Kirche aktuell

Katholische Frauen geben nicht auf «Nicht zurück – nach vorn»

Vorstand Frauenbund Schweiz, Präsidentin Dargebotene Hand Zürich, ehemalige Nationalrätin CVP (heute Mitte)
Barbara Schmid-Federer
Barbara Schmid-Federer
Barbara Schmid-Federer, Vorstandsmitglied des Frauenbunds Schweiz, berichtet von der europäischen Konferenz katholischer Frauenverbände: Ein Abbild widersprüchlicher und ermutigender kirchlicher Realitäten.
04. Dezember 2025

Als Delegierte des Frauenbunds Schweiz nahm ich, zusammen mit Iva Boutellier, Mitte November, am europäischen Treffen der World Union of Catholic Women«s Organisations (WUCWO) in Budapest teil. Rund 60 Frauen aus zehn Ländern kamen zusammen, um über Fragen zum Thema «Familie» zu diskutieren.: Geschlechtergerechtigkeit, Selbstbestimmung, Macht, Gewaltprävention und die Lebenswirklichkeit heutiger Familien. Wer genau hinhörte, bekam eine Momentaufnahme der katholischen Gegenwart – mit all ihren Brüchen und Hoffnungszeichen.

Ein konservatives Echo aus einer anderen Zeit

Die ungarischen Gastgeberinnen vertraten ein Frauen- und Familienbild, das tief in tradierten Mustern wurzelt. Besonders irritierend war ein Vortrag eines Ehepaars, das die Ehe als Ort der Selbstaufgabe definierte und sexuelle Selbstbestimmung als nebensächlich erscheinen liess. Solche Vorstellungen mögen vertraut wirken, doch sie romantisieren Abhängigkeit und blenden die Realität aus, in der viele Frauen heute leben müssen.

Die eigentliche Nachricht aus Budapest

Gerade weil diese konservativen Stimmen so laut waren, fiel auf, wie wenig sie in Europa noch tragen. In den Gesprächsgruppen zeigte sich deutlich: Die Mehrheit der Delegierten denkt offen, inklusiv, realitätsbezogen. Sie sprechen über Alleinerziehende, Patchworkkonstellationen, migrantische Familien, faire Arbeitsteilung, Gewaltprävention und das Recht auf Selbstbestimmung – Themen, die in der kirchlichen Hierarchie allzu oft nur am Rand vorkommen.

Die deutschsprachigen Delegationen – aus der Schweiz, Deutschland und Österreich – setzten dabei wichtige Impulse. Unsere klaren Worte ermutigten viele, ihre Erfahrungen und Anliegen zu teilen. Es herrschte spürbare Erleichterung: Endlich sprach jemand aus, was viele fühlten.

Unser Votum: Wer wir sind – und wofür wir stehen

In Budapest haben wir den Frauenbund Schweiz vorgestellt – und damit gelebte kirchliche Realität: einen Dachverband, der seit 1912 Frauen in ihren Pfarreien, ihren Lebenssituationen und ihrem Glauben begleitet; der über 500 Ortsvereine und 17 Kantonalverbände unterstützt; der spirituelle Angebote schafft, Bildung ermöglicht und politisch Verantwortung übernimmt; der sich für wirtschaftliche Gerechtigkeit, Frauen- und Familienpolitik einsetzt; der mit dem Solidaritätsfonds für Mutter und Kind Frauen in schwierigen Situationen konkret hilft; und der mit dem Elisabethenwerk Frauen in Indien und Uganda stärkt.

Wir machten deutlich, dass wir in kritischer Loyalität zur Kirche stehen, unabhängig von der Bischofskonferenz arbeiten und unsere Anliegen mit Respekt, aber ebenso mit Entschiedenheit einbringen. Dieses Votum fand in Budapest starke Resonanz. Viele Frauen räsonierten mit dem Claim unserer Organisation: Überraschend anders katholisch.

Auftreten statt austreten

Es gehört zur Kernaufgabe des Frauenbunds, die Rechte von Frauen in der Kirche zu stärken – hartnäckig, beharrlich, unermüdlich. Wir tun das aus Überzeugung: weil wir wissen, dass eine glaubwürdige Kirche Frauen nicht ausgrenzen darf. Gerade deshalb bleiben wir zuversichtlich. Wir kämpfen weiter – nicht gegen die Kirche, sondern für eine Kirche, die ihrem eigenen Evangelium in Gleichwürdigkeit gerecht wird.

Reform ist kein Sonderfall

Budapest hat deutlich gemacht: Reformorientierte Positionen sind keineswegs ein Schweizer Sonderfall. Frauen aus Kamerun, die in England leben, sprachen mit beeindruckender Klarheit. Französische, spanische und italienische Delegierte teilten unsere Anliegen. Eine vatikanische Journalistin eröffnete neue Perspektiven auf innerkirchliche Prozesse. All das zeigt: Reform ist kein Sonderfall. Sie ist längst europäische Realität – mutig, reflektiert, selbstbewusst.

Unsere eigenen Beiträge stiessen auf offene Ohren und führten zu wertvollen neuen Kontakten. Wer annimmt, reformorientierte Positionen seien vor allem ein Schweizer Anliegen, verkennt die Vielfalt innerhalb Europas. Dieser Eindruck wird zudem nicht selten genutzt, um eine synodale Erneuerung in der Schweiz auszubremsen – zu Unrecht, wie die Begegnungen in Budapest eindrücklich gezeigt haben.

Warum es wichtig ist, dabei zu sein

Unsere Teilnahme war nicht trotz, sondern wegen der Spannungen bedeutsam. Wer sich zurückzieht, überlässt den Raum jenen, die die Zukunft der Kirche in überholten Modellen suchen – und sie dadurch gefährden und schwächen. Wer bleibt, schafft Möglichkeiten: für Dialog, für Vernetzung, für Veränderung.

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Selfie der beiden Schweizer Delegierten Iva Boutellier und Barbara Schmid-Federer an der Konferenz in Budapest. Foto: zVg

Der Weg führt nach vorn

Der katholische Frauendachverband Frauenbund Schweiz wird die geknüpften Kontakte pflegen und seine internationale Vernetzung weiter ausbauen – in der Allianz Gleichwürdig Katholisch, im Catholic Womens Council, in synodalen Prozessen und in ökumenischen Allianzen innerhalb der Schweiz. Budapest hat gezeigt, dass eine andere Kirche nicht nur möglich ist, sondern nötig und bereits im Entstehen liegt. Überall in Europa engagieren sich Frauen, die sich nicht länger mit Rollenbildern abspeisen lassen, die ihnen nicht entsprechen.

Wir gehen diesen Weg weiter – gemeinsam, mutig und zuversichtlich: Nicht zurück, sondern nach vorn.

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Die Konferenzteilnehmerinnen vor der romanischen St.-Georgs-Kirche im ungarischen Ják. Foto: zVG