Kirche aktuell

Interview-Serie Kirche leben in Corona-Zeiten - mit Dominik Michel

Wir fragen kirchlich engagierte Menschen, wie sich ihr Leben und ihre Arbeit im Lockdown verändert haben. Und was nach Corona davon bleibt. Heute mit Dominik Michel, Leiter des Begegnungsortes jenseits IM VIADUKT, im Kreis 5 der Stadt Zürich.
25. Mai 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Was war für Sie das einschneidenste Ereignis seit dem Lockdown?

Neben meiner beruflichen Tätigkeit bin ich im Militär beim Psychologisch-Pädagogischen Dienst tätig. Dabei bilden wir gemeinsam mit den Armee-Seelsorgern und dem Sozialdienst der Armee für Angehörige des Militärs das spirituell-psychologisch-soziale Backup und sind dadurch ebenfalls vom Assistenzdienst betroffen. Als noch unklar war, wer von unserem Team tatsächlich aufgeboten wird und ich nicht wusste, was auf mich zukommen wird, habe ich ein paar Nächte unruhig geschlafen. In der «heissen Phase» der Pandemie wurde ich nicht aufgeboten. Meinen Dienst leiste ich voraussichtlich in der letzten Phase des Assistenzdienstes.

 

Wie gehen Sie persönlich mit der neuen Situation um?

Ich bin sehr froh, dass der Lockdown schrittweise gekommen ist und wir nun auch schrittweise der neuen Normalität entgegen gehen. So habe ich mich nie überrumpelt gefühlt und konnte mich immer gut an die neuen Massnahmen und Lockerungen gewöhnen. So finde ich mich in jeder Corona-Phase immer gut zurecht. Wenn mir vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte, dass wir diese Situation erleben, dann wäre dies für mich ganz klar undenkbar gewesen. Nun leben wir in dieser speziellen Zeit und ich stelle dankbar fest, dass man sich offenbar auch an Undenkbares gewöhnen kann.

 

Ihr schönstes Erlebnis in der Corona-Zeit?

Ich habe das Privileg, trotz Corona mein 8 Monate altes «Göttimeitli» aufwachsen zu sehen. Für sie ist Corona natürlich kein Thema.

 

Hat Corona die Kirche verändert?

Corona verändert meiner Meinung nach vor allem die Wahrnehmung der Kirche. Ich denke da z.B. an die Spitalseelsorger, deren unglaublich wichtige Aufgabe wahrscheinlich noch intensiver ist, wenn man bedenkt, dass sie die einzigen Sozialkontakte sind, die nicht zum medizinischen Personal gehören. Da glaube ich, hat sich viel positiv verändert. Ich höre auch immer wieder von sehr spannenden Ideen, welche nun umgesetzt werden. Sei es im seelsorgerlichen oder liturgischen Bereich.

 

Was soll nach dem Ausnahmezustand für das kirchliche Leben bewahrt werden?

Wie schon gesagt zeigt die Corona-Krise sehr eindrücklich auf, dass Undenkbares plötzlich denkbar oder sogar Realität wird. Von daher hoffe ich, dass der Mut und vielleicht auch die Pflicht für Veränderungen, die mit den Veränderungen in der Gesellschaft einhergehen, bewahrt oder gefördert wird.

 

Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?

Früher habe ich manchmal gedacht, dass mein Beitrag fürs Grosse und Ganze eigentlich keine Rolle spielt. Die Corona-Krise belehrt mich jetzt eines Besseren: Mein ganz persönliches Verhalten und die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Situation von anderen Menschen sind mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.

 

Hat der Lockdown neben all der bedrückenden Seiten auch etwas Gutes?

Ich denke, dass die gegenwärtige Krise mehr Chancen als Risiken birgt und wir als Gesellschaft gelernt haben, dass wir gemeinsam stärker sind als allein. Das ist definitiv etwas Gutes.