Über uns

Ein Planet – verschiedene Welten

Informationsbeauftragte
Saskia Richter

Schwerpunkte: Online-Kommunikation und Soziale Medien, Event-Management

Saskia Richter
Wir haben alle eines gemein – wir leben alle auf dem gleichen Planeten. Obwohl teils die Annahme nahe liegt, dass sich einige Kirchenleute doch auf einem anderen Planeten aufhalten. Ich möchte meinen Finger hier jedoch nicht speziell auf die Kirche richten, denn eigentlich lebt jeder und jede von uns in einer eigenen Welt, die wir uns anhand unserer Erfahrungen und Glaubenssätze nach und nach erschaffen haben und von der aus wir aufs Leben blicken. Ich bin gespannt, ob diese Woche in Ihrer Welt dieselben Themen im Fokus waren wie in meiner.
27. Januar 2023

Wenn ich bei der Familie meines Vaters in Tansania den Fernseher einschalte, um Nachrichten zu schauen, habe ich das Gefühl plötzlich auf einem völlig anderen Planeten zu leben. Themen, die bei uns im Mittelpunkt stehen, werden hier mit keiner Silbe erwähnt. Ereignisse, von denen ich noch nie gehört habe, sind die News des Tages und Nachrichten, die ich bereits aus der hiesigen Tagesschau kenne, werden aus einer völlig anderen Perspektive besprochen. Diese Tatsache bringt mich jedes Mal zum Nachdenken.

Sie zeigt mir, dass wir uns in unserem Alltag in unserer gemütlichen kleinen Bubble einrichten, die wir uns anhand zur Verfügung stehender Informationen aufgebaut haben.

Viele dieser Informationen werden uns wiederum von Medien zur Verfügung gestellt, die ebenfalls ein bestimmtes Ziel verfolgen beziehungsweise eine bestimmte Ausrichtung haben. Den Rest unserer Bubble blasen wir mit Informationen aus dem Kreis, in dem wir uns bewegen, auf. Das Ganze stopfen wir mit eigenen Erfahrungen schön gemütlich aus, sodass ja nicht zu viel Neues eindringen kann, dass uns die Ordnung durcheinanderbringt.

Diese Blase gibt Sicherheit und hilft, uns in unserer eigenen Welt zurechtzufinden. Wir müssen nicht jede Situation erneut anhand Tausender Informationen neu bewerten. Und wir müssen auch das, was wir uns erarbeitet haben, nicht aufgrund neuer Erkenntnisse oder Entwicklungen aufgeben.

Die gute Nachricht ist, die meisten Menschen, denen ich bisher begegnet bin, sind offen, sich andere Welten anzuschauen und Brücken zwischen diesen zu bauen. Aufgrund von Globalisierung und Digitalisierung haben wir heutzutage viel mehr Möglichkeiten das grosse Ganze zu sehen, als noch vor einigen Jahren.

Kolonialismus2_4x3.jpg
Ausstellung: «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» Bild: Saskia Richter

Bis vor einigen Jahren war die Beteiligung der Schweiz am Kolonialismus kein Thema. Denn die Schweiz hatte keine «eigentlichen» Kolonien. Seit genau einer Woche findet im Stadthaus Zürich die Ausstellung «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» statt, die aufzeigt, dass auch Zürich und die Schweiz koloniale Verflechtungen hatten, die bis heute nachwirken.

Gestern habe ich die Ausstellung besucht und es hat mich nachdenklich gestimmt, wie selbstverständlich wir zum Beispiel «Schweizer» Schoggi geniessen, ohne uns über die Entstehungsgeschichte der grossen Marken und die Situation in den Herkunftsländern der Kakaobohnen bewusst zu sein. Auch das tiefgreifende Verständnis, dass die Entwicklung des universitären Bildungswesens der ETH Zürich erst durch Forschungen von Biologen, Tropenärzten, Entwicklungshelfern, Geologen usw. in Kolonien möglich war, war bei mir bisher nicht wirklich ausgeprägt.

Ich empfehle jedem einen Besuch der Ausstellung. Sie zeigt anschaulich, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger, welche Auswirkungen die kolonialen Verstrickungen Zürichs auf die Menschen in den Kolonien hatten und was sie hier in der Stadt bewirkten? Vor allem interessant: Was hat das heute mit uns zu tun? Gelegenheit im Stadthaus vorbeizuschauen bleibt reichlich, denn «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» läuft noch bis zum 15. Juli dieses Jahres.


Das Thema Zürich und der Kolonialismus stösst bei Institutionen und Veranstaltern auf grosse Resonanz und regt viele Denkprozesse an. Deshalb lädt ein umfangreiches Begleitprogramm mit Podiumsdiskussionen, Führungen, Filmvorführungen und vielem mehr zur Teilnahme ein. Auch in der Paulusakademie findet am Dienstag, 7. Februar, um 20.30 Uhr ein ausstellungsbegleitendes Referat unter dem Titel «Kirche und Kolonialismus – Heilvolle Hilfe oder Militante Mission?» statt. Bei Interesse können Sie sich bis zum 3. Februar bei der Paulusakademie anmelden.

trennlinie.png

Wenn ich Freunden und Bekannten ausserhalb des Landes erzähle, dass ich seit mehr als neun Jahren in der Schweiz lebe und arbeite, sind viele beeindruckt und gehen davon aus, dass es mir besonders gut geht. Denn nach wie vor gilt die Schweiz als Wohlstandsland. Bei meinem morgendlichen Weg zur Arbeit in Zürich oder auch bei gelegentlichen Besuchen in meiner alten Heimat Basel sieht die Welt jedoch ganz anders aus. Vor allem in der Nähe des Bahnhofs sitzen, schlafen oder betteln Menschen ohne festen Wohnsitz. Das tut weh, besonders, weil ich nicht unmittelbar helfen kann.

In der reichen Schweiz ist der Wohlstand sehr ungleichmässig verteilt. Nur ein Prozent der Bevölkerung besitzt 45 Prozent des Gesamtvermögens. Hunderttausende Menschen, darunter viele Familien und Alleinerziehende mit Kindern sind armutsgefährdet oder sogar armutsbetroffen. In einem Interview mit meiner Kollegin Sibylle Ratz gibt Caritas Zürich Direktor Björn Callensten sehr lesenswerte Einblicke in die neue Armut in Zeiten der Digitalisierung.

Obdachlos_Schlafplatz_4x3.jpg
Armut in der Schweiz. Bild: zVg

In Bern findet heute das Caritas-Forum 2023 statt, bei dem eben diese Themen diskutiert und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Der Tag orientierte sich am Jahrbuch von Caritas Schweiz, dem «Sozialalmanach». In Referaten, Vorträgen und Diskussionen wurden Probleme benannt und Lösungen vorgeschlagen.

trennlinie.png

In einer anderen Welt schienen bisher auch die Schweizer Bischöfe zu leben. Beim gestrigen Zoom-Vorbereitungstreffen auf die Kontinentale Phase des weltweiten synodalen Prozesses im Februar in Prag, bei dem auch mein Kollege Simon Spengler dabei war, zeigte sich jedoch: ein Zusammentreffen verschiedener Welten zur Diskussion über die Zukunft der Kirche kann durchaus lohnenswert sein.

Erstaunliches Ergebnis des online Treffens mit rund 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern - darunter auch Bischof Felix Gmür, der in Prag vor Ort sein wird - die Schweizer Delegierten wollen

  1. sich für die Frauenfrage stark machen und
  2. die Ansätze synodaler Kirchenstruktur der Schweiz als synodales Prinzip hervorheben.

Mich persönlich freuen vor allem Bischof Gmürs Worte «Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein point of no return, der sich unsere Kirche stellen muss», die ich so klar und deutlich in dieser Form nicht erwartet hätte. Hoffen wir, dass es nicht nur bei den Worten bleibt.

Meinen Kollegen Simon Spengler freut besonders der zweite Punkt, denn «Noch genau vor zehn Jahren, im März 2013, verabschiedete die Bischofskonferenz unter geistiger Führung der damaligen Bistumsleitung in Chur ihr «Vademecum», in dem sie den Körperschaften die Bezeichnung «Kirche» rundwegs absprach. »

Ich bin gespannt, in welcher kirchlichen Welt wir in Zukunft leben werden.

trennlinie.png

Zum Schluss noch ein paar Veranstaltungs- und Kulturtipps fürs bevorstehende Wochenende. Vielleicht lassen Sie sich einmal in eine ganz neue Welt entführen.

  • Heute Abend, den 27. Januar, um 19 Uhr findet im jenseits IM VIADUKT ein Taizégebet zum Neujahr statt. Der Abend mit offenem Ende und feinen Snacks und Drinks im Anschluss an die Feier mit meditativen Liedern aus Taizé ist eine schöne Einstimmung aufs Wochenende.
  • Ebenfalls heute Abend, den 27. Januar, um 19.15 Uhr findet eine besondere Führung durch das Krematorium Nordheim Zürich statt. Hier erhalten Sie Einblicke in die Welt eines Bestatters mit allen Abläufen zwischen Tod und Beerdigung.
  • Wer es sich lieber zuhause in seiner eigenen Welt gemütlich machen möchte, kann morgen, den 28. Januar, ab 17.59 Uhr ins Podcastformat «Perspektiven» von Radio SRF reinhören. Hier geht es um das mehr als 40-jährige Engagement feministischer Theologinnen und kirchenbewegter Frauen für eine andere Kirche. Am Sonntagmorgen, den 29. Januar, um 8:30 Uhr ist das Format auch im Radio zu hören.
  • Am Sonntag, den 29. Januar, um 19.00 Uhr findet in der St. Anna-Kapelle in Zürich ein Referat mit Diskussion unter dem Titel «Jesus und sein Avatar» statt, das uns in die Welt von Jesus aus Nazareth eintauchen lässt.

trennlinie.png

In diesem Newsletter bin ich zweitweise abgetaucht in kirchenferne Welten. Ich hoffe Sie hatten dennoch eine angenehme Zeit bei der Lektüre. Und auch wenn wir manchmal in unterschiedlichen Welten unterwegs sind, so sind wir doch alle Teil eines Universums, dem eines zugrunde liegt – Liebe.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Wochenende
Saskia Richter

 

 

trennlinie.png

Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

Sie können den Newsletter hier abonnieren