Kirche aktuell

Kantonaler Seelsorgerat Corona weckt Kreativität der Kirche

Prostituierte und Obdachlose an der Langstrasse, ganz normale Pfarreiangehörige sowie ein Netzwerk von Hilfsorganisationen standen im Mittelpunkt der Plenumsveranstaltung des kantonalen Seelsorgerats. Mit grossem Dank wurde Hermann-Josef Hüsgen als Präsident des Gremiums verabschiedet.
18. November 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Schwester Ariane geht an der Zürcher Langstrasse «auf die Gasse»: Sie kümmert sich um Sexarbeiterinnen, Drogensüchtige und Obdachlose, versorgt Notleidende mit Essen und Kleidern, hilft bei Formalitäten – und hat dabei immer ein offenes Ohr für persönliche Geschichten und Schicksale. Der von ihr gegründete Verein «incontro» kann auf die Unterstützung und Mitarbeit von gut 250 Freiwilligen zählen. Die wenigsten von ihnen kommen aus dem kirchlichen Raum.

«Liturgie der Gasse»

Der Küsnachter Pfarrer Karl Wolf ist Sr. Ariane und «incontro» ein wichtiger Partner was Organisation, Spendenaufrufe und Kontakt zu den Pfarreien anbelangt. Spirituelle Heimat finden die beiden in der Gemeinschaft Sant’ Egidio in Rom. Das Verteilen der Mahlzeiten, die mit einem Wägelchen der Langstrasse entlang geschieht, bezeichnet Pfarrer Wolf als «Liturgie der Gasse»: mit Einzug, Kommunion und Auszug. So habe Diakonie auch eine verkündende und liturgische Dimension.

Hilfsorganisationen knüpfen Netzwerk

Martin Ruhwinkel ist Abteilungsleiter bei der CARITAS Zürich und lobte die gute Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen. Gemeinsam wird immer wieder analysiert, welche Kreise aktuell durch Corona besonders bedroht sind. Dankbar verwies Ruhwinkel auch auf die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Synodalrat der katholischen Körperschaft. Kurze Entscheidungswege ermöglichten schnell konkrete Hilfe. Hier habe sich das duale System hervorragend bewährt. Corona habe gezeigt, welche sozialen Herausforderungen sich unserer Gesellschaft stellen. Als Kirche müssen wir einerseits bei der direkten Hilfe und andererseits im politischen Kontext vorwärtskommen, betonte der Fachmann.

Liturgische Kreativität belebt die Hauskirche

Von Von Erfahrungen in der Seelsorge im überschaubaren Raum einer Pfarrei berichteten Hella und Gregor Sodies der Pfarrei St. Johannes XXIII in Greifensee. Sie sind in der Corona-Zeit digital unterwegs, aber auch persönlich. Ob beim Einkaufen, beim Austeilen von Briefen oder beim Spaziergang, Gregor Sodies ist überzeugt, dass Menschen gerade in dieser Zeit Nähe und Aufmerksamkeit suchen. Währenddem ein «Sorgentelefon» auf Gemeindeebene unter Mitwirkung der Kirchen weniger gefragt war, wurde die liturgische Kreativität sehr positiv aufgenommen und geschätzt. So feierten die Seelsorgenden mit Freiwilligen «Youtube- oder WhatsApp-Gottesdienste», in denen sie einluden, das Brot selbst zu segnen. Solche positiven Erfahrungen wollen sie in der Pfarrei auch weiterpflegen, wenn Corona der Vergangenheit angehört, denn vor allem Familien haben das Bedürfnis, in einem passenden Moment zu Hause zu beten und zu feiern, stellte Gregor Sodies fest.

Das «Corona-Manifest» als Inspiration

In der abschliessenden Diskussion zeigte sich, dass bisher bereits aktive und kreative Teams in der Coronazeit zu Hochform aufliefen - und umgekehrt andernorts das wenig Vorhandene noch heruntergefahren wurde und einschlief. Wider alle nachvollziehbaren Ermüdungserscheinungen ermutigt und motiviert der Seelsorgerat alle Verantwortlichen in der Seelsorge, weiterhin aufmerksam zu bleiben, auf die Bedürfnisse der Menschen zu hören, flexibel zu bleiben und schnell zu reagieren. Das am Martinstag im Grossmünster ökumenisch unterzeichnete «Corona-Manifest» der Zürcher Kirchen inspiriert mit sieben Leitsätzen, konkret aktiv zu werden.

Gesucht: Beispiele aus den Pfarreien

Vielerorts entwickelte sich in Pfarreien während der Corona-Zeit eine «Kultur der diskreten Aufmerksamkeit», die auch über Distanz wichtige Formen der Gemeinschaft bildete. Der Seelsorgerat sammelt konkrete Beispiele (Mail: seelsorgerat@zhkath.ch), um sie besser bekannt zu machen und damit sie anderen als Inspirationsquelle dienen. 

Präsident Hermann-Josef Hüsgen verabschiedet

Nach vielen Jahren Engagement im Seelsorgerat trat Hermann-Josef Hüsgen aus gesundheitlichen Gründen als Präsident zurück. Er hatte seit vier Jahren das pastorale Beratungsgremium des Generalvikars geleitet und in den vergangenen 15 Jahren im Seelsorgerat mit seinem Engagement stille Meilensteine gesetzt. Das Präsidium übernimmt zwischenzeitlich – bis ein neuer Bischof und damit auch ein neuer Generalvikar für Zürich bestimmt sind – Angelika Hecht. In ihrer Würdigung für Hüsgen wies sie auf stille Meilensteine hin, die er gesetzt hat. Neben seinem Engagement im Seelsorgerat präsidierte er die AGCK acht Jahre lang und war Autor mehrerer kunsthistorischer oder geschichtlicher Werke.