Kirche aktuell

Jesuit Rutishauser verlässt Zürich «Ich habe mich sehr wohlgefühlt»

Der scheidende Provinzial der Schweizer Jesuiten P. Christian Rutishauser SJ übernimmt ein neues Amt in München. Er spricht mit Ewelina Bajor über seine Zeit in Zürich und blickt auf neue Aufgaben in seiner zukünftigen Rolle als Delegat in der neugegründeten Provinz der Jesuiten.
29. Januar 2021 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Pater Rutishauser, nach neun Jahren als Provinzial der Schweizer Jesuiten verlassen Sie Zürich und ziehen nach München. Gefällt es Ihnen in Zürich nicht mehr?

Christian Rutishauser SJ: Im Gegenteil! Hier in Zürich bin ich begeistert davon, wie unkompliziert die verschiedenen Institutionen am Hirschengraben zusammenarbeiten: Das aki, das Provinzialat, das Forum, das Centrum 66, die reformierte Kirche bis hin zum Studentencafé «Hirschli». Diese Nähe zeichnet Zürich in besonderer Art und Weise aus, da sie einen guten Austausch ermöglicht. Ich schätze es sehr, dass so ein grosses Vertrauen und Freundschaften entstehen.

Was sind Ihre Lieblingsorte in Zürich?

Wenn ich viel im Büro arbeite, mache ich gerne Spaziergänge zum See oder zur Limmat. Manchmal gehe ich zu Fuss bis zum Kloster Fahr oder hoch zum Züriberg. Immer wieder zieht es mich aber auch zur Predigerkirche, der Liebfrauenkirche oder der Wasserkirche. Es sind Orte der Stille, an denen ich gerne verweile.

Verlassen Sie Zürich schweren Herzens?

Ich habe mich in Zürich sehr wohlgefühlt. In meiner Arbeit als Provinzial war ich viel in anderen Kantonen unterwegs. München ist geografisch gesehen zwar deutlich weiter entfernt, jedoch werde ich auch in Zukunft regelmässig nach Zürich zurückkehren.

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P. Christian Rutishauser SJ auf der Zürcher Polyterrasse.
Foto: Ewelina Bajor

Ab Ende April wird die Schweizer Provinz der Jesuiten Teil der neuen Zentraleuropäischen Provinz mit Hauptsitz in München. Welche Länder werden künftig dazu gehören?

Der neue Zusammenschluss besteht aus Ländern des deutschsprachigen Raumes, also der Schweiz, Deutschland und Österreich sowie den Ländern Schweden, Litauen und Lettland.

Was genau ist Ihre neue Aufgabe?

Ich werde «Delegat» für den Bereich Schulen und Hochschulen. Es wird darum gehen, die verschiedenen Gymnasien und Hochschulen, die die Jesuiten führen, miteinander zu vernetzen und das inhaltliche Profil zu bestimmen, natürlich immer im Rahmen der staatlichen Vorgaben. Uns ist auch wichtig, eine bestimmte Pädagogik zu vermitteln: Bildung ist nicht nur Wissensvermittlung oder Kompetenzerwerb, sondern die Bildung der Persönlichkeit und Urteilsbildung. Ein weiterer Teil ist die Personalplanung. Es betrifft die Koordination, so dass genug Jesuiten in den verschiedenen Einrichtungen verfügbar sind und das ignatianische Profil gewahrt und weitergegeben wird.

Warum ist Ihnen Bildung so wichtig?

Bildung ist das Kerngeschäft der Jesuiten. Wir sind überzeugt, dass der Glaube und die Kirche Bildung brauchen. Auch der einzelne Mensch muss sich immer fortbilden, daher engagieren wir uns insbesondere in diesem Bereich und möchten den Menschen die ignatianische Spiritualität näherbringen.

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Die Jesuitenbibliothek in Zürich.
Foto: Ewelina Bajor

Wie viele Jesuitische Bildungseinrichtungen gibt es in der Schweiz?

In der Schweiz waren die Jesuiten bis zu den 70er Jahren illegal, daher war es auch nicht erlaubt, Schulen zu eröffnen. Noch bis heute wurden keine Jesuitenschulen in der Schweiz gegründet. Die nächste Bildungseinrichtung befindet sich in St. Blasien, im Schwarzwald. Dort kommt ein Drittel der Schüler aus der Schweiz. Eine weitere Bildungseinrichtung ist das «Jesuit World Wide Learning» mit Sitz in Genf. Sie vermittelt Online-Studiengänge für Flüchtlinge und schafft Menschen in Entwicklungsländern einen Zugang zu universitärer Bildung. So können junge Leute in Afghanistan, dem Irak oder in Malawi und anderen, ostafrikanischen Ländern online an Jesuitenuniversitäten studieren.

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Universitäre Bildung ist weltweit relevant.
Foto: Ewelina Bajor

Welche Projekte könnten Sie sich für die Schweiz vorstellen?

Ich hätte Freude, wenn verschiedene Schulen und Gymnasien in der Schweiz Interesse hätten, mit dem «Zentrum für Ignatianische Pädagogik» in Ludwigshafen zusammenzuarbeiten. In Deutschland und Österreich gibt es zahlreiche Netzwerkschulen, die sich an ignatianischer Pädagogik orientieren. Es ist eine Pädagogik, die stark mit Erfahrungen arbeitet, für einen christlichen Humanismus steht und versucht die Verbindung von Religion und säkularer Gesellschaft zu fördern.

Die Schweizer Provinz der Jesuiten wird ab dem 27. April Teil der Zentraleuropäischen Provinz, welche die Schweiz, Deutschland, Österreich, Schweden, Litauen und Lettland umfasst. Der Hauptsitz wird in München sein.
Christian Rutishauser SJ, der neun Jahre als Provinzial der Schweizer Jesuiten gewirkt hat, wird ab Mai Delegat für Schulen und Hochschulen in München. Zu seinem Bereich gehören philosophische und theologische Hochschulen in Schweden, Deutschland und Österreich, aber auch zahlreiche Gymnasien.
In seinem neuen Aufgabenbereich wird Rutishauser ausserdem die wissenschaftlichen, kulturellen und spirituellen Zeitschriften der Jesuiten betreuen und für die Schweizer Kulturzeitschrift «choisir» sowie dem «Jesuit Worldwide Learning»(JWL) verantwortlich sein.

Interview: Ewelina Bajor