Über uns

Reibung erzeugt Wärme

Informationsbeauftragte, stellvertretende Bereichsleiterin
Sibylle Ratz
Sibylle Ratz
In der katholischen Kirche geht es aktuell bunt zu und her mit vielen positiven wie auch negativen Meldungen, Auseinandersetzungen, Diskussionen, Meinungen auf verschiedenen Plattformen intern wie auch öffentlich. Auch wenn mancherorts das Bedürfnis nach Harmonie und Schweigen überwiegt: In mir stärkt die Auseinandersetzung die Hoffnung, dass die Kirche lebendig ist und eine Chance hat, langfristig zu überleben.
19. Januar 2023

Seit ich vor ein paar Monaten angefangen habe in der Kommunikationsabteilung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich zu arbeiten, setze ich mich nur schon berufsmässig verstärkt mit der Wahrnehmung der Kirche gegen aussen, aber auch mit den Inhalten, mit dem Glauben an und für sich, auch mit meinem eigenen, auseinander.

Dabei habe ich mich auch immer wieder gefragt, was meinen Glauben ausmacht. Gibt es ein «richtig» oder «falsch» im katholischen Glauben? Sind diejenigen die «besseren» Gläubigen, die jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen? Kommen diejenigen in der katholischen Familie schneller in den Himmel, die nie hinterfragen und sich nie negativ äussern über die Schwierigkeiten, in denen die katholische Kirche und – traurigerweise - immer wieder einzelne Exponenten und Würdenträger stecken, die in der Erwartung der Menschen Vorbild sein sollten?

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Meine Anstellung bei der Kirche führt auch immer wieder zu interessanten Gesprächen im Freundeskreis und in der Verwandtschaft, in denen wir uns über Religion und den Glauben austauschen. In diesem Zusammenhang habe ich den Tipp bekommen zu einer Sendung, die ich zwar verpasst habe, die aber zurzeit noch online abrufbar ist. Der Schriftsteller Pedro Lenz verrät im Gespräch mit Ruedi Josuran im Fenster zum Sonntag Interessantes über seinen Glauben und dass er definitiv im Himmel nicht alleine sein will, aber auch nicht zusammen mit Dinosauriern. Aus meiner Sicht lohnt es sich, am Wochenende einmal in den Talk reinzuschauen.  

 

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Pedro Lenz spricht über seinen Glauben. Foto: Daniel Rihs

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Was mir meine Eltern, insbesondere mein Vater, auf meinen (Glaubens-)Weg mitgegeben haben, waren Liebe, Dankbarkeit, Demut. Alle drei Begriffe haben für mich auch sehr viel mit einer inneren Haltung zu tun.

Liebe: Man muss Menschen mögen, heisst auch, ich begegne jedem Einzelnen zunächst möglichst ohne Vorurteile, bin offen und lasse einen Austausch zu, und zwar auf Augenhöhe. Und Gott IST Liebe.

Dankbarkeit: Dass man auch für die kleinen Dinge im Leben dankbar ist.

Demut: Respekt und Demut vor der Schöpfung, für das Leben, das ich führen darf, in Sicherheit, in einer Demokratie, in einem Land mit vielen Möglichkeiten. Es heisst nicht, Demut vor den Mächtigen. Denn das hat mir mein Vater auch vermittelt: Mich für die Schwächeren einzusetzen, nicht zu kuschen, Gegebenheiten nicht einfach hinzunehmen, meine Stimme zu erheben, wenn es Ungerechtigkeiten gibt.

Gerade der letzte Punkt heisst für mich, Fragen zu stellen, hinzuschauen, nicht wegzuschauen, zu diskutieren. Es wäre in meinem Leben manchmal einfacher gewesen, wegzusehen, ruhig zu sein, nicht zu kämpfen. Aber ich bin überzeugt, dass die vermeintlich leichtere Variante des Ignorierens auf Dauer in keiner Beziehung, in keiner Organisation funktioniert, wenn es darum geht, tragfähige und dauerhafte Lösungen zu finden.

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Das bringt mich auf den Punkt Kommunikation. Gelungene Kommunikation bietet die Grundlage für eine tragfähige Basis auch und erst recht in Krisen. Kommunikation in Schieflage führt leider zu Missverständnissen und Misstrauen. In der Kommunikation besonders gefordert sind Führungskräfte. Dazu gehören auch all unsere Seelsorgenden. Daher habe ich mich gefreut über die Diskussion, die aktuell vom Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, angestossen wurde, in dem er Reformen im Theologiestudium fordert. Neu soll vermehrt die Vermittlung von Führungs-, Kommunikations- und Managementfähigkeiten ins Studium einfliessen. Das kann definitiv auch auf der katholischen Seite nicht schaden. Denn gerade Führungskräfte sind in der Kommunikation besonders gefordert, auch wenn sie sich dessen oft nicht bewusst sind.

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Diakonie heisst Dienst für hilfsbedürftige Menschen. Der Begriff bedeutet auch Nächstenliebe. Diese sollte uns ja auch immer im Glauben und im Leben leiten. Praktische Nächstenliebe und Hilfe gibt es, wie ich seit meinem Stellenbeginn noch mehr realisiert habe, bei enorm vielen kirchlichen und privaten Initiativen, die nie alle vom Staat finanziert werden könnten. Vieles wird unter anderem über die Kirchensteuer finanziert.

Wenn wir es schon von der Diakonie haben: Gerade heute wurde bekannt, dass Martin Ruhwinkel zum neuen Präsidenten der Diözesane Diakonie-Kommission des Bistums Chur ernannt wurde. Wir wünschen ihm für diese neue Aufgabe segensreiches Wirken.

Gestern vermeldete die Caritas, dass sie im letzten Jahr einen Umsatzrekord in den Caritas Märkten zu verzeichnen hatte. In den Caritas Märkten können von Armut betroffene Menschen (ja in der ach so reichen Schweiz) vergünstigt einkaufen. Unter der Kundschaft sind auch zahlreiche Working Poor, die trotz Erwerbsarbeit nur ein Einkommen unter dem Existenzminium erzielen. Hier von mir auch ganz persönlich ein riesiges Dankeschön an alle Menschen, die sich tatkräftig, bezahlt oder ehrenamtlich, für andere engagieren. Das macht das Leben und die Kirche bunt und lebendig.

Trotzdem ist es ein Armutszeugnis, dass wir es immer noch nicht schaffen, dass alle Erwerbstätigen mindestens das Existenzminium erreichen. Und es macht mich wütend, dass immer wieder behauptet wird, wir hätten zu viele Sozialhilfeempfänger in den Gemeinden. Tatsache ist, dass die Gesundheitskosten für Alters- und Pflegeheime explodieren. Aber nicht (nur), weil die Kosten immer weiter steigen, sondern schlicht und einfach aus demografischen Gründen. Wir haben eine immer älter werdende Bevölkerung und weniger Junge. Daran hat niemand schuld. Es ist einfach so. Für die Finanzierung hingegen gilt es, endlich tragfähige, zukunftsgerichtete Lösungen zu finden. Die Zahl der Millionäre und Millardäre wächst ständig. Geld wäre also vorhanden. Uns geht es als Gesellschaft nur so gut, wie es unseren Schwächsten geht. Die Politik ist gefordert.

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Das Wochenende steht vor der Tür. Daher noch ein paar Tipps, die ich gerne weitergebe:

Wer sich geistig inspirieren lassen will, der sei auf folgende spezielle Gottesdienste verwiesen:

Am Samstag, 21. Januar, findet in der Pfarrei Erlöser im Zürcher Seefeld ab 18:30 Uhr eine Taizé-Gebetsfeier statt. 

Am Sonntag, 22. Januar, wird im Kloster Einsiedeln die Einheit der Christen gefeiert. Die ökumenische Vesper beginnt um 16.30 Uhr.

Ebenfalls am Sonntag, 22. Januar, um 19 Uhr kann man in der Stadt Zürich in der Kirche Bruder Klaus den FeierAbend geniessen.

Und im Ausblick auf die nächste Woche empfehle ich die Ikonenausstellung im jenseits im Viadukt. 

Vergessen Sie nicht das Video mit Pedro Lenz!

Sie sehen: Es gibt viel zu entdecken in- und ausserhalb der Kirche. Das Leben ist bunt. Die Kirche sollte es auch sein. Und vielleicht finden Sie auch persönlich die Gelegenheit, mit ihren Nächsten mal wieder über den Glauben zu diskutieren. 

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Für diese Woche habe ich wohl genug Persönliches von mir preisgegeben. Es ist mir bewusst, dass nicht alle meine Meinung(en) teilen. Aber das Schlimmste ist Schweigen und Gleichgültigkeit. Auch und gerade in der Kirche. Ich hoffe, Sie erfahren in Ihrem Umfeld viel Liebe und offene Kommunikation.

Zum Schluss noch dies:

Gestern wäre Janis Joplin 80 Jahre alt geworden. Einer Ihrer Hits war: «Gott, schenk mir einen Mercedes Benz». Das wünsche ich mir wirklich nicht. Aber ich wünsche Ihnen allen viel Freude mit guter Musik mit dieser klangvollen Stimme und dem Geschenk der Musik in unserem Leben.

Danke, dass Sie sich Zeit für diesen Newletters genommen habe. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen.

Herzlich
Sibylle Ratz

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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