Über uns

Homo statisticus

Informationsbeauftragter des Generalvikariates bis Ende April 2023
Arnold Landtwing
Arnold Landtwing
Statistisch gesehen haben wir den kältesten Frühling seit über 30 Jahren erlebt, und der Juni war der viertwärmste seit Messbeginn 1864.
16. Juli 2021

Mit einem Blick nach draussen wage ich schon gar nicht daran zu denken, welchen Rekordwert die langen und heftigen Niederschläge uns bescheren werden.

Die Messung von SRF Meteo war offenbar korrekt und der emotionale «Uiuiui»-Kommentar liess erahnen, was das Sturmtief Bernd noch alles anrichten konnte. Doch was sind ein paar geknickte Bäume, plattgedrückte Autos und überschwemmte Strassen angesichts der katastrophalen Ausmasse in Deutschland, wo ganze Dörfer weggeschwemmt wurden und viele Todesopfer zu beklagen sind?!

Ob Hitze, Kälte, Nässe und was das Klima sonst noch alles an Extremen im Repertoire hat, sollten uns aufrütteln wie der wütende Bernd in der Nacht. Sonia Seneviratne ist Klimawissenschaftlerin an der ETH und macht sich Sorgen wegen der häufiger werdenden Wetterextreme und des Klimawandels. Dennoch resigniert die zweifache Mutter nicht, denn sie weiss, dass unsere Entscheidungen heute die Welt formen, die wir unseren Kindern überlassen.

«Wie viele Extremereignisse brauchen wir?» fragt Martin Läubli im Tagesanzeiger, um etwas resigniert das Fazit zu ziehen, dass sich Klimaforscher und Umweltökonomen einig sind, «dass unter dem Strich die Investitionen in den Klimaschutz billiger kommen als die Behebung der Schäden, falls die Erderwärmung ungebremst weitergeht. Aber eben: Das sind halt Modelle.» Da frage ich mich: Wie war das doch gleich mit dem CO2-Gesetz? Versenkt. Und dem Emissionshandel? Ach, mit Treibhausgasen lässt sichs handeln? Na toll, da hüpft das Herz von Spekulanten und Hedgefonds.

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«Vertrauter des Ex-Bischofs ist aus Kirche ausgetreten» Titelt heute die Luzerner Zeitung (Artikel hinter der Aboschranke) und enthüllt damit gleich zwei Neuigkeiten. Giuseppe Gracia warf im März nicht nur Knall auf Fall als Kommunikationschef den Bettel hin, sondern trat gleichzeitig aus der Kirche aus. Sein Lohn sei zwar nicht von der Kirchensteuer gekommen und den Wunsch nach einem Austritt habe er schon lange gehegt. Trotzdem habe er auf einen Austritt verzichtet, um den Bischof vor zusätzlicher öffentlicher Unruhe zu bewahren. Seit seinem Weggang sei er frei und nicht mehr Mitglied der römisch-katholischen Körperschaft. Er begründet seinen Austritt mit seiner langjährigen Kritik der «Vermischung von Staat und Kirche, unter anderem zum Zweck der Einnahme von Steuern.»

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Demnächst hat Giuseppe Gracia eine grossartige Gelegenheit, seinen Worten konkrete Taten folgen zu lassen. In der Pfarrei Wädenswil moderiert er nämlich ein Podium zur Ausstellung des Turiner Grabtuchs. Da bei einem solchen Engagement normalerweise ein Honorar anfällt, das die Pfarrei aus Kirchensteuergeldern entrichtet, könnte er es ja den Maltesern spenden. Sie kuratieren nicht nur die Ausstellung, sondern sind gerade jetzt in Deutschland an vorderster Front im Hochwasser-Einsatz engagiert und brauchen dringend Unterstützung. Und, ah ja: Ich entnehme der Luzerner Zeitung auch, dass Vitus Huonder offenbar nicht mehr emeritierter Bischof ist, sondern Ex-Bischof. Hmmm – ist er etwas auch ausgetreten? Wenn ja – von was? Habe ich etwas verpasst?!?

Einer weniger wäre, bei einer Anzahl von gut 5'300 Bischöfen weltweit, statistisch gesehen kaum relevant.

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Statistisch mit Relevantem konfrontiert wird derzeit die Deutsche Bischofskonferenz, wenn sie einen Blick in die Kirchen-Statistik 2020 wirft. Ok, gegenüber dem Vorjahr verhageln die 221.390 Austritte die Statistik etwas weniger als im Vorjahr. Es sind aber immerhin fast eine Viertelmillion. Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst spricht von einer «bitteren Wahrheit» und will Gegensteuer geben. Sein Hildesheimer Amtsbruder will möglichst viele sakramentale Feiern nachholen und der Mainzer Bischof Kohlgraf setzt auf Qualität statt Quantität. Autsch! Da kräuseln sich mir wieder mal die Zehennägel und ich frage mich: Wie war doch das gleich mit der kleinen Herde?

Spannend sind alleweil ganz konkreten Zahlen einzelner Kapitel. Beispiel Priesterweihen: im Jahr 1963 waren es 557, 2020 gerade noch 57.Oder: Von derzeit 4426 Gemeindeassistenten/- referenten* sind 3479 Frauen und gerade mal 947 Männer. Solche Erkenntnisse stellen unerbittlich die Frage, wo denn das Zukunftspotenzial der Kirche liegt… Die Sommerpause lädt uns alle ein, in Ruhe darüber nachzudenken, wie «mutige Zeichen» mehr als 13 Buchstaben sein können.

Nach so viel Statistischem verabschieden auch wir uns mit diesem Newsletter als Kommunikationsteam in die Sommerpause.

Wir wünschen Ihnen eine erholsame Ferienzeit. Bleiben Sie gesund. Tanken Sie Erlebnisse und pflegen Sie Freundschaften, denn wir sind mehr als Statisten in einer Statistik.

 

Arnold Landtwing

Informationsbeauftragter Generalvikariat

 

*korrigiert: In der ersten Fassung waren irrtümlicherweise Pastoralreferentinnen und -assistenten aufgeführt.

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.