Kirche aktuell

Interview mit Raphael Golta, Stadtrat und Sozialvorsteher Zürich «Wir brauchen die Stimme der Kirchen»

Einst arbeitete Raphael Golta selbst als Betreuer im Flüchtlingsheim, heute ist er als Sozialvorsteher der Stadt Zürich oberster Verantwortlicher für das Flüchtlingswesen. Was ihn in der Politik antreibt, warum es die Kirchen braucht und was ihm Mani Matter bedeutet, erklärt er im Gespräch mit Kommunikationsleiter Simon Spengler in der neusten Ausgabe von «Credo».
25. April 2023 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Auszug aus dem Interview von Stadtrat Raphael Golta mit Simon Spengler im «Credo», dem Magazin für Mitarbeitende, Behördenmitglieder und Freiwillige der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Das vollständige Interview können Sie hier auf Seite 6 nachlesen.

1998/99 haben Sie selbst als Betreuer in einem Asylheim in Schlieren gearbeitet. Was war Ihre Aufgabe?

Raphael Golta: Es war eine kleinere kommunale Unterkunft mit einigen Wohneinheiten. Übers Wochenende war ich als Student dort im Einsatz, damit die Bewohnerinnen und Bewohner am Abend und über die Nacht nicht allein im Haus waren.

Was haben Sie dort gelernt?

Vor allem, dass die unterschiedlichen Fluchtgründe und die Persönlichkeiten der Geflüchteten nicht schaurig viel miteinander zu tun haben. Es gibt im Fluchtbereich alles, wie auch sonst in der Welt: Sympathische und Unsympathische, Faule und Engagierte. Es ist also eine sehr heterogene Gruppe von Menschen.

 

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Mani Matters musikalisches Engagement für Kleine und Benachteiligte haben Goltas politische Überzeugung geprägt. Fotos: Arnold Landtwing

 

Heute ist der Student von damals  Sozialdirektor der Stadt Zürich und damit oberster Verantwortliche für das Flüchtlingswesen. Was hat sich unterdessen verändert?

Die Flüchtlingspolitik hat sich in vielen Bereichen doch positiv entwickelt. Ich denke an die beschleunigten Asylverfahren oder an die Integrationsagenda. Integration war damals noch viel weniger entwickelt. Es gab Sprachkurse, aber nicht viel  mehr. Da hat sich einiges getan. Die Menschen wurden während der langen Zeit des Wartens auf einen Entscheid in den Unterkünften belassen und lebten dort teils über Jahre in einer ungewissen Zwischenwelt: Sollen sie sich hier integrieren, oder müssen sie bald schon wieder fort? Damit umzugehen, war für viele extrem schwierig.
 

Für Sie gab es also einen Fortschritt in eine positive Richtung?

Ich weiss, dass es auch Kritik gibt und genügend Verbesserungsmöglichkeiten, aber grundsätzlich ist es für die Betroffenen sehr wichtig, schnell zu wissen, wie es für sie weitergeht. Ausserdem haben wir auf Bundesebene die Integrationsagenda. Die Stadt Zürich war damals Vorreiterin, mittlerweile wird die Integration auch vom Bund finanziell unterstützt.

(....)

Wie nehmen Sie das Engagement der Kirchen im Flüchtlingsbereich wahr?

Kirche ist für mich vor allem eine wichtige gesellschaftliche Stimme, die immer wieder anmahnt, dass wir es stets mit Menschen zu tun haben – und nicht mit «irregulären Migranten», «Wirtschaftsflüchtlingen» oder anderen Umschreibungen. Wir pflegen den Austausch mit den Kirchen.

Was könnten die Kirchen noch mehr tun?

Im Moment können wir Hilfe in allen Bereichen gebrauchen. Alle Initiativen, die den Menschen Strukturen
und Austausch ermöglichen, sind sehr willkommen. Die Kirchen leisten auch Seelsorge, in den Bundesasylzentren, neustens auch muslimische Imame.

«Wir haben es mit der grössten Flüchtlingskrise seit dem 2. Weltkrieg zu tun.»

Raphael Golta

Wie wichtig ist die Seelsorge im Flüchtlingsbereich?

Je nach Herkunft und Kultur sind die Bedürfnisse natürlich unterschiedlich, aber ich bin sehr dankbar,
dass die Religionsgemeinschaften diesen Dienst anbieten. Auch darüber, dass muslimische Seelsorge nun in den
Bundeszentren etabliert werden konnte.

Sie haben mal Wahlwerbung gemacht mit dem Slogan: «Ich bin davon überzeugt, dass wir alle gewinnen, wenn die Schwächsten unserer Stadt bessergestellt werden!» Das tönt ja fast wie in der Bibel.

Ich denke dabei eher an Mani Matters Lied «Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet
geit.» Aber ja, das ist der Ursprung meines ganzen politischen Engagements und meine tiefste Überzeugung. Deshalb
empfinde ich es auch als Privilleg, dass ich im Sozialdepartement für die Menschen tätig sein darf, denen es nicht so gut geht.

Sind Sie dieser Maxime schon näher gekommen?

Die Stadt Zürich ist natürlich keine Insel, sondern Teil eines viel grösseren Geflechts. Aber in einigen Bereichen
haben wir doch etwas erreicht: Gerade konnten wir in Sachen Mindestlohn etwas tun für die Geringstverdienenden; wir haben im Bereich Ausbildung neue Qualifikationsmöglichkeiten geschaffen, damit Menschen mehr Chancen im Arbeitsmarkt haben; Zwangsmassnahmen im Sozialbereich wurden zurückgefahren zugunsten der Stärkung von Eigenmotivation;

(...)

Caritas Zürich ist im Sozialbereich auch sehr aktiv. Stehen Sie in Kontakt mit diesem kirchlich getragenen Hilfswerk? Kann der Caritas-Direktor unbürokratisch beim Departementsvorsteher anklopfen und eine Idee einbringen oder auf ein Problem aufmerksam machen?

Selbstverständlich kann er das, jeder Zeit! Ich habe erst kürzlich Björn Callensten (Direktor der Caritas Zürich, Anmerkung der Redaktion) getroffen und diverse Anliegen besprochen. Gerade bei Corona und der wirtschaftlichen Basishilfe haben wir sogar sehr eng mit der Caritas zusammengearbeitet.

 

Das vollständige Interview können Sie hier auf Seite 6 nachlesen.