Kirche aktuell

Bekenntnis einer verhinderten Priesterin «Yes, I am»

Barbara Lehner

Barbara Lehner (55), katholische Theologin und Trauerbegleiterin

Barbara Lehner
Barbara Lehner segnet und salbt, sie steht bei in der Trauer und feiert das Gottesgeheimnis. Das alles darf die Theologin aber nicht in der Kirche tun. Betroffen reagiert sie deshalb auf den bischöflichen Brief, der auf die Einhaltung der geltenden Kirchenregeln pocht.
13. Januar 2023
Zum Jahresbeginn haben alle Seelsorgenden der Deutschschweizer Diözesen einen Brief ihrer Bischöfe erhalten. In diesem Neujahrsschreiben werden sie aufgefordert, die geltenden liturgischen Regeln nicht zu überschreiten und vor allem sollen nichtgeweihte Männer und Frauen keine Handlungen vornehmen, die einem geweihten Priester vorbehalten sind. Besonders bei katholischen Frauen hat dieser Brief tiefe Betroffenheit ausgelöst, weil Frauen nach wie vor von der Priesterweihe ausgeschlossen sind. Frauen bleibt priesterliches Wirken in der Kirche untersagt.
Barbara Lehner* ist eine betroffene Frau. Der katholischen Theologin und Seelsorgerin blieb zusätzlich eine Anstellung in der Kirche verwehrt, weil sie zu ihrer Liebe zu einer Frau stehen will. Deshalb wirkt Barbara Lehner als freiberufliche Theologin ausserhalb der Kirche. Als Reaktion auf das bischöfliche Liturgieschreiben hat sie folgenden Text verfasst.
 

Yes, I am

ja, ich bin
ich bin, die ich bin
geweiht vom volk
gerufen
im innersten
vom

ich bin, der:die ich bin

ja, ich bin
ich bin eine von denen

die gegangen sind

weil sie keine
hoffnung und zukunft
mehr sahen
in dieser kirchenstruktur
die wandel und wandlung

verhindert

ich bin eine von jenen
die sich gerufen fühlten
zum dienst
die sich ausbilden liessen
wie die geweihten
und die hofften
die begeisterung

einbringen zu können

ich bin, die ich bin
und mag mich nicht
verstecken
kleinducken

anpassen

ja, ich bin, die ich bin
und lebe
mein charisma
meine berufung
meinen glauben
jenseits

der struktur

ich brauche
keine kanzel mehr
um das befreiende
hoffnungsvolle wort
zu verkünden
ich brauche
keinen altar mehr
um die zeichen
der gottesnähe
zu segnen

zu teilen

ich brauche
keine liturgischen kleider
und keinen status mehr
um die gegenwart des göttlichen

in diese welt zu tragen

ich brauche
keine beauftragung mehr
um trauernde zu trösten
und tote zu begraben
um seelsorge zu leben

im begleiten von menschen

yes, i am

ja ich bin
ich bin eine von denen
die gegangen sind
weil die luft zu dünn
und der geist zu eng
wurde
in dieser
katholisch
allumfassenden

kirche

in dieser kirche
deren geist
und ausrichtung
wesentlich
vom glaubenshüter
und späteren papst
josef ratzinger
und seinem vorgänger
johannes paul II

geprägt wurde

der radikal
zurechtstutzte
anprangerte
und ausschloss
was der freie geist
wagte
an lebendigkeit
in wort und tat

im heute gottes

der mit
ängstlicher ausrichtung
inquisitorisch
auf die eine reine lehre
auf die eine reine kirche
auf die eine reine
lebens- und liebesform

pochte

wo doch
das gottesgeheimnis
dreifaltig
dreieinig
sein kann
und
vielstimmig
lebt
liebt

und wirkt

der
wie im aktuellen
bischofsschreiben
das lebendige wirken
des geistes
zähmen und brechen
wollte
und zurückstufen
zugunsten einer
weltkirche
die doch
bitteschön
uniform

bleiben sollte

der preis dafür
ist hoch
denn
wir sind viele

die gegangen sind

barbara lehner am 10. Januar 2023
 
* Zur Person:
lehner234.JPG
Barbara Lehner, Foto: zvg
Die Walliserin Barbara Lehner (55) studierte in Freibung i.Ue. katholische Theologie und Ethnologie. Da sie offen zu ihrer Liebe zu ihrer Frau stehen wollte, wurde sie für eine Seelsorgestelle abgelehnt. Weil in der offiziellen Kirche kein Platz für sie war, bietet sie mit ihrer Partnerin  Antoinette Brem unter dem Label Lebensgrund als freiberufliche Seelsorgerin Trauerbegleitung, spirituelle Beratung und Ritualgestaltung an und bildet Interessierte in diesen Bereichen aus. Das Motto der beiden Theologinnen: «Unsere Angebote fördern die Grundhaltung von Akzeptanz der Vielfalt von Leben und befähigen zu Selbstsorge und solidarischem Mitmenschsein.»
Barbara Lehner lebt mit ihrer Partnerin in Luzern. Den hier veröffentlichten Text hat sie als Reaktion auf den Brief der Deutschschweizer Bischöfe verfasst, die zum neuen Jahr ihre Seelsorgenden anmahnen, die geltenden liturgischen Regeln einzuhalten. Barbara Lehner publizierte ihren Text zuerst auf ihrem Facebook-Profil. Wir dürfen ihn mit ihrem Einverständnis hier wiedergeben.