Verweile doch, Du bist so schön.
Dem Augenblick ist diese Zeile gewidmet, die ich Goethes Faust entliehen habe. Bedauerlicherweise – oder zum Glück – ist Schönheit meist gepaart mit Vergänglichkeit. Und so endet auch meine Zeit in der Kommunikationsabteilung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.
Schön, ereignis- und lehrreich waren die vergangenen Monate. Ich habe eine Kirche erlebt, die lebendig ist und voller Tatendrang steckt - dank der vielen engagierten Menschen, die sich in der Gemeinschaft zuhause fühlen. Aber ich habe auch eine Kirche erlebt, die nicht recht weiss, in welche Richtung sie gehen will.
Die einen versuchen krampfhaft zu bewahren, was von Sexualmoral und Ethik wenigstens auf dem Papier noch geblieben ist. Die anderen wollen so viel wie möglich ändern, Machtstrukturen aufbrechen und dass die Kirche sich beim Thema Sex komplett raushält. Das ist insofern ein Problem, als das sich beide Seiten eher an dem, was sie trennt, abarbeiten, als an dem, was sie verbindet: Der Glaube an Gott und ein christliches Wertekonzept.
Ich darf heute ein vorerst letztes Mal über das schreiben, was im Zürcher Kirchenumfeld passiert ist, was ansteht und wofür es sich lohnt, gemeinsam voranzugehen. Es ist mir eine Ehre.
Angesichts der dramatischen Situation unserer Brüder und Schwestern im Nahen Osten und in anderen Krisenregionen dieser Erde beginne ich mit einem Aufruf von Papst Franziskus: Das Oberhaupt unserer Kirche hat den heutigen Freitag zum Tag des Betens, Fastens und der Busse erklärt. «Der Krieg löscht die Zukunft aus», mahnte Franziskus in der Generalaudienz vergangene Woche.
Um 18 Uhr wird auf dem Petersplatz in Rom ein einstündiges Friedensgebet abgehalten. Ausdrücklich sind alle Menschen – unabhängig ihrer Konfession, denen der Frieden am Herzen liegt, eingeladen mit zu beten. Vatican News überträgt live aus Rom ab 17.55 auf verschiedenen Kanälen.
Zurück in die Schweiz: Die Eidgenossen haben gewählt. Und auch im Kanton Zürich hat es die SVP geschafft, sich bei der Nationalratswahl die meisten Stimmen zu sichern. Unter den SVP-Wählern befinden sich auch eine Reihe Katholiken. Dabei mutet das Wahlprogramm der Partei an vielen Stellen so gar nicht christlich an:
Es kämen zu viele Ausländer und «die falschen», steht dort geschrieben. Es gelte eine «systematische Privilegierung von ausländischen Kindern» zu bekämpfen. Die Kirche leiste zwar einen wesentlichen Beitrag für eine solidarische Schweiz, solle es aber unterlassen, sich politisch zu äussern. Die Bewahrung der Schöpfung wird als Nebensache abgetan. Wie passt das mit einem christlichen Weltbild zusammen?
«Das führt zu Spannungen. Wir können diesen Konflikt nicht mehr unter dem Deckel halten. Wir müssen in der Kirche über Migrationspolitik streiten», schreibt Charles Martig in vorsichtiger Zurückhaltung in seinem Wahlkommentar auf kath.ch.
Das Bistum Chur lieferte derweil schon einmal eine «Handreichung für eine synodale Kirche». «Lasst uns alle – für alle – lebendiges Evangelium werden», wirbt Bischof Bonnemain in dem 15 Seiten starken Dossier. Als Leitplanken der kirchlichen Arbeit werden Offenheit, Respekt gegenüber allen Menschen, Partizipation und Gleichberechtigung genannt. Ein starkes Signal auf dem Weg zu einer synodalen Kirche.
Nur eine Kleinigkeit verstehe ich nicht: Im Vorwort des Bischofs ist von «vom Herrn bevorzugten Schwestern und Brüdern» die Rede – wer soll das sein? Wer ist in unserer Kirche gleicher als gleich, von Gott bevorzugt und was ist dafür zu tun?
Die interne Widmer-Studie wurde kath.ch zugespielt. Sie untersucht im Auftrag des Kantons und der christlichen Kirchen den gesamtgesellschaftlichen Nutzen kirchlicher Tätigkeiten im Kanton Zürich. Das Ergebnis sei vernichtend und bescheinige ein Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit, schreibt Annalena Müller auf kath.ch.
Leider bildet der Artikel nicht die ganze Studie ab. Belegt wird zuerst, dass die Kirchen weiterhin enorm wichtige gesellschaftliche Aufgaben erfüllen. Das Engagement wird allerding selten ausreichend wahrgenommen. Insbesondere bestätigt die neue Studie ihre Vorgängerin von 2017 insofern, dass die Leistungen der Kirchen die Kostenbeiträge des Staates weiterhin absolut rechtfertigen.
Wann ist Mann ein Mann? Das fragt sich nicht nur ein bekannter Schlager aus dem Jahr 1984, sondern auch Daniel Bogner, Professor für Theologische Ethik an der Universität Fribourg/Schweiz. Auf feinschwarz.net beschäftigt er sich ausführlich mit stereotypen Rollenbildern in der katholischen Kirche. Seine Arbeitshypothese: «Die Kirche ist ein Ort, der die Entwicklung einer Vielfalt männlicher Identitäten geradezu verhindert.»
Einer von Zürichs Kirchenmännern äusserte sich dieser Tage erstaunlich offen zum Thema Sexualität im Schweizer Fernsehen. Als Priester sei er ein sexueller Mensch wie jeder andere auch, stellt der Pfarrer der Katholischen Pfarrei Guthirt in Wipkingen klar. Enthaltsamkeit sei unnatürlich und weder realistisch noch biblisch, geschweige denn menschlich.
Damit schliesst er sich einer prominenten Kirchenstimme an. Auch Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, hatte vergangenen Monat die Abschaffung des Pflichtzöllibats gefordert.
Haben Sie morgen Abend schon etwas vor? Wenn nicht, darf ich Ihnen eine Weltpremiere ans Herz legen: In Winterthur, in der reformierten Kirche Wülflingen, erinnert der Projektchor Roma Songs mit der eigens für ihn komponierten Mundart-Kantate «Wir Kinder der Landstrasse» an die Entziehung hunderter Kinder der Jenischen in der Schweiz. Anfang Dezember kommt das Ensemble nach Zürich.
Die Einnahmen der insgesamt vier Benefizkonzerte gehen zugunsten verschiedener Projekte, die sich für den Erhalt der Kultur der Fahrenden und für mehr Verständigung zur sesshaften Schweizer Bevölkerung einsetzen.
Damit neigt sich auch dieser Augenblick seinem Ende zu. Ein Anliegen noch: Ich bedanke mich bei meinen wunderbaren Kolleginnen und Kollegen für eine vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit. So wird Kirche lebendig.
Ihnen allen wünsche ich eine gesegnete Woche, ade und auf Wiedersehen!
Ihre Magdalena Thiele
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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Da kann ich helfen:
Es sind "Kranke, Hungrige, Obdachlose".
Einen Abschnitt vor dem von Ihnen zitierten Satz steht nämlich folgendes:
"Unser Weg muss unbedingt auch zu jenen führen, mit denen sich Christus
in besonderer Weise solidarisiert und identifiziert: Kranke, Hungrige, Obdachlose
(vgl. Mt 25,31-46)."
Und dann weiter:
"Der kirchliche synodale Prozess muss in allen Bereichen diakonisch sein, sonst wird
er weder kirchlich noch synodal sein können. Unterwegs zu und mit diesen vom
Herrn bevorzugten Schwestern und Brüdern kommt er zu uns und bleibt mit uns auf
dem Weg."
Wer solche Fragen stellt, hat in der Kommunikation einer kath. Landeskirche nichts zu suchen.
Ein Mindestmass an theol. Bildung darf bei den exzentrischen Löhnen des ZH-Landeskirche erwartet werden!
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