Über uns

Immer wieder nur das Eine

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Es gibt sie also noch, unsere Bischöfe. Nach einer langen Zeit der Totenstille meldeten sie sich diese Woche wieder geeint zu Wort. Und zwar direkt zum absoluten Kernthema des katholischen Glaubens: Dem Liebesleben seiner Verkünderinnen und Verkünder.
20. November 2025

Wer jetzt meint, hier folge nun der totale Verriss, der täuscht sich. Die «Standortbestimmung  (…) zur Lebensführung von Seelsorgerinnen und Seelsorger» hat durchaus auch positive Aspekte. Wer im Namen der Kirche spricht, muss das mit seiner persönlichen Lebensführung auch glaubwürdig untermauern. Das war schon in der Bibel so: «Lasst uns nicht mit Worten und mit der Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit», heisst es im 1. Johannesbrief.
 
Entsprechend fordern die Bischöfe von ihren Angestellten einen dem «Evangelium entsprechenden Lebensstil». Dazu gehört gemäss ihrem Schreiben auch eine soziale Einstellung, Verantwortung für die Schöpfung und im Umgang mit materiellen Gütern.
 
Nur, nach dieser schönen Vorrede kommen die Bischöfe dann zur eigentlichen Sache. Weil all die oben genannten Kriterien kein «Gegenstand von kirchlicher Gesetzgebung» seien, sind sie für die Zulassung zum kirchlichen Dienst auch «nicht relevant». Ganz anders natürlich die «partnerschaftlichen Lebensformen». Hier ist das Kirchenrecht glasklar, und daraus leiten die Oberhirten auch ihre Vollmacht ab, ihren Angestellten unter die Bettdecke zu äugen.

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 Die Bischöfe haben aus dem Missbrauchsskandal gelernt. Sie versuchen erst gar nicht, die lebensfremden Regeln der offiziellen kirchlichen Sexualmoral in Erinnerung zu rufen. Auf diesem Gebiet haben sie eh jede Glaubwürdigkeit verloren. Deshalb wollen sie Einzelfallprüfungen für Menschen in «komplexen Beziehungssituationen». Frage am Rande: Gibt es eine reale Beziehung zweier Menschen, die nicht komplex ist? Egal, ob hetero-, homo- oder asexuell?
 
Regelrecht grotesk wird das Schreiben, wenn die Bischöfe zugeben, dass die sattsam bekannten «Einzelfallprüfungen» von Menschen in irregulären Beziehungen als Willkür und Intransparenz wahrgenommen werden. Trotz dieser Einsicht bleiben sie aber dabei: Auch künftig wollen sie jeden Einzelfall separat prüfen, die Willkür wird zur Regel erhoben.
 
Regelrecht unappetitlich wird es, wenn Menschen in «komplexen Beziehungssituationen» - gemeint sind ja immer wiederverheiratet Geschiedene, Konkubinatspaare und ganz besonders gleichgeschlechtliche Beziehungen – aufgefordert werden, ihre Situation «nach und nach im Lichte des Evangeliums diesem anzupassen». Also jeden Tag ein bisschen weniger schwul, oder was? Es muss leider gesagt werden: Das bischöfliche Schreiben trieft nur so vor Homophobie!
 
Als Quintessenz halten die Bischöfe unmissverständlich den Drohfinger hoch: Seelsorgende, «deren persönliche Lebenssituation von kirchlichen Vorgaben abweicht, wissen, dass dies Konsequenzen für ihren Sendungsauftrag haben kann». Das Damoklesschwert hängt an einem seidenen Faden.

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Mich würde ja interessieren, ob einer der bischöflichen Jugendräte zu diesem Schreiben konsultiert wurde oder die bischöfliche Frauenkommission. Ich gehe schwer davon aus, dass nicht. Aber ist ja irgendwie auch logisch: Sex ist schliesslich nichts für die Jungen und ausserdem Männersache. Quod erat demonstrandum.

Und so richtig gespannt bin ich darauf, wie in zwei Wochen die Zürcher Synode entscheidet, wo genau darüber befunden werden soll, ob Privates auch privat bleiben muss und keinen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis haben darf. Oder, wie es die deutschen Bischöfe formuliert haben: «Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen.» Amen. Oder eben nicht.

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So, jetzt hab ich Sie lange genug mit dem Bischofsschreiben gequält. Was mich aber wirklich beschäftigt ist das Klima der Angst, das damit neu befeuert wird. Oder andersrum das Klima der Duckmäuserei, der Denunziation und der Schleimerei gegenüber der Obrigkeit. Gerade Letztere ist ja wieder schwer en vogue. So, wie das im Hofstaat jedes autoritären Systems der Fall ist. «Bei euch aber soll es nicht so sein», heisst es hingegen in der Bibel.

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Ganz transparent haben die Synoden der reformierten wie katholischen Kirche darüber debattiert und entschieden, den nicht anerkannten Religionsgemeinschaften einen Teil der Staatsbeiträge weiterzugeben, um auch deren Leistungen von gesamtgesellschaftlichem Nutzen abzugelten. Ich bin stolz auf beide Kirchen, dass diese Debatte weitgehend in fairer und konstruktiver Weise möglich war. Ich glaube kaum, dass das heute in einem Kantonsparlament so ablaufen könnte. Mit gutem Grund freut sich Synodalratspräsident Raphael Meyer über die klare Absage an «Abschottung und Ausgrenzung»: «Integration geht nur über Dialog und Zusammenarbeit.»
 
Zufällig feiert der Dachverband der muslimischen Gemeinschaften VIOZ nächsten Mittwoch seinen 30. Geburtstag. Eine gute Gelegenheit, das friedliche Miteinander der Religionen bei uns in Zürich zu festigen. Herzlichen Glückwunsch. Gott segne uns alle.

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Mitten in all den gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüchen ist die Weitergabe eines befreienden und tragenden Glaubens an die junge Generation eine enorme Herausforderung, insbesondere auch angesichts des neuen religiösen Fundamentalismus (auch bei uns!) Die Fachstelle für Religionspädagogik stellt sich dieser Herausforderung. Nun geht die Leiterin bald in Pension, eine Nachfolge wird gesucht. Nicht irgendein Job, sondern eine zentrale Aufgabe eines wachen und lebensfrohen Geistes für die Gestaltung der kirchlichen Zukunft. Was für Sie?

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Auch wenn die 23«000 Lämpchen von Lucy über der Luxusmeile Bahnhofstrasse bereits brennen und weihnachtliches Deko-Kitsch-Gedöns uns allseits bedrängt, so feiert die Kirche doch erst mal mit dem Christkönigsonntag den Abschluss des alten liturgischen Jahrs. Ich persönlich kann mit diesem kirchlichen Triumphalismus des frühen 20. Jahrhunderts zwar nichts anfangen, dafür umso mehr mit dem stillen, bescheidenen Advent, der dann auf uns wartet.
 
Zur Einstimmung möchte ich eine kurze Passage aus Peter Handkes neuestem Roman «Die Ballade des letzten Gastes» zitieren, über die ich kürzlich gestolpert bin. Handke schildert die Heimkehr eines Mannes nach sehr vielen Jahren in seine Heimatstadt, deren Silhouette unterdessen mehr von Hochhäusern als von Kirchtürmen geprägt ist. Er schreibt dazu:
 
«Recht so, dass diese Kirchtürme jetzt nicht mehr kreuz und quer durch das Land, so auffällig und alleinherrscherlich, Fingerzeige himmelwärts waren, wenn sie nicht gar mit dem Himmel drohten. ‘So wie sie heute jetzt dastehen, unauffällig geworden, geradezu spielzeughaft, scheinen sie mehr und besser am Platz.» – ‘Spielzeuge?« – ‘Ja, für ein ernstes Spiel.»»
 
Ich wünsche uns allen eine tiefe Vorfreude auf den nahenden Advent, bringen wir den Christkönig-Sonntag in spielerischem Ernst hinter uns.

Ihr 
Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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