Kirche aktuell

Christiane Florin zum Abschied von Franziska Driessen-Reding «Frauen sind nicht possierlich»

Zornig, humorvoll, schalkhaft und aufrührerisch: Die deutsche Kirchenjournalistin und Publizistin Christiane Florin sorgte mit ihrer Rede zum Abschied von Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding für Lach- und Sorgenfalten zugleich.
10. Juli 2023 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Vor über hundert geladenen Gästen war Christiane Florin am Freitag, 30. Juni, in der Paulus Akademie bei der Abschiedsfeier der zurücktretenden «Obersten Katholikin von Zürich» der Star des Abends. Ihre Rede hatte es in sich. Unerschrocken, mit heiligem Zorn gepfeffert und mit rheinischem Humor gesüsst entlarvte sie die jahrhundertelange Geschichte der Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche, die im Denken und Handeln der Kirchen-Herren nach wie vor ungebrochen weitergeht - aller schönen Worte zum Trotz.

Wir dokumentieren hier nur einige Perlen ihrer lesenswerten Rede. Den ganzen Text finden Sie hier.

Wozu, Herr im Himmel, sind diese Weiber bloss da?

«Frei, Frau, Entscheidung – das ist in der römisch-katholischen Kirche nicht vorgesehen. Die Frau ist nicht selbstbestimmt, sie hat eine Bestimmung. Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit, aber bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich mich der schreiend komischen Seite widmen. Ich muss lachen, wenn ich daran denke, wie sich große Geister mit den Weibern herumquälten. Thomas von Aquin zum Beispiel konnte sich die Zeugung von Mädchen nur damit erklären, dass zum Zeitpunkt der Zeugung feuchte Südwinde geweht haben müssen. Ich muss lachen, wenn ich mir Augustinus vorstelle. Als Playboy weiß er, wozu diese weiblichen Wesen da sind. Als frommer, bekehrter Mann muss er lange nachdenken, bis ihm eine mickrige Antwort einfällt. Die lautet: zum Kinderkriegen. So wird man Kirchenlehrer.»

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«Mitte Mai dieses Jahres, bei einem Treffen mit Frauenverbänden, dozierte Papst Franziskus: »Der Mann ohne Frau ist allein. Die Menschheit ohne Frau ist einsam. Eine Kultur ohne Frau ist einsam. Wo es keine Frau gibt, gibt es Einsamkeit, trockene Einsamkeit, die Traurigkeit und alle Arten von Schaden für die Menschheit erzeugt. Wo es keine Frau gibt, gibt es Einsamkeit.« Vermutlich geht es Ihnen wir mir. Sie stehen ergriffen vor der Tiefe solcher Gedanken. Sie fühlen sich endlich als Frau – wie man heute im Achtsamkeits-Sound sagt – gesehen. Wertgeschätzt als Einsamkeitsvertreiberin, Frohmacherin, Luftbefeuchterin. Bisher wussten die Verbandsfrauen vielleicht gar nicht, wie nützlich sie sind. Danke, Papa.»

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Aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer beim Vortrag von Christiane Florin. Foto: Simon Spengler

«Was also müssen römisch-katholische Menschen glauben? Sie müssen glauben, dass weibliche Wesen eine bestimmte Bestimmung haben: entweder zur Mutterschaft oder zur geistlichen Fruchtbarkeit. Weiber haben also die Wahl zwischen einem Dasein als Ehefrau und Mutter oder als Ordensfrau. Das sind die beiden Plätze, die das Lehramt ihnen zuweist. Platzanweiser ist eine Machtposition. Türsteher übrigens auch, erst recht, wenn sie sagen: »Für dich ist die Tür zu“.

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«Der Grundsatz: »Gleiche Würde, gleiche Rechte« gilt in der römisch-katholischen Kirche nicht. Das lehramtliche Mantra »Frauen sind gleichwürdig, aber nicht gleichartig« bedeutet das Gegenteil von »Gleiche Würde, gleiche Rechte«. Es heißt: Frauen sollen artig dort Platz nehmen, wo die Platzanweiser sie haben wollen. Dort sitzen sie würdig und recht. Die Diskriminierung beginnt nicht erst beim Ausschluss der Frauen von Weihe-Ämtern, sie beginnt bei dieser Beschränkung der Wahlfreiheit.»

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«Das ist der Kern der römisch-katholischen Wesenslehre: Mann und Frau ergänzen einander. Das klingt gleichberechtigt, folgt aber dem Prinzip der wahren Gleichheit. »Ergänzen« gehört zu den wichtigsten Machtverhältnisverschleierungsvokabeln. Das Wort klingt harmlos und sanft, wie Yin und Yan. Tatsächlich wird damit Beton in der »Frauenfrage« angerührt: Was fehlt, was die Frau ergänzen soll, bestimmt allein der geweihte Mann. Hat ER die Macht, ergänzt SIE die Demut. Wenn ER spricht, ergänzt SIE das Lächeln. Wenn ER gibt, sagt SIE danke. Wenn ER nichts gibt, dankt SIE auch.»

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«Ich bin die Kirche» – «L«Eglise c»est moi». Was für ein Satz! Der Unfehlbare sagt ihn natürlich nicht öffentlich, damals nicht und heute auch nicht. Ich muss zugeben, dass ich mir den gerade jetzt aus dem Munde eines Papstes oder eines Bischofs wünschen würde. Und nicht die üblichen Ohnmachtsworte nach dem Motto: «Die Kirche ist nicht befugt, Frauen zu Priestern zu weihen.» Oder: «Ich bin nur ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herren». Oder: «Die Geister sind noch nicht genug unterschieden.» Oder: Ich persönlich kann mir Priesterinnen vorstellen, aber die Weltkirche…“

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Ein nachdenklicher Bischof Joseph-Maria Bonnemain (Mitte) bei der Rede von Christiane Florin. Foto: Simon Spengler

Wer sagt schon: «Ich will die Weiber hier nicht haben». «Ich will das nicht!» «Ich halte sie für minderwertig.» Ich wünsche mir, dass das diejenigen, die an dieser diskriminierenden Lehre, an dieser unterordnenden Ordnung festhalten, offen sprechen. Das sie sagen: Ich will. Und nicht behaupten: Ich werde gewollt. Ich wünsche mir vor allem, dass die Lainnen und Laien nicht immer so nachsichtig sind, bloß weil die Diskrimierer gönnerhaft-freundlich lächeln. Zum Weiberaufstand gehört nicht nur das Tun, sondern das Unterlassen devoter Milde."

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«Und liebe geweihten Männer in Entscheiderpositionen, wenn ihr schon vor lauter Stellvertretertum und Christusrepräsentanz kaum noch laufen könnt: Bitte, bitte steht doch endlich dazu. »L«Eglise, c»est moi« - bekennt doch ehrlich: »Ich will diskrimineren.« Wenn das mal gesagt ist, dann kann man sehr viel offener miteinander diskutieren.»

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«Frauen sind nicht possierlich, sie sind nicht nützlich, sie sollten nicht immer wieder versuchen, als fleißige Lieschen ihren Mehrwert für die Kirche zu beweisen. Sie sind Menschen mit Würde. Das müsste eigentlich reichen. Und wenn das auch nach 2000 Jahren nicht reicht, was sagt das dann über die Institution?»

(...)

«Es gibt nicht die eine Interpretation des Weiberaufstands. Es gibt nicht die zehn Tipps für die korrekte Ausführung. Eine Gelinggarantie gibt es erst recht nicht. Aber mit intellektueller Analyse, mit zornigem Zungenschlag, mit zarter Bindung und mit langem Atem wird etwas hörbar, was vorher nicht zu hören war.»