Kirche aktuell

interreligiös Papst Franziskus in Arabien

Papst Franziskus in Arabien
Martin Stewen

Der Theologe Martin Stewen ist Priester der Diözese Chur und in der Pfarrei Peter und Paul in Zürich tätig. 2015-2020 war er als Auslandspriester auf der Arabischen Halbinsel in Abu Dhabi bei Bischof Paul Hinder im Einsatz. Stewen ist zertifizierter Supervisor (BSO). Im März 2020 erschien im Echter-Verlag sein Buch «Zwischen Kollar und Krawatte. Klerikalismus und (k)ein Ende?».

Martin Stewen
Martin Stewen, Priester der Diözese Chur und seit einigen Jahren in Arabien im Seelsorgeeinsatz, hat den Papstbesuch live erlebt. Seine Eindrücke.
14. Februar 2019

Make me a channel of your peace – mach mich zum Werkzeug deines Friedens” – unter dem Motto dieses bekannten, dem Hl. Franziskus zugeschriebenen Gebetes stand der Besuch von Papst Franziskus anfangs Februar in den Vereinigten Arabischen Emiraten. 

Der Papstbesuch begann am Abend des 3. Februars mit einem Empfang der Regierung unter Teilnahme der kirchlichen Delegation am Flughafen Abu Dhabi. Zum ersten Mal betrat mit Papst Franziskus ein Oberhaupt der katholischen Kirche den Boden der Arabischen Halbinsel, die Stammlande des Islam, und schrieb damit Geschichte. Der ganze Anlass war mehrheitlich ein Staatsbesuch – die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate hatte schon vor einiger Zeit das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates in die emiratische Kapitale Abu Dhabi eingeladen. Dieser Einladung folgte Papst Franziskus nun. Auch der Apostolische Vikar von Südarabien, Bischof Paul Hinder OFMCap, hatte den Bischof von Rom eingeladen – womit der Papst nun zwei Einladungen auf einer Reise annahm.

Geschwisterlichkeit aller Menschen

Der folgende Tag stand ganz im Zeichen eines interreligiösen Treffens mit dem Titel „Menschliche Geschwisterlichkeit“, das bereits vor der Anreise des Papstes am Sonntag begonnen hatte. Am Montagabend hielt der Papst seine erste und einzige Rede bei dieser Versammlung am neu errichteten Denkmal des vor hundert Jahren geborenen Staatsgründers Zayed bin Sultan Al Nahyan. Hier unterzeichneten Franziskus und Ahmed el-Tayeb, der Grossimam der Al-Azhar Moschee und ehemalige Direktor der gleichnamigen Universität in Kairo ein Dokument mit dem Titel „Über die Brüderlichkeit aller Menschen. Für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“. Darin finden sich Worte wie:

„Wir […] verlangen ausgehend von unserer religiösen und moralischen Verantwortung mit diesem Dokument von uns selbst und den leitenden Persönlichkeiten in der Welt […] ein schnellstmögliches Eingreifen, um das Vergießen von unschuldigem Blut zu stoppen und Kriegen, Konflikten, Umweltzerstörung und dem kulturellen und moralischen Niedergang, den die Welt derzeit erlebt, ein Ende zu setzen.“

Bedenkt man, dass die Arabischen Emirate im Jemen Kriegspartei sind, dann müssen solche Formulierungen aufhorchen lassen. Entweder muss sich die Regierung der VAE bald einmal vorwerfen lassen, diesen Anlass mit dem katholischen Oberhaupt und einem der führenden Häupter der Sunniten zu einer Farce verkommen zu lassen – oder man sorgt mit Nachdruck dafür, dass die vorsichtigen Anzeichen von Stabilisierung und Frieden in der Region deutlicher werden und sich die humanitäre Katastrophe im Jemen für die Menschen zum spürbar Besseren wendet.

Weitere Termine des Papstes an diesem Montag waren der pompös organisierte Empfang am Präsidentenpalast sowie ein Treffen mit dem muslimischen Ältestenrat an Abu Dhabis Grosser Moschee.

Fest der Kirche in Arabien

Der Dienstag war dann „unser“ Tag. Der Tag, an dem der Bischof von Rom mit Katholikinnen und Katholiken aus dem Vikariat Südarabien, aber auch aus vielen umliegenden Ländern, im Zayed Sports City Stadion in Abu Dhabi die Heilige Messe unter dem Thema „Für Gerechtigkeit und Frieden“ feierte. Vor der Messe besuchte der Papst die St.-Josephs-Kathedrale und traf dort mit einer Schar von Gläubigen zusammen.

Über hundertdreissigtausend Menschen – neben Katholikinnen und Katholiken auch Christen anderer Konfessionen sowie zahlreiche Muslime und andere Nichtchristen – waren nach einem komplizierten Ticketing-Verfahren überglücklich, am Gottesdienst im Stadion teilnehmen zu können. Wofür sie teils die Nacht zuvor mit der Anreise in Bussen und zu Fuss verbracht hatten.  Wolkenloser Sonnenschein – in Europa eine Freude der Menschen, in Arabien eine Herausforderung – begleitete den Festgottesdienst. Ein über hundert Stimmen starker Chor, zusammengesetzt aus den besten Sängerinnen und Sängern der Pfarreien des Vikariates, sorgte für eine grossartige musikalische Atmosphäre. An der eigens aus Grossbritannien eingeflogenen Orgel sass mit dem Anglikaner Paul Griffiths, dem CEO der beiden Dubai Flughäfen, ein exzellenter Organist.

Melodie des Evangeliums

Als der Papst mit dem Papamobil durch die Menschenmenge ausserhalb des Stadions zu fahren begann, ertönte unter allen Zuschauern frenetischer Jubel. Bischof Hinder, der im Wagen des Papstes sass, kommentierte die Situation später: „Ich hatte Tränen in den Augen.“ In seiner auf Italienisch gehaltenen, mit englischen Untertitel versehenen und ins Arabische übersetzten Predigt ging Papst Franziskus auch auf die Situation der Migrantenkirche ein und rief den Menschen zu:

„Ich bin gekommen, um euch danke dafür zu sagen, wie ihr das Evangelium lebt, das wir gehört haben [Mt 5,1-12  (Seligpreisungen)]. Man sagt, dass zwischen dem geschriebenen Evangelium und dem gelebten der gleiche Unterschied besteht wie zwischen der geschriebenen und der gespielten Musik. Ihr kennt hier die Melodie des Evangeliums und lebt den Enthusiasmus seines Rhythmus. Ihr seid ein Chor, der eine Vielfalt von Nationen, Sprachen und Riten umfasst; eine Verschiedenartigkeit, die der Heilige Geist liebt und immer mehr in Harmonie bringen will, um daraus eine Sinfonie zu machen.“

Das sass, immer wieder fing die Kamera in Tränen der Freude aufgelöste Gesichter ein. Unmittelbar im Anschluss an den Gottesdienst flog der Papst nach Rom zurück.

Was bleibt?

Ich bin ein paar Mal gefragt worden: Was wirds bringen, was hats gebracht? Meine Antwort ist immer dieselbe: Ich weiss es nicht. Denn erst die Zukunft wird die Antwort bringen. Man muss zum Verständnis der Situation sehen, dass sich im Hintergrund dieser Visite verschiedene Agenden ausmachen lassen. Da ist einmal die Agenda der Regierung, die publikumswirksame Eindrücke und Bilder produzieren wollte – und das in einer unübertrefflichen Weise geschafft hat. Die von staatlicher Seite auf die Beine gestellte Organisation der gesamten vierzig Stunden war am Ende nahezu perfekt. Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Da ist die Agenda des Papstes, der in Arabien vom Frieden sprechen wollte, der die Kirche Arabiens ermutigen und Brückenbauer zwischen den Religionen und Kulturen sein wollte – und ich denke, seine Botschaft ist angekommen. Und da ist die Agenda der Menschen, die in einer für manchen sicher einmaligen Gelegenheit das Oberhaupt der katholischen Kirche erleben wollten – und sie hatten diese Begegnung.

Mit dem Besuch hat die ganze Welt wahrgenommen, dass es in Arabien eine lebendige, katholische Christenheit gibt. Wo sich hingegen all diese Agenden im Nachhinein treffen werden, um gemeinsam für die Zukunft der Kirche hier in Arabien Frucht zu tragen, das wird sich weisen.