Kirche aktuell

Franz Stampfli Menschenfreund, Seelsorger und Kommunikator

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022
Aschi Rutz

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022

Aschi Rutz
Eine persönliche Würdigung dieser aussergewöhnlichen Persönlichkeit der Zürcher Kirche von seinem langjährigen Wegbegleiter Aschi Rutz.
16. Juni 2022

Mit Franz war ich 31 Jahre freundschaftlich verbunden, von meinen frühen Berufsjahren bis heute. Noch vor wenigen Monaten durfte ich ihn im Seniorama besuchen, ein bewegender Moment. Nun ist er gegangen: ein bodenständiger Seelsorger, ein liebenswürdiger, authentischer, offener und humorvoller Mensch.

Ich erinnere mich gerne an meine erste Zeit als Informationsbeauftragter der damaligen Zentralkommission Anfang der 90er Jahre. In kirchlichen Strukturen noch unbedarft und medial kaum vernetzt, wurde Franz für mich sehr rasch zu einer Vertrauensperson und ein grosses Vorbild für eine glaubwürdige Öffentlichkeitsarbeit. Er hatte als Seelsorger nicht nur ein offenes Ohr für die Menschen, sondern pflegte als Kommunikator auch beste Beziehungen zu den Medienschaffenden. Für ihn gab es auf Fragen der Medien nie ein «No comment!». Seine Auskünfte und Antworten auf Fragen waren immer geprägt vom Ernstnehmen seines Gegenübers und klaren und oft auch empathischen Stellungnahmen.

Er liess sein Herz sprechen

Diese waren oftmals nicht eingemittet und wurden von der Bistumsleitung oft nicht goutiert. So brauchte es bestimmt eine gute Portion Selbstbewusstsein, um beispielsweise die politische Debatte um eine Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch nicht einfach zu verdammen (1997), als katholischer Priester beim Bullinger-Gottesdienst im Grossmünster an der reformierten Abendmahlsfeier aktiv mitzuwirken (2004) oder als einziger Domherr die Wahl von Vitus Huonder zum Bischof zu verweigern (2007). Bei Franz hatte ich vielfach das Gefühl, dass er dies nicht rational ansteuerte, sondern in der jeweiligen Situation sein Herz sprechen liess.

Wir haben uns vertraut

Die Begegnungen mit Franz waren stets herzlich und unverstellt. Wenn ihn etwas umtrieb, versteckte er sich nicht hinter einer klerikalen Fassade. Von ihm fühlte ich mich zu jeder Zeit auf Augenhöhe abgeholt. Ich, der Soziologe und Angestellte der Körperschaft, er der Theologe und Vertreter des Generalvikariats und des Bistums. Wir haben uns vertraut und uns nach Möglichkeit unterstützt. Mir als Kommunikator der Zürcher Kirche hat er auch in kritischen Situationen, die es damals zur Genüge gab, immer den Rücken freigehalten. Dies im Bewusstsein, dass wir nur gemeinsam für das Wohl der Menschen wirken können, nicht in Konkurrenz zueinander. Diese selbstverständliche Zusammenarbeit ohne Vorbehalte, Misstrauen und Machtansprüche habe ich später oft vermisst.

Verkünder der frohen Botschaft

Vorbildfunktion hatte Franz bei mir auch als Seelsorger und Verkünder der frohen Botschaft. Obwohl kein progressiver Heisssporn, vertrat er immer wieder beherzt sein Verständnis von Kirche, was ihm Sympathie bei der Basis und viel Ärger mit der Obrigkeit eingetragen hat. Er gehöre einer alten Garde von Priestern an, die in der Nachfolge Jesus arbeiten würden, sagte er mal in einem Interview. Für Franz hiess das: Jesus hat eine befreiende Botschaft verkündet und ging von Menschen mit ihren Anliegen, Sorgen, Wünschen und Hoffnungen aus. Dementsprechend hatte Franz grossen Respekt vor dem Gewissen jedes einzelnen Menschen. Weniger anfangen konnte er hingegen mit Hierarchie, menschenfeindlichen Regeln und Drohbotschaften.

Tunnelgottesdienste, Reisen und Sprachen

Legendär sind für mich sein trockener Humor und seine spannenden Geschichten. Etwa wenn er auf die Frage «Wie geht es?» selbstironisch antwortete: «Bösen Leuten geht es immer gut.» Franz war auch ein begnadeter Geschichtenerzähler, gespeist von einem reichen Leben als bischöflicher Kommunikationsverantwortlicher, als Präses des Blaurings, als Pfarrer in verschiedenen Kirchgemeinden, als Spital-, Gefängnis-, Armee-, und Migranten-Seelsorger.

Zu Franz Stampflis Leidenschaften zählten Tunnelgottesdienste, das Reisen und Sprachen. So hat er in vielen Tunnels jeweils am 4. Dezember – zusammen mit Bauarbeitern, Mineuren und Tunnelbauern – das Fest der heiligen Barbara gefeiert, der Schutzpatronin der Mineure. Auf seinen Reisen haben ihn vor allem die Eisenbahnfahrten fasziniert – eine Leidenschaft, die wir miteinander teilten. Und er konnte sich in nicht weniger als sechs Fremdsprachen verständigen, wofür ich ihn stets beneidete. Das kam ihm als Bischöflicher Beauftragter für die Migrantenseelsorge zugute und hat ihm viele Türen geöffnet.

Beim nächsten Schnaps ...

Nach seiner Pensionierung hat er mir und offensichtlich auch anderen jeweils telefonisch zum Geburtstag gratuliert. Bis letztes Jahr mein Telefon Mitte November stumm blieb. Ich machte mir Sorgen und fragte bei Personen nach, wie es Franz denn geht. Nicht gut, wurde mir beschieden, was auch mit dem Umzug vom Alterszentrum St. Peter und Paul ins Seniorama im Tiergarten, Zürich, zu tun hatte. Hier besuchte ich ihn Mitte Februar und schüttelte ihm in stiller Vorausahnung zum letzten Mal die Hand. Das Reden fiel ihm schwer, er sass dankbar in seinem Rollstuhl und meinte beim Gehen kurz vor dem Mittagessen. «Das nächste Mal musst du am Nachmittag kommen, wenn du mit mir einen Schnaps trinken willst.» Dafür ist es jetzt zu spät. Ich werde aber beim nächsten Schnaps ganz fest an Franz denken.

Franz Stampfli als Vorbild

Mit Franz ist ein beeindruckender Menschenfreund, Seelsorger und Kommunikator gegangen. Ich denke, wir tun gut daran, uns an ihn, an sein Menschen- und Kirchenbild sowie sein Verständnis einer innerkirchlichen Zusammenarbeit nicht nur zu erinnern, sondern uns all dies zum Vorbild zu nehmen. Glaubwürdig Kirche sein, bei den Menschen und in der Gesellschaft auch künftig eine Stimme zu haben, schafft nur, wer sich für die Sorgen und Freuden der Menschen interessiert und sie gern so mag, wie sie sind. Einvernehmliche Zusammenarbeit im dualen kirchlichen System basiert auf gegenseitigem Vertrauen, auf Toleranz und Begegnung auf Augenhöhe, was einseitige Machtansprüche ausschliesst. Das ist alles andere als selbstverständlich.

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Franz Stampfli im Büro von Aschi Rutz (2007). Foto: Christoph Wider