Über uns

Zeiten des Übergangs

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Beim Blick aus dem Fenster streift mein Auge über die im Morgengrauen schon leuchtenden Osterglocken, die bereits fast wieder verblühten Krokusse auf der Wiese und die kräftigen Knospen am Apfelbaum. Auch wenn die Berge der Voralpen im Hintergrund noch weiss bedeckt sind, kündigt sich unweigerlich ein neuer Frühling an.
15. März 2024

Wenn ich am Mittag diesen Newsletter fertig habe und sich dann hoffentlich die Sonne zeigt, werde ich meine Bienen besuchen, die schon fleissig Pollen sammeln zur Aufzucht der nächsten Generation. Ich schätze diese Zeiten des Übergangs, denn sie zeigen: Ist der Winter auch noch so dunkel, trüb und kalt, es kommen wieder bessere Tage. Ostern steht vor der Türe.

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Bild: Rita Pürro

 Nur ist Ostern mehr als ein kitschiges Frühlingsfest. Es gibt kein neues Leben ohne Abkehr vom alten, keinen Aufbruch ohne Abschied, keine Vergebung ohne Reue. Ostern kann ganz schön weh tun, denn zuerst kommt der Karfreitag.
Von Abschied und Neubeginn erzählt ein hörenswerter Beitrag auf Radio SRF über sterbende Klöster, in denen trotzdem neues Leben keimt. Konkret berichtet Norbert Bischofberger in seiner Perspektiven-Sendung «(K)eine Zukunft für Klöster?» über Aufbrüche im altehrwürdigen Zisterzienserinnenkloster Wurmsbach und im Kapuzinerkloster Rapperswil. Mutig, was die Schwestern und Brüder dort leisten, wie sie offen und unerschrocken Altes loslassen und Neues wagen.

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Von einer dunklen Vergangenheit wird gerade ein anderes Kloster eingeholt. Der Beobachter wirft heute (Artikel hinter der Bezahlschranke, hier eine Zusammenfassung) dem Abt von Einsiedeln Vertuschung vor in einem lange zurückliegenden mutmasslichen Missbrauchsfall durch einen Einsiedler Mönch. Vor über 60 Jahren soll sich der Pater an einem Knaben des örtlichen Waisenhauses vergangen haben, vielleicht auch an mehreren. Der Mönch lebt heute hochbetagt und unbescholten im Kloster, die Justiz hat der Abt erst kürzlich eingeschaltet, obwohl er schon länger Kenntnisse vom Vorwurf hatte.
 
Sicher kann man fragen, was eine Untersuchung nach 60 Jahren noch bringen könne. Zumindest dem mutmasslichen Opfer sehr viel, nämlich die Anerkennung der Missetat. Und wer weiss, was der alte Pater in seinem langen Leben sonst noch angestellt hat. Klar ist auch, dass der richtige Umgang mit so lange zurückliegenden Missbrauchs-Vorwürfen nicht einfach ist. Auf dem katholischen Medienportal kath.ch erklärt der Abt sein Vorgehen. Es entsteht ein differenzierteres Bild, aber Fragen bleiben.
 
Antworten aus Sicht einer Missbrauchs-Betroffenen gibt Vreni Peterer im aktuellen Podcast «Laut + Leis»: «Jetzt wird über Missbrauch gesprochen, weil die Kirche muss.»

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Krisen können auch Chancen sein. Diese Binsenwahrheit geht in der Krise selbst oft vergessen. Synodalrat und Priester Martin Stewen blickt in einem Beitrag für das «Theologische Feuilleton» Feinschwarz vom fernen Malaysia auf die Kirchenkrise in Europa. So ein Perspektivenwechsel kann sehr heilsam sein. Und Ansporn, sich daheim zu engagieren für «eine aktive Kirche mit lebendigen Vollzügen im Sinne des Evangeliums, die schmecken und Lust auf mehr machen. Eine solche Kirche ist ein Ort, wo auch Opfer von Krisen Heilung erleben können.»

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Nochmals ganz anders erscheint wohl unsere Welt und unsere Kirche in Europa, betrachtet man sie von einem Slum in Buenos Aires aus. Kein Wunder, beurteilt der Papst aus Argentinien auch den bei uns alles dominierenden Krieg in der Ukraine ganz anders als die von Kriegstaumel verblendete Politikergarde europäischer Mächte und ihrer Medien. Und auch kein Wunder, prügeln diese Politikerinnen und Politiker und ganze Journalistenscharen auf den Papst ein, weil er sich standhaft weigert, Krieg als Lösung zu akzeptieren und stattdessen Friedensverhandlungen anmahnt.
 
Wer einzig von diesem grauenhaften Krieg der Imperien um geopolitischen Einfluss und militärische Dominanz profitiert, zeigte gerade gestern Abend das heute-journal auf ZDF. Die Aktienkurse der Rüstungsindustrie steigen kometenhaft, die Milliardengewinne von Rheinmetall, Kraus-Maffei & Co bringen die Aktionäre in Verzückung. Ein wahrhafter Totentanz der Wahnsinnigen auf den Gräbern zigtausender Soldaten und Zivilpersonen hüben und drüben.

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Abgrundtief traurig stimmt mich die Reaktion der deutschen Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa, die prompt im Einklang mit dem medialen Mainstream dem Papst widerspricht und eine «militärische Lösung» fordert. Schon vorher hat in Verkehrung aller früheren Ideale unsere Justitia et Pax, Kommission der Schweizer Bischöfe und das Wort «Frieden» im Namen tragend, noch mehr Waffen für den Krieg gefordert. Mir kommt da nur noch dieses Zitat des biblischen Propheten Jeremia in den Sinn: «Babel war in der Hand des Herrn ein goldener Becher, der die ganze Erde berauschte. Von seinem Wein haben die Völker getrunken; deshalb haben die Völker den Verstand verloren.» (51,7)
 
Danke, Papst Franziskus, für deinen Mut des Widerspruchs. Übrigens hatte einer seiner Vorgänger, Papst Benedikt der XV., im Ersten Weltkrieg die kriegstrunkenen Politiker seiner Zeit zu Friedensverhandlungen aufgefordert und wurde dafür ebenfalls verspottet. Heute gilt er als weitsichtiger Friedenspapst. Nicht vergessen: Bischof Joseph Maria Bonnemain lädt am Sonntag zur Friedenswallfahrt nach Sachseln. Ein ermutigendes Zeichen in finsteren Zeiten.

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Frieden zwischen den Religionen ist gerade auch im Zürich dieser Tage ein eminent wichtiges Thema. Dienstag entscheidet die reformierte Synode über einen Fonds der beiden grossen Kirchen, der die heute nicht anerkannten Religionsgemeinschaften beim Aufbau tragfähiger und demokratischer Strukturen unterstützen will. Die katholische Synode entscheidet im April. Auf Tele Z erklärt Synodalratspräsident Raphael Meyer Ziel und Zweck dieses geplanten Fonds (ab Minute 04:00). EDU und SVP laufen Sturm, worüber die NZZ ausführlich berichtete.

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Ein Ostererlebnis der besonderen Art bietet am 24. März das «Schoggifestival ehrundehrlich». Zur Abkehr von ausbeuterischen Produktions- und Handelsstrukturen hin zu fairer Schokolade haben sich verschiedenste Schoggi-Hersteller verpflichtet, damit der Osterhase in zwei Wochen auch ein nachhaltiger Genuss wird. Ein wenig naschen darf man schon am Sonntag vor Ostern auf dem Festival.
 
Das Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog lädt dann am Dienstag, 26. März, zum gemeinsamen Fastenbrechen im Ramadan ein. Dazu liest die junge deutsch-bosnische Autorin Melina Borčak aus ihrem Buch «Mekka hier, Mekka da». Ein bunter, amüsanter und auch nachdenklicher Abend ist garantiert.

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Ich wünsche uns allen einen besinnlichen fünften Fastensonntag.
Ostern kommt!

Ihr Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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