Kirche aktuell

"Es werde grün" - Bitte an Gott und Tätigkeitswort

"Es werde grün" - Bitte an Gott und Tätigkeitswort
Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ)
Daniel Kosch
Daniel Kosch
07. April 2015

«Es werde grün» – diesen Titel haben die Herausgeberinnen und Herausgeber dem neuen Umwelthandbuch gegeben. Wer keine Ahnung hat, worum es geht, könnte bei dieser Formulierung an einen Autofahrer denken, der vor der roten Ampel steht und ungeduldig wartet, bis er endlich Vollgas geben kann; da wir Frühling haben, könnte er oder sie auch an die wieder erwachende Natur denken, im Sinne von «Komm lieber Mai und mache, die Bäume wieder grün»; politisch sensible könnten an das Wahljahr denken – und ein grünes oder grünliberales Wahlprogramm erwarten.

Neues Handbuch vom Verein oeku
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Und tatsächlich – wer im neuen Handbuch blättert, wird sehen, dass die Autorinnen und Autoren wollen, dass wir Gas geben – aber nicht in Richtung Beschleunigung, sondern in Richtung Entschleunigung des Klimawandels. Und sie wünschen sich wirklich Grünflächen und vielfältig blühende Hecken, Büsche und Bäume zur Erhaltung der Artenvielfalt. Und sie sind sich bewusst, dass kirchliches Handeln eine umweltpolitische Dimension hat, nicht erst, wenn sie sich in die entsprechenden Debatten einmischt, sondern schon, wenn Kirchgemeinden Büromaschinen und das Papier einkaufen, auf dem sie ihre Einladungen zu Diskussionsabenden oder zur Feier der Schöpfungszeit versenden.

Diese sehr konkreten Anknüpfungspunkte sind wichtig und richtig. Denn das Handbuch ist sehr konkret und anschaulich. Es enthält viele Beispiele im Sinne von «best practice» und «Checklisten», welche deutlich machen, wie es gehen könnte und woran man denken muss, wo es ums ökologische Handeln geht.

Aber der Buchtitel erschliesst sich noch besser, wenn man nicht nur alltagsnahe oder tagespolitische Bezüge berücksichtigt, sondern auch seinen biblischen Bezug . «Es werde grün» spielt an auf den ersten Schöpfungstag.

Als die Erde noch wüst und wirr war, Finsternis über der Urflut lag und Gottes Geist über dem Wasser schwebte, sprach Gott «Es werde Licht». Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war.

Wenn wir wollen, dass uns dieses Licht des Lebens weiter leuchtet und dass unser Planet Erde nicht wieder ins Tohuwabohu, also ins Wüste und Wirre zurückfällt, dann müssen wir sagen: «Es werde grün». Und wir müssen hoffen, dass es dann auch wirklich grün, und damit gut oder wenigstens besser wird.

Die Sprachkritischen unter Ihnen werden sich nun vielleicht fragen: Ist das nicht ein zu passiver Zugang: «Es werde grün». Müsste es nicht viel aktiver heissen:

  • «wir grünen» (als Verb!),
  • «wir bewahren die Schöpfung»,
  • «wir fallen dem Rad der Umweltzerstörung in die Speichen».

Vermeidet die kirchliche Sprache hier wieder einmal, «Ross und Reiter» beim Namen zu nennen, sagt unbestimmt «es», statt die Adressaten beim Namen zu nennen: die Behörden, die Kirchenpolitiker, die Praktiker etc.?

Dass dem nicht so ist, erschliesst sich jenen, die die biblische Sprachform des «passivum divinum», also des «göttlichen Passivs» kennen: «Es werde grün» gehört dann in die Reihe jener Bibeltexte, in denen im Sinne der Heiligung des unaussprechlichen Namens Gottes ein «Passiv» gewählt wird:

  • « Geheiligt werde Dein Name»,
  • «Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden »,
  • oder eben: « es werde Licht ».

Anders gesagt: Wo der Name Gottes, also der Name des Befreiers, des Begleiters, des Schöpfers und Retters allen Lebens geheiligt und zur Geltung gebracht wird, wo Weinenden die Tränen getrocknet werden, wo Licht das Dunkel vertreibt oder eben dort, wo es grün wird, ist Gott am Werk.

Die Gemeinde ist grün!

Das heisst: Die Kirchgemeinde, die Versammlung jener Menschen, die ihr Leben im Geist Gottes und in der Nachfolge Jesu gestalten, ist nicht Glaubensgemeinschaft oder Ort, wo Gottes Gegenwart gesucht und erfahren wird und daneben ist sie auch noch grün oder auch noch sensibel für ökologische Fragen. Der Zusammenhang ist viel enger: Weil und indem die Gemeinde «Kirche Gottes» ist, ist sie grün. Und indem sie grün ist, ist sie Kirche Gottes. Der Titel «Es werde grün» enthält also eine wichtige, anspruchsvolle Botschaft: Wo es grün wird, kommt der schöpferische Gott in seiner Kirche und in seiner Welt zur Geltung.

Das mag jenen, die nicht so grün sind, oder auch jenen, die Gottes Wirken und menschliches Werken nicht so eng miteinander verknüpfen mögen, als sehr gewagte Aussage erscheinen. Aber gerade Kirchen und Kirchgemeinden, die wie die unseren über grosse und schöne Gebäude, über einiges Personal und einiges Geld verfügen, tut es sehr gut, dass oeku nicht nur mit diesem Umwelthandbuch, sondern mit ihrem gesamten Denken, Reden, Schreiben und Handeln für diese Verknüpfung steht, die praktische Schöpfungsbewahrung untrennbar mit dem Glauben an den schöpferischen Gott und mit Schöpfungsspiritualität verbindet, so dass das eine nicht ohne das andere sein kann.

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Kirche in Trüllikon mit Solardach

Damit macht oeku Ernst mit dem, was schon der biblische Schöpfungsbericht und erst recht das Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes besagt: Gott ist nicht «ausserhalb» der Welt, seine Gegenwart ereignet sich nicht an der Welt und an den Realitäten vorbei, sondern «mitten unter uns». Kürzlich bin ich wieder einmal auf ein Zitat von Martin Buber gestossen, das dieses Grundanliegen mit der ihm eigenen Eindringlichkeit formuliert. Buber schreibt:

«Man muss sich davor hüten, das Gespräch mit Gott als etwas lediglich neben oder über dem Alltag sich Begebendes zu verstehen. Gottes Sprache an die Menschen durchdringt das Geschehen in eines jeden von uns eigenem Leben und alles Geschehen in der Welt um uns her … und macht es … zur Weisung, zur Forderung.»

Wer diesen Gedanken und den Titel des Umwelthandbuches, dessen Erscheinen wir heute feiern, ernst nimmt, wird zum Schluss kommen, dass dieses Buch in seiner ganzen Konkretheit, bis hin zu Empfehlungen für vogelfreundliche Hecken oder umweltverträgliche Reinigungsmittel nicht einfach ein nützlicher Ratgeber, sondern ein theologisches Buch ist, welches das biblisch inspirierte Wort «es werde grün» meditiert, dekliniert und konjugiert, auf dass es beides werde: eine Bitte an Gott und ein Tätigkeitswort.

In diesem Sinne wünsche ich dem Buch die Aufmerksamkeit, die es verdient – und danke oeku sowie den Personen, die es verfasst und herausgegeben haben und die sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass es grün werde in unseren Kirchen und in unserer Welt.