Kirche aktuell

Eine App zum Verweilen «Gut aber hart»

Meinrad Furrer

Meinrad Furrer

Meinrad Furrer
Im Rahmen des Projektes «Kirche urban» lanciert Katholisch Stadt Zürich zusammen mit der ZHdK eine App für Achtsamkeit in der Stadt Zürich. Ist dies nicht ein Widerspruch?
20. September 2019

Wir sehen sie täglich vor uns: im Tram, am Mittagstisch, in der Pause, in allen erdenklichen Situationen - Menschen hängen an ihrem Smartphone. Ich gehöre auch oft dazu. Und ich frage mich immer wieder, ob ich dabei nicht eigentlich Leben verpasse.

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Und jetzt lancieren wir von Katholisch Stadt Zürich doch tatsächlich «3:33 WEILER» - eine App zum Verweilen.

Die App: virtuell und doch real

Animieren wir damit nicht die Menschen, noch mehr in der virtuellen Welt umherzuschwirren und gerade eben nicht im realen Leben zu verweilen? Eine E-Mail vor ein paar Tagen erinnerte mich daran, dass dem nicht so ist. Der Absender der Mail war Katholisch Stadt Zürich. Beim Öffnen zeigte sich eine Art Postkarte. Auf einer eingefärbten Luftaufnahme des Krematoriums Nordheim standen die Worte

«Gut aber hart». Als Gruss: Bis bald wieder, verweile gut! 3:33 WEILER.

Sofort erinnerte ich mich: 33 Tage zuvor war ich in Zürich unterwegs und testete an verschiedenen Orten die App, die damals noch im Entstehen war. Ich stand zum Beispiel vor dem Tor des jüdischen Friedhofs am Steinkluppenweg. Und war sehr bewegt durch die aktuellen Fragen, die mir mit einer sonoren Stimme aus dem Handy entgegenkamen:

«Wo werden die Nachgeborenen unsere Namen lesen? Sie werden vergessen so wie die vielen E-Mails und SMS, die Tweets und Facebook Profile. Was hinterlassen wir denn? Eine ausgebeutete Erde?»

Und nein, diese E-Mail werde ich so schnell nicht vergessen und auch die Fragen nicht, die der Coautor Urs Baur in seinem Drehbuch für diesen Ort auf der App formuliert hat. Wenig später stand ich im Innenhof des Krematoriums Nordheim.  

Verweilen auf dem Friedhof

Wie bei jedem Ort auf der App wurde ich zwei Mal zu einem Verweilmoment von 1 Minute 11 Sekunden, resp. 2 Minuten 22 Sekunden eingeladen und damit zu einer Auseinandersetzung mit einem Verlust, der mich persönlich gerade sehr beschäftigte. Das Drehbuch zu diesem Ort hatte ich geschrieben.  Ich befragte also eigentlich mich selber, als die Stimme in der App fragte: «Wie fühlt es sich an, die Trauer als einen Lehrmeister für ein intensiveres Leben zu begreifen?»

Es war ein heftiger und heilsamer Moment zugleich. Ich war ganz allein im Innenhof und konnte mir erlauben, laut zu rufen: «gut aber hart» - und dann zu weinen. Ich habe dann die Worte in ein vorgesehenes Feld getippt und wurde eingeladen, es zu teilen. Ich hätte es Freunden schicken oder auf Instagram teilen können. Doch die Erfahrung war in diesem Moment zu intim, also liess ich es mir in 33 Tagen als E-Mail schicken.

Ich bin begeistert von der App und von der Zusammenarbeit mit der ZHdK, die mir viele Einsichten gebracht hat. Die Menschen, denen wir die App schon gezeigt haben, reagierten positiv überrascht. Nein, 3:33 Weiler ist keine App, die dich zerstreut und vom Leben ablenkt. Sie zeigt dir eine unbekannte, überraschende Sicht auf die Stadt - und wohl da und dort auch auf dich selber.

App herunterladen  im App Store und auf Google Play.