Über uns

Ein Leben lang lernen

Informationsbeauftragte, stellvertretende Bereichsleiterin
Sibylle Ratz
Sibylle Ratz
Bildung und Kultur waren in unseren Breitengraden jahrhundertelang das Privileg der Kirchen. In unseren demokratischen Staaten werden die Menschen heutzutage darin gefördert, selbstständig denkende Individuen zu werden. Das Thema Künstliche Intelligenz, KI oder AI abgekürzt, zwingt uns noch einmal mehr genau dazu: kritische Distanz zu üben, um «News», die auf allen möglichen Plattformen, insbesondere über die sozialen Medien, auf uns einprasseln, zu verarbeiten und einzuordnen. Unter diesen Aspekt des kritischen Denkens und lebenslangen Lernens möchte ich die News aus dem Kirchenumfeld setzen.
25. Januar 2024

Auch heute komme ich um das Thema Missbrauch nicht herum. Denn gestern wurde eine Studie in Deutschland zu Missbrauch in der Evangelischen Kirche Deutschland veröffentlicht. Die systemischen Probleme, die in der katholischen Kirche Missbrauch und Vertuschung ermöglichen, gibt es auch in der evangelischen Kirche. Die Aufarbeitung findet und fand nur dank externem Druck statt.

In der deutschen Studie wird von 2225 Betroffenen und 1259 Tätern als «Spitze des Eisberges» gesprochen. Hochgerechnet ist die Rede von 9355 Kinder und Jugendliche, die sexuell missbraucht wurden, und von knapp 3500 Beschuldigten. Auch im deutschen Bericht werden die Hierarchien und das Machtgefälle als Befund genannt; ebenso Erwachsene, die im Kontext von Betreuungseinrichtungen, Schulen oder Religionsunterricht unüberwachten Zugang zu Kindern haben. Die Ratspräsidentin der Evangelisch Kirche Deutschlands (EKD), Bischöfin Fehrs, hat bei der Vorstellung der «ForuM Studie» gesagt: «Es ist klar, wir haben täterschützende Strukturen.»
 

2-Rita-Famos_59A9228_nl.jpg
Rita Famos, Präsidentin der Reformierten Kirche Schweiz, äusserst sich zur deutschen Missbrauchsstudie. Foto: Christian Merz

 
Rita Famos, Präsidentin der Reformierten Kirche Schweiz, nimmt zur deutschen Studie in einem Artikel auf kath.ch Stellung. Sie sagt dazu: «Die Strukturen sind nur das eine. Das andere sind die ‹charismatischen› Persönlichkeiten, die oft zu Tätern werden, weil Menschen sich ihnen anvertrauen und andere nicht wagen, sie zu konfrontieren.» Die konservativen Milieus mit einer restriktiven Sexualmoral bestehen auch in reformiert-evangelischen Kreisen, nicht nur in katholischen. Und die Kirche(n) ist/sind nicht dafür bekannt, dass sie kritische Stimmen in der Vergangenheit ausdrücklich gefördert haben.



20 Minuten veröffentlichte heute einen Bericht darüber, dass bereits ein Drittel der Schweizer Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr angehört. Die Zahlen basieren allerdings auf dem Jahr 2022. Die im Februar erwarteten Zahlen mit den Kirchenaustritten aus dem Jahr 2023 werden das Bild sicher noch einmal verändern.



Gemäss Umfragen glaubt aber immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung an Gott. Die Menschen suchen trotz der Abwendung von institutionellen Kirchenorganisationen nach Orientierung. Das ist (wäre) eine Chance – wenn man sie denn nutzen würde. Die Kirche(n) muss/müssen lernen, mit kritisch hinterfragenden Menschen zurecht zu kommen. Sie müssen sich innovativ und mit neuen Formen den Menschen wieder aktiv zuwenden und sich nicht hinter Traditionen verschanzen.


Website Header_4 Bereiche.jpg


Die Kirchen müssen sich auch dem Thema «Missbrauch» weiterhin stellen. Das ist unangenehm, man möchte zur Tagesordnung übergehen, den Rest unter den Teppich kehren («Es ist jetzt auch mal genug, berichten wir doch über das Positive.»). Noch so gerne berichten wir über Gutes und Positives, über Engagement an der Basis, über Hilfe für die Hilfsbedürftigen. In der aktuellen Kampagne zur Kirchensteuer bringen wir genau diese zwei Aspekte zusammen: Wir weisen auf unser Engagement hin unter dem Titel «Kirchensteuer wirkt», aber anerkennen auch gleichzeitig die Schuld der Kirche. Auch Sie können sich dazu äussern unter folgendem Link. Gerne möchten wir Sie dazu auffordern, ihr ehrliches und konstruktives Statement auf der Webseite abzugeben.


saint-peters-basilica-2040718_1280_pixabynl.jpg
Der Petersdom in Rom ist nicht die höchste Kirche der Welt. Foto: Pixaby


Interessante Fakten liest man immer wieder, wenn man verschiedene Medien konsumiert. Ich war tatsächlich bis diese Woche der irrigen Meinung, dass der Petersdom in Rom mit 137 Metern die grösste Kirche der Welt sei. Ich wurde eines Besseren belehrt. In einem Artikel von Reto Fehr auf Watson erfuhr ich, dass die grösste aller Kirchen in einem Ort, den ich kaum aussprechen kann, im Staat der Elfenbeinküste steht, genauer gesagt in Yamoussoukro. Wenn das kein Fake ist, und davon gehe ich aus, dann kommt man aus dem Staunen nicht heraus, zu was Menschen in ihrem Grössenwahn fähig sind. Denn hier steht seit 1990 eine Basilika, ein Nachbau des Petersdoms, mit 158 Metern Höhe, praktisch im Nirgendwo, auch wenn der Ort mittlerweile die Hauptstadt des afrikanischen Staates ist.


 
Hostien müssten zwingend Weizen enthalten. Ein Fakt, der mir gänzlich unbekannt war bis heute oder dem ich keine Bedeutung beimass. Ein interessanter Artikel dazu findet sich im Pfarrblatt Bern. Man lernt tatsächlich nie aus.


Als Nicht-Theologin, aber interessierte Laiin, war für mich auch der Artikel auf feinschwarz über die Nihil-Obstat-Verfahren in der katholischen Kirche interessant, also das Unbedenklichkeitsverfahren für eine Anstellung innerhalb kirchlicher Strukturen. Fachkräftemangel ist ja längst auch in der Kirche ein Thema. Dass die Mitarbeitenden, künftige Theologinnen und Theologen wie auch Priester, gut geprüft werden, da spricht nichts dagegen. Im Gegenteil. Es ist eine absolute Notwendigkeit.

Die Intransparenz des Verfahrens andererseits ist mehr als fragwürdig. Gerade auch wenn man im Kanton Zürich in die jüngere Vergangenheit schaut bezüglich Umgangs mit «kreativeren» Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleitern, die Neues ausserhalb der strengen kirchlichen Vorgaben gewagt haben. Unseren Kindern müssen wir beibringen, kritisch mit Informationen und Informationsquellen umzugehen, und es auch vermehrt selber lernen. Gleichzeitig sind wir in der Kirche dazu aufgerufen, einfach zu «glauben». Ein Widerspruch in sich. Das war früher einfacher. Wie geht die Kirche künftig mit kritischen Geistern um, sprich mit Kirchenmitgliedern, für die der Pfarrer nicht mehr alleiniger Inhaber und Deuter des Glaubens ist?

IMG_8335.JPG


Darüber, wohin es mit der Kirche geht, hat sich eine Gruppe von Kirchenvertretern mit einem interessierten Publikum aus Pfarreiangehörigen in der Pfarrei Herz Jesu in Zürich Wiedikon vorgestern unterhalten. Was dabei besprochen wurde, finden Sie unter diesem Link.

Nicht auslassen kann ich leider auch das Thema Krieg. Ukraine und Russland, Israel und Palästina, Ecuador steht Kopf, Huthis greifen Schiffe an. Überall leiden Menschen darunter, jeder und jede Einzelne davon ein Schicksal, von dem auch das Umfeld massiv betroffen ist. An diesem Wochenende ist der Gedenktag für den Holocaust. Etwas, das für jüngere Generationen sehr weit weg scheint. Gleichzeitig finden in diversen Städten, so auch in Zürich, Kundgebungen für Palästina statt.

Mein Herz ist nicht bei einem Staat, sondern bei der betroffenen Zivilbevölkerung. Wobei, was ist das schon für ein Begriff «Zivilbevölkerung»? Auch jeder Soldat, jede Soldatin ist die Tochter oder der Sohn von jemandem, hat Familienangehörige und ist nicht einfach nur eine Kampfmaschine oder Kanonenfutter. Vereinen wir uns lieber für den Frieden. Für ein friedliches Miteinander. Beginnen wir damit und setzen das tagtäglich um in unserem eigenen Umfeld.


Vor der Fastenzeit steht uns noch die Fasnachtszeit bevor. Ab nächster Woche wirbt die Jugendseelsorge mit Plakaten in den Zürcher Trams aber trotzdem schon für «40 Tage ohne». Gemeinsam mit Daju und der evangelisch-reformierten Kirche St. Gallen werden junge Menschen durch die Fastenzeit mit inspirierenden Impulsen und Gebeten begleitet. Diese Veranstaltung ist ein Projekt von IN-Spire. Das Angebot «IN-Spire» soll neue Zugänge für eine spirituelles Leben schaffen, das den Alltag inspiriert. Diese spirituellen Vertiefungen richten sich an junge Erwachsene und Jugendarbeiter und -arbeiterinnen in der kirchlichen Jugendarbeit.

Drei Möglichkeiten, um sich weiterzubilden und den eigenen Horizont zu erweitern, möchte ich Ihnen noch empfehlen:
 
  • Im Zürcher Filmpodium wird am Sonntag, 28. Januar, am Sonntag, 4. Februar, und am Mittwoch, 14. Februar, der Film «While the Green Gras Grows» von Peter Mettler gezeigt. In seinem filmischen Tagebuch folgt Peter Mettler dem Lauf der Flüsse und des Lebens. Es kreist um die Tragweite des Todes und die Frage, wie es mit uns allen weitergeht.
     
  • Immer mehr Menschen fürchten durch eine niedrige AHV-Rente in die Altersarmut abzugleiten. Ausserdem drohen durch die Pensionierung der Baby-Boomer erhebliche Lücken in der Finanzierung der AHV-Rente. Zwei Initiativen gehen diese Probleme proaktiv an. Am Mittwoch, 31. Januar, von 19.30 bis 21 Uhr, können Sie in der Paulus Akademie dazu mitdiskutieren und sich eine Meinung bilden.
     
  • Und nochmals eine Veranstaltung, für die es sich lohnt, in die Paulus Akademie zu gehen: Am Freitag, 2. Februar, 18.30 bis 20 Uhr, wird ein neues Buch über Simone Weil «Philosophin der Freiheit» vorgestellt.

Bleiben Sie neugierig, bleiben Sie kritisch, bleiben Sie interessiert. Und glauben Sie an die Liebe.

Herzlich
Sibylle Ratz

trennlinie.png

 

Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

Sie können den Newsletter hier abonnieren