für Monika Schmid nach 37 Jahren statt. Darüber und im Vorfeld wurde viel geschrieben und die seit gestern pensionierte Gemeindeleiterin zu Recht für ihr Wirken als Seelsorgerin, ihr mutiges und beherztes Auftreten gewürdigt. Gerade auch auf kath.ch

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Über was ich gestolpert bin: Da schlägt im Nachgang zum stimmig gestalteten Abschlussgottesdienst, der die Teilnehmenden tief bewegt hat, ein Wiener Liturgie-Experte auf kath.ch Alarm und verlangt vom Churer Bischof sofortiges Einschreiten. Ich gestehe, als Laie kann ich all die Einwände des Professors im Einzelnen nicht beurteilen. Was ich aber klar verstanden habe ist, dass viele Handlungen im Gottesdienst seiner Ansicht nach «befremdlich», «äusserst problematisch», «höchst bedenklich», ein «schwerer Missbrauch» sind und in gröbster Weise die liturgische Ordnung verletzen.

Starker Tobak! Es fragt sich, ob erlaubt ist, von «schwerem Missbrauch» zu sprechen angesichts der weltweiten Missbrauchsfälle? Zusätzlich ruft der Liturgie-Experte aufgrund allfälliger nichtkonformer Handlungen nach einer Kirchenstrafe für die anwesenden Priester, den Diakon, die Pastoralassistentin und die abgetretene Gemeindeleiterin und provoziert damit ein Verfahren durch den Vatikan. Ich frage mich auch ernsthaft: Welche Rolle spielt Raphael Rauch, Redaktionsleiter von kath.ch, wenn er mit seinem Interview ohne Rücksicht auf die Betroffenen in der Pfarrei Effretikon einem inquisitorischen Prozedere sozusagen den roten Teppich ausrollt? Monika Schmid zur Kritik am Abschiedsgottesdienst: «Es ist nur traurig.»

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Ich darf davon ausgehen, dass Bischof Joseph Bonnemain den Fokus in Effretikon auf den herzlichen Dank an Monika Schmid «für dein grosses Engagement zum Wohl der dir anvertrauten Menschen» und nicht auf die liturgische Ordnung setzt. Dann, kurz vor 14 Uhr, erreicht mich folgende Nachricht aus Chur: «Als Diözesanbischof habe ich die Pflicht, zu den Ereignissen der letzten Wochen in Zusammenhang mit der Pensionierung der Seelsorgerin der Pfarrei St. Martin, Illnau-Effretikon, zu reagieren. … Die Komplexität des stattgefundenen liturgischen Missbrauchs erfordert die Eröffnung einer kanonischen Voruntersuchung.» Das macht mich traurig und wütend zugleich und lässt mich gleich nochmals stolpern.

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Am 25. September stimmen wir in der Schweiz u.a. über die Initiative zur Massentierhaltung ab. Mein Stolpern hier: Wer wie ich ein gutes Stück Fleisch geniesse und darauf achte, unter welchen Bedingungen es produziert wird, kommt nicht umhin, sich zusätzliche Fragen gefallen lassen zu müssen. Zum Beispiel: Haben Tiere eine Seele? Oder wie stehe ich zum deutlichen Wort des Tierphilosophen und überzeugten Veganers an der Uni Basel im Podcast «Gott und Filterkaffee» zur Rolle des Tiers in der Gesellschaft? «Moralisch ist es richtiger, kein Fleisch zu essen. Fleisch essen bedeutet für Tiere immer Leiden und Sterben.» Entscheidungshilfen bietet der Sozialethiker Thomas Wallimann in seinem forum-Beitrag «Tierwürde und Tiernutzung – wie geht das?». Gerade richtig kommt da auch der «Kalender der Religionen». Thematisch widmet er sich dieses Jahr dem Platz und der Rolle von Tieren in den Religionen.

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Zu einem Stolperstein für die ganze Menschheit könnte der Klimawandel werden. Der Erderwärmung schreiben die Experten auch die Flutkatastrophe in Pakistan zu, die bisher mehr als 1000 Tote gefordert und über eine Million Häuser zerstört hat. Und die Weltbank prognostiziert aufgrund des Klimawandels durch Dürre, Wasserknappheit und steigenden Meeresspiegeln bis ins Jahr 2050 bis 200 Millionen Flüchtlinge, wenn uns keine nachhaltige Entwicklung gelingt.

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Der 1. September gilt sowohl bei der katholischen Kirche als auch bei den orthodoxen Kirchen als Tag der Schöpfung. «Höchste Zeit für die Schöpfung» lautet der Slogan der SchöpfungsZeit 2022, welche bis zum 4. Oktober andauert. Wir alle sind herausgefordert, unser Konsumverhalten grundsätzlich zu überdenken. Aktuell treibt uns mit Blick auf den Winter speziell der Mangel an Energie um. Übermorgen Sonntag findet dazu im Rahmen der Aktion «Klimaball» in der Liebfrauenkirche Zürich ab 12.30 Uhr die Veranstaltung «Wenn die Stuben kälter werden» statt. Im Ethikcafé diskutiert meine Kollegin Susanne Brauer, Bereichsleiterin Soziales, Ökologie und Bildung, mit vier Gästen die Frage: Welche Ethik fordert die Energiekrise in der Zukunft?

Stolpersteine bringen uns nicht zwangsläufig zum Straucheln. Sie wollen uns erinnern, zum Denken anregen und zum Handeln veranlassen. In diesem Sinne stolpern wir weiterhin aufmerksam und achtsam durchs Leben.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames und anregendes Wochenende und grüsse herzlich

Aschi Rutz

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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