Kirche aktuell

Generalsekretär der RKZ Daniel Kosch geht in Pension «Die Menschenwürde ist unantastbar»

Auf Ende Monat wird Daniel Kosch, der 21 Jahre als Generalsekretär die Geschicke der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) mitgeprägt hat, sein Amt altershalber abgeben. Hier blickt er zurück auf sein Wirken.
28. November 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

 

Wie geht es Ihnen damit, dass Ihre Zeit bei der RKZ zu Ende geht?

Ich hatte noch gar keine Zeit, mir viele Gedanken darüber zu machen und ein Gefühl für die Zeit danach zu entwickeln. Ich bin noch mittendrin, die Aufgaben an meinen Nachfolger Urs Brosi zu übergeben. Aber ich kann sagen, es war eine gute Zeit und ich spüre von überall her Wertschätzung mir und meiner Arbeit gegenüber.

Was macht die RKZ überhaupt?

Die RKZ ist der Dachverband von 26 sehr verschieden organisierten Körperschaften der katholischen Kirche in der Schweiz. Sie finanziert viele gesamtschweizerische und sprachregionale Aufgaben auf nationaler Ebene. Zudem ist sie der Dachverband der staatskirchenrechtlichen Körperschaften und vertritt deren Interessen im Dialog mit der Bischofskonferenz und nach Aussen.

DSC08341.JPG
Daniel Kosch im Gespräch mit der Informationsbeauftragten Sibylle Ratz. Foto Arnold Landtwing

An was erinnern Sie sich noch, als Sie vor 21 Jahren angefangen haben bei der RKZ?

Damals war ich noch nicht Teil des Systems «Kirche Schweiz». Mir war die Breite der Fragestellungen nicht bewusst, die auf mich zukamen. Wir waren damals nur zwei Personen, ich und meine Mitarbeiterin. Es gab viel Vertrauen uns gegenüber. Das hat den Einstieg leicht gemacht.

Haben Sie Ihre Ziele erreicht, die Sie sich vorgenommen haben?

Was mich durch die ganzen Jahre begleitet hat, ist das Spannungsfeld zwischen demokratisch organisierten Körperschaften und hierarchischer Organisation der pastoralen Seite. Mir war es wichtig, die Partizipation auszuweiten. Die Synode 72 betonte schon vor 50 Jahren: «Mitverantwortung ruft nach Mitentscheidung». Diese Entwicklung verläuft sehr «zäch». Damit die Veränderungen vorwärtskommen, braucht es immer noch Reformen. Ich würde mir wünschen, dass die Bischöfe ihre Freiräume in der Schaffung von Möglichkeiten für alle Getauften, das kirchliche Leben entscheidend mitzuprägen, maximal ausnützen würden, im Wissen darum, dass das der Kirche guttut.

Welche christlichen Werte sind Ihnen besonders wichtig?

Die Menschenwürde ist unantastbar. Das finde ich auch theologisch wichtig. Der Mensch ist das Ebenbild Gottes. Zur Menschenwürde gehört Freiheit. Und Freiheit ist eng verbunden mit Gerechtigkeit. Auch die Klimafrage ist letztlich eine Gerechtigkeitsfrage und weltweit entscheidend. Menschen in anderen Ländern zahlen den Preis für unseren Lebensstandard. Daher funktionieren Religion und Glaube gar nicht ohne politisches Engagement. Spenden alleine reicht nicht. Die Kirche muss sich engagieren und tut dies auch. Aber ich mache mir da keine Illusionen, dass das alle in der Kirche so sehen. Was ich erwarte, ist die Bereitschaft, sich mit der Frage nach der politischen Rolle der Kirche ernsthaft auseinanderzusetzen.

daniel kosch FOTO Wider.jpg
Daniel Kosch bei Amtsantritt 2001 in seinem Büro. Foto Christoph Wider

Was hat Ihnen besonders Freude gemacht? Auf was sind Sie stolz?

Die RKZ hat in diesen Jahren ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie wichtig es ist, dass wir in unserem dualen System zusammenarbeiten. Heute haben wir eine andere Kirchensituation als vor rund 20 Jahren und es geht darum, im ständigen Dialog zwischen pastoral Verantwortlichen und staatskirchenrechtlichen Behörden den Auftrag der Kirche für heute neu zu definieren. In der Gesellschaft schreitet die Kirchendistanzierung voran und die Politik ist nicht mehr bereit, den Kirchen so viel Platz einzuräumen. Mit den vielen Kirchenaustritten wird auch weniger Geld zur Verfügung stehen. Ich erlebe im Umgang mit diesen Fragen viel Ratlosigkeit. Nötig wären langfristige Entwicklungsperspektiven und Strategien. Wichtig ist mir, dass wir dabei den Menschen wieder in den Fokus stellen.

Was werden Sie Ihrem Nachfolger, Urs Brosi, besonders ans Herz legen für das Amt als Generalsekretär der RKZ?

Bei dieser Arbeit gibt es ein grosses Pflichtprogramm mit vielen Sitzungen und Verwaltungsaufgaben. Dabei ist es wichtig, sich die Freiheit zu nehmen für neue Vorschläge und Impulse, damit die RKZ lebendig bleibt.

Was machen Sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Mein Bezug zur Kirche ändert sich nicht. Aber ich werde mehr Freiheit und mehr Freizeit geniessen. Ich bin dann nur noch für mich selber verantwortlich und nicht mehr als «Berufschrist» unterwegs. Ich werde vermehrt Beziehungen pflegen. Ich schreibe sehr gerne und werde mich weiterhin für den synodalen Prozess einsetzen, das ist mir sehr wichtig.

Daniel Kosch_Bischofsjubiläum_201890531_Foto_Arnold Landtwing (8).JPG
Daniel Kosch am Bischofsjubiläum 2018 mit den Weihbischöfen Peter Henrici und Paul Vollmar vorne. Foto Arnold Landtwing

Sie haben gerade selber den synodalen Prozess erwähnt. Wie stehen Sie dazu?

Das Konzept der synodalen Kirche umfasst die ganze Kirche von den Pfarreien bis zur Weltkirche. Ob der Prozess vorankommt hängt davon ab, ob auch in der Breite etwas passiert. Wir müssen die Kirche miteinander in die Zukunft bringen. Dazu braucht es auf übergeordneten Ebenen neue Strukturen. Wir sind noch nicht dort, wo wir sein sollten, wobei wir auch noch nicht genau wissen, was das genau heisst. Es braucht Menschen, die sich mit Freude für die synodale Kirche engagieren und bereit sind, sich auf offene Veränderungsprozesse einzulassen. Gremien gibt es schon zur Genüge.

Gibt es im Rückblick etwas, das Sie anders gemacht hätten?

Ich würde mehr Weiterbildung machen, um meine Fähigkeiten für Veränderungsprozesse gezielter zu entwickeln. Und ich würde mehr Zeit investieren für die Beziehungsgestaltung an runden Tischen, wir sind immer noch sehr «papierlastig».

Was wünschen Sie sich für die RKZ und die katholische Kirche in der Schweiz für die Zukunft?

Wir sollten uns endlich auf allen Ebenen mit dem Gedanken anfreunden, dass die Veränderungen in der Kirche nicht mehr aufzuhalten sind. Schön wäre es, wenn alle die Synodalität als Chance begreifen. Wir sind alle gemeinsam verantwortlich für eine Kirche, die wieder eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen kann. Entscheidend dafür sind nicht primär die Zahlen, sondern Leuchtkraft und Glaubwürdigkeit. Organisatorisch braucht es eine Bündelung der Kräfte und solidarisches Miteinander, nicht Polarisierung oder Zersplitterung.