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«Und sie tanzen einen Tango»

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Der letzte Newsletter vor der Sommerpause bietet sich für einen Rückblick an, denn nach den Ferien startet das neue «Pastoraljahr». Nie gehört? Doch, doch, in der Kirche laufen die Uhren bisweilen anders und manchmal sogar gegenläufig.
11. Juli 2023

Da gibts das liturgische Jahr vom ersten Advent bis zum Christkönigsfest und eben auch das Pastoraljahr ab August, wenn jeweils Stellen in Seelsorgeteams neu besetzt, Pläne für seelsorgerliche Aktivitäten und inhaltliche Schwerpunkte neu geschmiedet werden.
 
Halten wir also einen Moment lang inne und schauen wir zuerst auf die global-katholische Ebene. Hier spielt natürlich Papst Franziskus weiterhin die Unruh im Kirchenuhrwerk. Mal treibt er seine Mannen zur synodalen Erneuerung an, dann gibt er jenen Mannen, die das zu ernst nehmen und Konsequenzen ziehen wollen, kräftig auf die Bischofsmütze.
 
So mehrfach geschehen gegenüber den deutschen Bischöfen und ihrem Synodalen Weg. Wenn man auf den Fotos genau hinschaut, haben sie alle schon oben einen Spalt in der Mitra. Mir tun diese deutschen Bischöfe echt leid, was sie auch tun, sie kriegen aufs Dach.

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Aber Franziskus ist immer auch für Überraschungen gut. Zuerst lässt er jede Öffnung hin zur LGBTQ-Gemeinde torpedieren, den Segen-für-alle, wie ihn die deutschen Bischöfe wollen, durch seine Vatikan-Behörde verbieten. Doch jetzt hat er mit seinem argentinischen Landsmann Victor Manuel Fernandez jemanden an die Spitze seiner gefürchteten Glaubenskongregation berufen, der sich prächtig aufs Tango-Tanzen versteht. Prompt lässt der Erzbischof und Bald-Kardinal Fernandez per Zeitungsinterview wissen, die Aussage bezüglich Segen-für-alle könne im Lichte der Lehren des Papstes «verbessert» werden, die Tür steht also schon wieder einen Spalt weit offen.

Und überhaupt wolle er nicht Glaubenswächter und -kontrolleur spielen, sondern diskutieren, lernen und die Theologie zum Blühen bringen. Tja, noch vor wenigen Wochen wurde einem Moraltheologen in Brixen das Dekanenamt von Rom verweigert, weil er in seinen Schriften die menschlichen Bedürfnisse über die kirchlichen Lehren stellte. Es ist wirklich wie beim Tango: Man weiss nie genau, in welche Richtung der nächste Schritt wohl geht. «Kriminal Tango…»

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Erneuerung versprühte auch die Synodale Versammlung in Prag, zumindest einen Hauch. Im Herbst gehts in die nächste Runde. Auch hier gibts eine Überraschung: Die für ihre fortschrittlichen Positionen bekannte Fastenaktion-Mitarbeiterin Helena Jeppesen wurde vom Papst als Vertreterin der europäischen Kirche an die Synode berufen – mit Stimmrecht. Von Zürich aus einen herzlichen Glückwunsch via Luzern nach Rom! Franziskus hat übrigens auch den Priester und «LGBTQ-Advokaten» James Martin berufen. Aber ebenfalls seinen schärfsten Kritiker überhaupt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Vor-Vorgänger von Fernandez und damals vom Papst wider Willen in Rente geschickt. «Und sie tanzen einen Tango…»

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Schönes und Betrübliches bescherte uns das ablaufende Pastoraljahr auch in Zürich. Schön und bewegend der Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid in Effretikon im letzten September. Doch was für alle Beteiligten als aufbauend und stärkend empfunden wurde, galt dem Bischof als schlimmer Frevel. Grund: Eine Frau hatte in der Messe mit den Priestern Gebete gesprochen, die gemäss gültiger Ordnung dem geweihten Mann vorbehalten sind. Noch heute, fast ein Jahr später, warten die Beschuldigten sorgenvoll auf ihr Urteil. Grenzt das nicht auch an Missbrauch?
 
Ich erinnere mich noch bestens an einen Gottesdienst, den ich vor gut 40 Jahren in Santiago de Chile erlebt hatte. Nach der Matura besuchte ich dort einen jungen Ordenspriester, den ich an meiner Klosterschule kennengelernt hatte. In einem Haus seines Ordens in einem Armenviertel in Santiago besuchten wir die jungen Studenten, die gerade der Gemeinschaft beigetreten waren. In der winzigen Kapelle, eigentlich eine Baracke, feierten wir eine Messe. Ganz selbstverständlich beteten alle das Hochgebet gemeinsam, auch ich (so weit das meine Spanisch-Kenntnisse zuliessen). Für mich vielleicht die ergreifendste Eucharistie meines Lebens. Von wegen Missbrauch!

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Traurig mussten wir kürzlich Abschied nehmen vom beliebten Winterthurer Dekan Hugo Gehring. Mit seinem letzten Text über das Wasser des Lebens hat er uns aber auch ein schönes Erbe hinterlassen. Für Wasserratten und alle, die das Leben lieben.

Ich selbst habs mehr mit verwandeltem Wasser. Kürzlich fiel mir anlässlich meiner jährlichen Weintour ins Piemont die Wochenendbeilage der Zeitung Repubblica in die Hände. Titelstory: «Sorelle d’Italia» - Immer mehr Frauen leiten in Italien die verwaisten Pfarreien. Titelbild: Eine Frau im Talar am Altar, die Hostie erhoben, den Kelch vor sich. Das also in unmittelbarer Umgebung des Vatikans. Irgendwann holt die Realität auch die best verschanzten Kirchenfürsten ein. «Und sie tanzen einen Tango…»

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Sorgen bereitet mir als kirchlichem Medienmenschen die Kultur der Angst, die in unserer Kirche wieder neu gegenüber dem offenen Wort und kritischem Blick geschürt wird. Da wird dem katholischen Medienzentrum ganz unverhohlen mit Geldentzug gedroht, hintergründiger Recherche mit Androhung des Kadis begegnet. Auch wir von der Zürcher Kommunikationsstelle sind in letzter Zeit mehrfach Beschimpfungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Von einem neuen Hetz-Portal, das sich ganz besonders katholisch gibt und bischofstreu. Aber auch von ganz offizieller amtskirchlicher Seite. Sind das letzte Zuckungen einer Kirchenleitung, der die Argumente ausgegangen sind und der als einziges Mittel nur die Drohung bleibt?

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Aber lasst uns doch das Leben feiern, frohgemut der Zukunft zugewandt. So wie im «Garten Eden» letzte Woche am «Züri Fäscht». Herzlichen Dank allen, die diese kirchliche Präsenz am grössten Fest der Schweiz möglich gemacht haben! Das macht Hoffnung auf ein gutes, neues Pastoraljahr nach der Sommerpause. Doch zuerst mal wünscht Ihnen das ganze Team von «Grüss-Gott-Zürich» erholsame Ferien. Danach tanzen wir dann weiter.

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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