Kirche aktuell

Filmpreisverleihung Abend radikaler Menschlichkeit

Wo Schablonen den Blick verhärten, können Bildergeschichten Menschen sichtbar machen. Die Verleihung des Filmpreises der Zürcher Kirchen am Zurich Film Festival erinnerte daran, dass Menschlichkeit weder abstrakt noch bequem ist. Film wie Kirche sind aufgerufen, Räume für Empathie zu schaffen.
03. Oktober 2025 Katholische Kirche im Kanton Zürich

«Seht die Menschen» – in einer eindringlichen Festrede rief der ehemaliger Philosophieprofessor, Fotograf und Reporter Klaus Petrus dazu auf, stereotype Feindbilder zu hinterfragen, sie herauszufordern und Räume der Phantasie und Menschlichkeit zurück zu erobern. «Den» Flüchtling mit seinen gängigen Attributen gebe es bekanntermassen nicht, sondern einfach Ahmed, Lotti und Lena in ihrer ganzen Menschlichkeit: bunt, schräg, verletzlich, humorvoll – und «verdammt normal», wie wir alle.

Klaus Petrus hatte an diesem Abend eine unmissverständliche Botschaft: Entmenschlichung geschehe dann, wenn wir uns einredeten, dass «die Anderen nicht so sind, wie wir». Radikale Menschlichkeit heisst, sich im Anderen zu erkennen – ohne weiteren Bedingungen. Das gelte für alle oder keinen. 

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Klaus Petrus eindringliche Botschaft stand über dem gesamten Abend der Preisverleihung. Foto: Gina Held

Tönt irrsinnig gut, ist aber anstrengend

Allerdings: «Radikale Menschlichkeit» töne zwar «irrsinnig gut» und sei auch «christlich irgendwie», aber offenbar auch nicht einfach. Mehr noch – Menschlichkeit sei anstrengend: «Man fällt so schnell zurück in ein schwarz/weiss-Denken».

Schablonen erlaubten kein Mitgefühl, hält Petrus fest. Aber Bildergeschichten ermöglichen es, den Menschen hinter den Stereotypen hervorzuheben und Feindbilder aufzulösen. 

Gegen Vorurteile und Stereotypen

In seiner Videobotschaft hielt der Regisseur Namir Abdel Messeeh fest, dass es ihm in seiner Arbeit an «La vie après Siham» wichtig war, eine arabische Familie zu zeigen: Wie diese lebt und liebt – nicht anders als in allen Familien. Gegenüber arabischen Menschen herrschten leider viele Vorurteile und Stereotypen.

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Obwohl er selbst nicht vor Ort sein konnte, war Regisseur Namir Abdel Messeeh mit seiner Videobotschaft ganz nah bei den Gästen. Foto: Gina Held

Die Kirche muss sich dem Dialog stellen

Christian Jungen, der Direktor des Zurich Film Festival, zog in seiner Ansprache die treffende Parallele zwischen Kino und Kirche: Im Alltag – abseits von Festival und und kirchlichen Feiertagen – bliebe so mancher Kinosessel respektive manche Kirchenbank inzwischen leer.

Jungen hatte für dieses Problem zwar auch keine Patentlösung, dafür nahm er die kirchlichen Anwesenden pointiert ins Gebet: Die Kirche dürfe sich bei unangenehmen Themen nicht weiter verstecken und müsse sich dem Dialog mit der Öffentlichkeit stellen. Film sei eine Gelegenheit dazu.

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Bereits Jesus von Nazareth hatte seine grossen Auftritte nicht in den offiziellen Sakralräumen, ordnet Synodalrat und katholischer Gastgeber Raphael Meyer den Filmpreis der Zürcher Kirchen ein. Foto: Gina Held.

Kirche muss dort präsent sein, wo die Menschen sind. Sie findet nicht nur im Kirchenraum statt, betont Raphael Meyer, Synodalrat der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und damit einer der Gastgeber des Abends, in seiner Begrüssungsrede. Darum wäre es nur folgerichtig, dass der Filmpreis der Kirchen mitten im Zurich Film Festival im Herzen der Stadt stattfindet.

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  • Filmpreis der Zürcher Kirchen

    Begrüssungsrede

    Raphael Meyer, Synodalratspräsident der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, betont in seiner Begrüssungsrede, dass Kirche dort sein muss, wo die Menschen sind.
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