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Hawedehre & Griass Eich!

Welcher Kleriker setzt sich mit mir ins Festzelt? Die Stimmung in der Katholischen Kirche Kanton Zürich könnte besser sein. Dennoch sollten wir nicht in Schockstarre verharren und lieber notwendige Reformen angehen.
22. September 2023

Gestern Abend, ein paar Tage später als das berühmte Vorbild, ist die Züri-Wiesn gestartet. Das Festzelt in der grossen Bahnhofshalle steht und auch das Bauschänzli ist parat. Zwei Wochen lang werden dort in bayerischer Manier die Bierkrüge gehoben, die Dirndl geschnürt und die weltlichen Freuden gefeiert.
 
Wusste Sie, dass München inzwischen auch seinen von den lokalen Medien auserkorenen Wiesn Priester hat? Rainer Maria Schiessler erlangte den Titel mit seinem im letzten Jahr erschienenen Buch «Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung». Dieses Jahr ruft er in der Boulevardpresse dazu auf, Schlafplätze für Wiesn-Bedienungen zur Verfügung zu stellen.

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Das Festzelt in der grossen Bahnhofshalle. Bild: Magdalena Thiele

 
Apropos Priester: Wem in der Katholischen Kirche Schweiz ist dieser Tage schon nach Feiern zumute? Aber man soll die Feste ja bekanntlich feiern, wie sie fallen. Wenn die Schäfchen feiern, sollte der Hirte dabei sein, oder? Brauchen wir nicht gerade in diesen Tagen Priester, die sich an die Festzelt- und Stammtische setzen und mit den Leuten sprechen – über ihren Ärger, ihre Ängste und das, was uns menschlich macht?
 
Ich denke schon. Und deshalb: Dem ersten Würdenträger, der mit mir auf der Züri-Wiesn vorbeischaut, dem gebe ich die erste Mass aus. Oans, zwoa, g'suffa!

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Wer ebenfalls - vielleicht nicht am Stammtisch - auf ein Gespräch wartet, ist Synodalratspräsident Raphael Meyer. «Wir als Kantonalkirche sind gefordert, Druck zu machen und die Einhaltung der Versprechen der letzten Woche einzufordern», sagt Meyer im Interview auf zhkath.ch.
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Raphael Meyer wünscht sich Reformen in der Kirche. Bild: Magdalena Thiele

 
Aus seinen Worten sprechen die gleiche Enttäuschung und partielle Ohnmacht, die wohl viele dieser Tage verspüren, die sich mit Leib und Seele für eine lebendige Kirche engagieren. Aber: Uffjeben is nich (berlinerisch, aufgeben ist nicht). Jetzt muss es Reformen geben, fordert der Neue an der Spitze der Kantonalkirche. Veränderungen im Personalwesen, die Abschaffung von supergeheimen Geheimarchiven, zu denen nur der Bischof Zugang hat und eine offene vertrauensvolle Kommunikation stehen ganz oben auf seiner Wunschliste, die er zumindest online schonmal der pastoralen Eminenz geschickt hat. Ob er erhört wird?

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Wenn Sie auch Wünsche vortragen möchten oder Ihnen Fragen auf der Seele brennen, kommen Sie doch am Montagabend in die Paulus Akademie. Unser Bischof Josep Maria Bonnemain war viel zu sehen und zu lesen in den vergangenen zwei Wochen – jetzt kommt er aus den Fernsehstudios zu uns in die Paulus Akademie und diskutiert mit dem Präventionsbeauftragten der Katholische Kirche im Kanton Zürich Stefan Loppacher, der Dozentin für institutionelle Prävention Lea Hollenstein und einem der Mitverfasser der Pilotstudie Dr. Lucas Federer.
 
Wenn Sie dabei sein wollen, können Sie sich heute noch hier anmelden.
 
KONFRONTIERT MIT MISSBRAUCH
Die Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld 
Montag, 25. September 2023, 18.30 bis 20.00 Uhr
Paulus Akademie, Pfingstweidstrasse 28, 8005 Zürich

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Ein erster Schritt in Richtung Missbrauchsprävention ist die Initiative «Kirche schaut hin!». Seit zwei Wochen schon ist auf den meisten Internetauftritten der katholischen Gemeinden im Kanton (75 von 104) ein Meldebutton aufgeschaltet. Vielen Dank an dieser Stelle allen, die diese Initiative unterstützen und mittragen. Anonym können dort Fehlverhalten oder Fälle von Machtmissbrauch innerhalb kirchlicher Institutionen gemeldet werden. Das geschieht täglich und keine einzige davon ist Fake.
 
Das der meines Erachtens an Prävention bei Weitem nicht ausreicht, habe ich in einem früheren Newsletter bereits zum Ausdruck gebracht und mir dafür einen deftigen Rüffel aus Chur eingefangen. #sorrybutnotsorry – ich sage es an dieser Stelle noch einmal und nehme weitere Beschimpfungen von katholisch-rechtsaussen in Kauf.  

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Für Ihren Einsatz für die Kirche werden Norbert Lüdecke, emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, sowie die Schweizer Theologinnen Doris Strahm und Silvia Strahm Bernet mit dem Herbert von Haag Preis ausgezeichnet.
 
Die gleichnamige Stiftung verleiht ihn an Personen, «die sich durch freie Meinungsäusserung und mutiges Handeln in der Christenheit exponieren.»
Mit seiner Kritik an einem absolutistischen Kirchenrecht rücke Lüdecke einen zentralen Stolperstein für kirchliche Reformbemühungen in den Vordergrund, urteilt die Jury. Lüdecke selbst stützt seine Analysen auf den Soziologen Franz-Xaver Kaufmann: Das
Das Rechtssystem der römisch-katholischen Kirche sei nicht auf biblischen Prinzipien erbaut, sondern sei geprägt durch ein vorchristliches römisches Rechts- und Hierarchieverständnis
 
Die Preisverleihung findet am Sonntag, 3. März 2024, 15.30 Uhr in der Lukaskirche, Morgartenstrasse 16, Luzern statt.

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Ein weiterer wichtiger Preis wird derweil schon Anfang Oktober in Zürich verliehen: Der Filmpreis der Zürcher Kirchen. Der mit 10.000 Franken dotierte Preis wird im Rahmen des Zürcher Film Festivals von der reformierten und der katholischen Kirche gemeinsam für einen offenen Blick auf Religion, Kultur und Gesellschaft vergeben.

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Welche Filme sich darum bewerben und warum im Kirchenpreis durchaus Oskarpotential steckt lesen Sie hier.
 
Auch in diesem Jahr verlosen wir 25x2 Eintrittskarten. Diese werden in Kürze über unsere Social-Media-Kanäle zu gewinnen sein.


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Preisverdächtig war auch dieser Sommer in Zürich. Bis auf kurze Pausen waren wir verwöhnt mit Sonnenschein und lauen Nächten. Aber der Herbst steht schon in den Startlöchern und mit ihm die Kinosaison. Ein Film, den ich Ihnen ans Herz legen möchte läuft bereits: RUÄCH nimmt uns mit in eine spannende Parallelwelt direkt vor unserer Haustür.
 
Sieben Jahre lang haben die Regisseure Andreas Müller und Simon Guy Fässler jenische Familien in der Schweiz, in Frankreich und Österreich begleitet. In der Schweiz pflegen heute noch etwa 2500 Jenische die traditionelle Lebensweise mit einer Wohnung auf vier Rädern.

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Firlmszene aus RUÄCH. Bild: soap factory GmbH

Der daraus entstandene Dokumentarfilm zeigt, wie sie tagtäglich für die ihnen zustehenden Rechte kämpfen müssen. «Durch die sehr persönlichen Begegnungen mit jenischen Personen hoffen wir, dass das Publikum Berührungsängste und Vorurteile abbauen kann, die Jahrhunderte lang kultiviert wurden», sagt Müller.


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Ängste abbauen. Das wünsche ich mir auch für unsere Kirche. Zu allererst vielleicht die Angst vor der Wahrheit. Und ich rufe uns zum Ende dieses Newsletters noch einmal ins Gedächtnis: Menschen können ohne Kirche existieren – wie gut, sei dahingestellt; Kirche nicht ohne Menschen.
 
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Wochenende.

Ihre Magdalena Thiele

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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