Meilenstein der kirchlichen Ausbildung Geburtsstunde des neuen Studiengangs Seelsorge
Am Abend des 22. Oktober wurde das 21-seitige Reglement in der Paulus Akademie Zürich den Ausbildungs- und Personalverantwortlichen vorgestellt. Rund 35 Vertreterinnen und Vertreter aus den deutschsprachigen Bistümern und theologischen Ausbildungsstätten nahmen am Informationsanlass teil.
Neue Wege in die Seelsorge
Projektleiter Michael Hartlieb vom Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut (TBI) und Generalvikar Markus Thürig vom Bistum Basel, führten durch die Präsentation des neuen Modells, das den Weg in die Seelsorgearbeit künftig deutlich öffnen soll.

«Es galt, mehrere Vorgaben zu vereinen», erklärte Thürig gleich zu Beginn. «Einerseits darf das theologische Vollstudium nicht konkurrenziert werden, andererseits braucht es einen realistischen Zugang für Berufstätige mit Lebens- und Praxiserfahrung.»
Geld verdienen während der Ausbildung
Das neue Modell erlaubt deshalb einen stufenweisen Einstieg: Interessierte, auch ohne Matura, beginnen neben ihrem angestammten Beruf mit einer religionspädagogischen Ausbildung am RPI oder mit dem theologischen Studiengang des TBI. Diese Lehrgänge lassen sich berufsbegleitend an Abenden und an Wochenenden absolvieren.
Anschliessend erfolgt der Übergang in eine Anstellung zu 40 bis 50 Prozent in einer Ausbildungspfarrei oder in der Spezialseelsorge – parallel zum weiterführenden Studium an einer theologischen Fakultät. Im Unterschied zu einem Vollstudium wird dabei bereits ein Teilzeitlohn erwirtschaftet.
Standardisierte Berufsqualifikation
Nach frühestens zwei Jahren Theologiestudium – je nach vorherigem Bildungsweg – kann ein kirchlicher, nicht akademisch anerkannter Seelsorgeabschluss, erworben werden. Dieser gilt in den Deutschschweizer Bistümern dann als standardisierte Qualifikation, äquivalent zum Theologiediplom.
Das TBI fungiert als zentrale Koordinations- und Anlaufstelle für Interessierte und vermittelt an die zuständigen Regentien in den Bistümern weiter, oder umgekehrt. (tbi-zh.ch).
Grosses Interesse
Ab Herbst 2026 sollen die ersten Studierenden an einer der drei theologischen Universitäten starten. Die Aufnahmeverfahren laufen bereits. Das Interesse sei laut Hartlieb gross: «Ich führe derzeit zwei bis drei Beratungsgespräche pro Woche – und es sind beeindruckende Lebensläufe darunter: von Bankangestellten über Ärztinnen bis hin zu Pflegefachpersonen. Viele suchen in ihrer zweiten Lebenshälfte eine sinnerfüllte Neuorientierung», berichtet er begeistert.
Die Zielgruppe des neuen dualen Studiengangs sind nicht jüngere Schulabgänger, sondern berufserfahrene Menschen, die den Traum eines Seelsorgeberufs schon länger in sich tragen und nun einen Neuanfang wagen möchten.
Auch bereits in der Katechese Tätige sollen motiviert werden, sich vertieft weiterzubilden. Bisher hatte viele das lange Theologiestudium und der damit verbundene Lohnausfall abgeschreckt.
Und das psychologische Assessment?
Kritische Nachfragen aus dem Publikum betrafen insbesondere das neu eingeführte psychologische Assessment, das gemäss Verhaltenskodex des Bistums Chur und der Schweizer Bischofskonferenz alle Kandidatinnen und Kandidaten durchlaufen müssen.
Die Verantwortlichen betonten ihre Sorgfaltspflicht: Für beide Seiten – sowohl für die Berufstätigen als auch für die Kirche – stehe viel auf dem Spiel. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Ergebnisse aus dem Assessment eine wertvolle Grundlage bieten, um gegebenenfalls Entwicklungsfelder zu erkennen oder auch eine Eignung zu hinterfragen. Zudem helfe das Verfahren, unrealistische Vorstellungen von heutiger Seelsorge zu klären.
Informationsaustausch zwischen den Bistümern
«Ob sich die Bistümer untereinander austauschen, falls eine interessierte Person abgelehnt wird?», lautete eine weitere Frage aus dem Publikum. Michael Hartlieb gab sie an Regens Daniel Krieg (Chur) und Kathrin Kaufmann-Lang, Ausbildungsleiterin der Regentie Basel, weiter. «Die Abläufe sind noch nicht vollständig festgelegt», so Krieg.
«Für den Studiengang Theologie gibt es jedoch bereits eine Vereinbarung, wonach ein Austausch untereinander stattfindet», ergänzte Kaufmann-Lang. Insgesamt gehören die Eignungsabklärungen zu einem persönlichen und vertrauensvollen Prozess zwischen den Regentien und den Kandidierenden. «Ein Interesse an einer Ausbildung ist aber noch keine Anstellung», betonte Krieg. «Auch das muss mitbedacht werden.»
Seelsorge für die Zukunft
Am Ende des Abends wurde deutlich: Auf die meisten Fragen gibt es im ausgefeilten Reglement bereits klare Antworten. Das Konzept wirkt durchdacht und praxisnah – nun muss es sich in der Umsetzung bewähren.
Ob damit der drohende Personalmangel tatsächlich aufgefangen werden kann, wird sich erst zeigen. Die Richtung aber ist klar: Mehr Praxisnähe, mehr Vielfalt und neue Zugänge zu Theologie und pastoraler Arbeit – damit die kirchliche Seelsorge als ein Dienst in der Gesellschaft eine Zukunft hat.
Dieser Beitrag von Sabine Zgraggen erschien zuerst auf kath.ch
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