Das Gute ist nicht immer einfach
Diese Begegnung hat sich 1:1 genau so zugetragen, nichts ist erfunden. Ich war ebenso überrascht über die Reaktion des freundlichen Verkäufers wie beschämt über meinen dummen Spruch. Als ich dann noch unter den Statements auf der Homepage unserer Kampagne kirchensteuerwirkt.ch von Gabi K. aus Uster lese: «Wichtig ist, das Gute zu fördern», ist mir das Grund genug, diesen Newsletter der Frage nach dem Guten zu widmen (Sie sind übrigens herzlich eingeladen, auf der Kampagnenseite auch Ihr Statement abzugeben).
Gestern wurde eine vom Kanton und den beiden grossen Kirchen in Auftrag gegebene Studie veröffentlicht, welche den Beitrag der Religionsgemeinschaften für das Gemeinwohl untersucht hat. Für die Kirchen seien die Ergebnisse «Balsam für die Seele», wie die NZZ richtig konstatiert. Denn die Forscherinnen der Uni Zürich kommen zum klaren Schluss, dass der Beitrag der Kirchen für das Gemeinwohl trotz sinkender Mitgliederzahlen weiterhin erheblich ist.
Mitglieder religiöser Gemeinschaften engagieren sich mehr für ihre Mitmenschen und beteiligen sich stärker an politischen Prozessen. Die Kirchen sind so ein wichtiger Faktor für den sozialen Kitt in der Gesellschaft, was auch Regierungsrätin Fehr an der Medienkonferenz unterstrich. Kurz: Die Kirchen fördern die Gemeinschaft und das Gute. Lebenswichtig in einer Gesellschaft, in der sich fast die Hälfte aller Menschen einsam fühlt.
Die NZZ hält den Kirchen aber auch eine frühere Studie entgegen, wonach immer weniger Menschen darum wissen, was Kirchen Gutes tun. Ihr Engagement für das Gute wird von der breiten Bevölkerung immer weniger wahrgenommen, was sich natürlich auch in den erschreckenden Austrittszahlen spiegelt. Stattdessen herrscht ein öffentliches Bild unserer katholischen Kirche vor, das uns als Missbrauchs-Vertuscher, Frauen- und LGBT-Diskriminierer und Doppel-Moralisten zeigt. Das Verrückte ist, dass leider beides stimmt.
Wie kommen wir aus der Bredouille? Vermessen wäre es, ein Patentrezept kennen zu wollen. Aber ohne schonungslose Transparenz und ohne glaubwürdige Reformen unserer Strukturen wird es nichts werden. Was sicher direkt ins Verderben führt, wäre auf Zeit zu spielen. Denn ewig Zeit für Veränderungen haben wir nicht mehr. Der Kairos wartet nicht.
Was ist das Gute? Für den heiligen Paulus ist das Wichtigste die Liebe. Wir alle sehnen uns danach, wir alle erleben aber auch Momente des Scheiterns. Wer von Liebe spricht, darf über Sexualität nicht schweigen. Unsere offizielle Kirchenlehre ist hier grandios gescheitert – neben Missbrauch wohl der Hauptgrund für den dramatischen Verlust an Glaubwürdigkeit.
Immerhin, es gibt wieder katholische Theologen, die sich trauen, offen über das Thema zu schreiben. Seit Franziskus auf dem Stuhl Petri sitzt, darf in der Theologie wieder frei gedacht werden. Ein hervorragendes Beispiel ist für mich der Freiburger Moraltheologe Daniel Bogner. Am 12. Februar erscheint sein neues Werk: «Liebe kann nicht scheitern. Welche Sexualmoral braucht das 21. Jahrhundert?».
Hoffentlich findet dieses Buch viele Leserinnen und Leser unter den Seelsorgenden. Und hoffentlich lesen es auch die Bischöfe, bevor sie das nächste Mal über die Schönheit der Liebe und der Ehe und der Sexualität nur in der Ehe fantasieren.
Passend zum Thema lädt die Paulus Akademie am 22. Februar zur Tagung zu Sexualität und Spiritualität ein mit dem Titel «Gottes Liebe ist bunt». Mit dabei auch unser Präventionsbeauftragter Stefan Loppacher, der bekannte geistliche Autor Pierre Stutz und andere.
Wer von Liebe und Sex spricht, darf auch über Kinder nicht schweigen. Von drängender Aktualität ist hier das Thema Leihmutterschaft. Alle paar Tage lese ich im BLICK von Stars und Sternchen, die sich von einer Leihmutter ein Kind austragen liessen (weil sonst ja die Karriere unterbrochen worden wäre).
Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine lasen wir von etlichen bei Leihmüttern bestellten Kindern, die von den Auftraggebern nicht mehr ‘abgeholt’ wurden. Ich lese bisweilen auch von einem glücklichen Schwulen-Paar, dass sich auf diesem Weg den Wunsch nach einem Kind erfüllte und das sich herzensgut um das Kind kümmert.
Ist hier die Frage nach dem Guten und Richtigen immer ganz einfach zu beantworten? Zu diesem schwierigen Thema lädt die reformierte Kirche im Rahmen der Reihe «Gott ist keine Spiesserin» am Montag ein zur Veranstaltung «Verliehene Körper – eine feministische Auseinandersetzung mit Leihmutterschaft». Es diskutieren die Geschlechterforscherin Geneva Moser und die Pfarrerin Christine Stark. Moderiert wird die Debatte von meiner Kollegin Susanne Brauer, selbst Ethikerin und Philosophin.
Und wenn wir in die weite Welt schauen, regiert da nicht überall das Böse, statt das Gute? Was ist das Gute in Gaza, wo der grauenhafte Krieg schon über 25'000 Tote forderte? Auch zu diesem Thema lädt die Paulus Akademie zur Runde «Leben in Würde für alle in Israel/Palästina» ein. Leider ebenfalls am Montagabend. Unentwegte Friedensaktivistinnen aus der Region geben die Hoffnung nicht auf, dass es auch dort Chancen für das Gute gibt. Eine tolle Vorbereitung auf den Weltgebetstag vom 1. März, dessen Liturgie von christlichen Palästinenserinnen gestaltet wurde.
Die Kirche und das Gute – eine Geschichte von immer neuen Versuchen, immer neuem Scheitern, aber auch von immer neuem Gelingen! Für Katholikinnen und Katholiken in Zürich bietet sich am Sonntag eine schöne Gelegenheit, darüber nachzudenken. Dann startet Zürichs «Mutterkirche» Peter und Paul mit einem Festgottesdienst ins Jubeljahr zum 150. Geburtstag, mit dabei auch Bischof Joseph Maria Bonnemain.
Was bedeutet das Engagement für das Gute für die christliche Gemeinde zwischen ‘Luxusmeile« Bahnhofstrasse und ‘Sündenpfuhl» Langstrasse? Eine Frage, die im Laufe des Jubeljahrs immer wieder neu gestellt werden wird.
Wenn wir heute oder am Wochenende im Gottesdienst den Blasius-Segen empfangen, wird uns zugesprochen «Gott schenke dir Gesundheit und Heil». Das hilft nicht nur gegen das Kratzen im Hals, sondern vor allem auch bei Kratzern auf der Seele. Wäre doch toll, wenn wir uns alle diesen Segen zusprechen und uns gegenseitig ermutigen, voraussetzungslos das Gute zu fördern.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Blasius-Tag und danke im Geiste nochmals dem Verkäufer in der Herrenabteilung des Globus.
Ihr
Simon Spengler
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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Leider liest man auf diesem "Kanal" meist nur negative Infos über Kirche usw.
Würde mich freuen, wenn ihr Beispiel der positiven Nachrichten zur Regel wird.🎉💫🌹herzlich Maria Hüni (pension. Katechetin und Synodalin)
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