Zeitenwende für Kirche in Zürich? «Wir brauchen eine Revolution»
Nein, auf einen Donnerschlag alle gesellschaftlichen Verhältnisse umstossen, wie es die grossen Revolutionäre des 18. und 19. Jahrhunderts erträumten, das will unser Bischof nicht. Aber die Verhältnisse in der Kirche vom Kopf auf die Füsse stellen, das will Joseph-Maria Bonnemain sehr wohl.
Ziemlich ungewohnte Worte für einen Bischof und dazu noch bekennendem Opus-Dei-Mitglied, der ja die männlich-hierarchische Ordnung der Kirche selbst repräsentiert. «Wir sind noch zu klerikal», betont Bonnemain im grossen Interview für unser Mitarbeitenden-Magazin Credo. Denn alle Gläubigen, Frauen wie Männer, seien gerufen, eine «neue, gerechte Welt zu schaffen».
Wir sollten die Lösung der Probleme unserer Kirche nicht von der Institution erwarten, sondern es sei «an uns selbst, diese Lösungen zu suchen und zu finden». Was das konkret etwa auf die ungelöste Frauenfrage in der Kirche bedeutet, darüber kann man mit dem Bischof am geplanten Bistumstag im Zürcher HB am 31. Mai persönlich streiten.
Bonnemain verrät aber auch ganz konkrete Pläne, die er in seinen noch verbleibenden Amtsjahren für die Kirche in Zürich und sein Bistum hat. So ist er zurzeit auf der Suche nach einem geeigneten Weihbischof: «Ich will keinen Büromenschen. Ich will jemanden, der raus zu den Menschen geht», so sein Wunschprofil für den künftigen Stellvertreter, der aber auf keinen Fall schon als Nachfolger gesetzt sein soll. Wo der künftige Weihbischof residieren soll, verrät Bonnemain nicht, aber vielsagend erklärt er: «Ich hätte gerne eine Kon-Kathedrale in Zürich.»
Für die Zürcher Kirche stehen also tiefgreifende Veränderungen an - wenn der Papst mitspielt, bei dem das entsprechende Gesuch bereits auf dem Tisch liegt. Bischof Bonnemain rechnet sehr bald mit Post aus Rom, vielleicht noch vor Ende Jahr. Und bevor er seinen Bischofsstab in voraussichtlich drei Jahren einem Nachfolger überreicht, möchte er auch noch Zürich voll ins Bistum integrieren: «Mein Ziel ist, dass alle Gebiete, die seit 230 Jahren provisorisch dem Bischof von Chur als apostolischem Administrator anvertraut wurden, völlig ins Bistum integriert werden. Dies betrifft Zürich, einen Teil des Kantons Uri, von Obwalden, Nidwalden und Glarus. In meiner Amtszeit möchte ich das noch erreichen.» Womit Bonnemain allen früheren Zürcher Träumen einer Loslösung von Chur und Gründung eines eigenen Bistums Zürich eine klare Absage erteilt.
Ob drei Jahre für die Umsetzung aller Pläne reichen? Wer weiss. Revolutionen kommen meist plötzlich – und für die Vertreter der alten Herrschaft meist überraschend. Vielleicht steht die Zürcher Kirche ja vor einer Zeitenwende, deren Ausgang offen ist.
Das ganze Interview mit Bischof Joseph-Maria Bonnemain ist in Credo Nr 4 (2025) erschienen. Das Magazin für Mitarbeitende, Behördenmitglieder und in der Kirche Engagierte kann kostenlos hier abonniert werden.
Kommentare anzeigen