Kirche aktuell

Interview-Serie Kirche leben in Corona Zeiten - mit Tamara Ottiger

Wir fragen kirchlich engagierte Menschen, wie sich ihr Leben und ihre Arbeit im Lockdown verändert haben. Und was nach Corona davon bleibt. Heute mit Tamara Ottiger (28), die seit mehreren Jahren als Freiwillige in den verschiedenen Projekten der YoungCaritas aktiv ist.
02. Juni 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Was war für Sie das einschneidenste Ereignis seit dem Lockdown?

Persönlich war für mich einschränkend, dass ich meine lang ersehnte Weltreise nicht antreten konnte. Ich hatte Job und Wohnung gekündigt und die Reise seit Jahren geplant. Doch habe ich mich damit ziemlich schnell arrangiert. Dass sehr viele Menschen teilweise deutlich schlimmere Einbussen hatten und haben, hat meine persönliche Situation in Relation gesetzt. Deswegen war für mich einschneidender, kurzzeitig keine Beschäftigung im Sinne einer Arbeit zu haben.

Wie gehen Sie persönlich mit der neuen Situation um?

Mit meinem Einsatz an meinen zwei Arbeitsstellen und im freiwilligen Bereich gelingt es mir, mit Optimismus und Tatkraft in die nächste Zeit zu gehen. Anderen Menschen etwas weiter geben zu können gibt mir Kraft und Durchhaltewille in dieser Situation.

Ihr schönstes Erlebnis in der Corona-Zeit?

Ein Erlebnis, welches mich in dieser Situation stark beeindruckt hat, war, als ich mich als Freiwillige gemeldet habe. In all den Gruppen in den sozialen Medien, denen ich beigetreten bin, erlebte ich eine riesige Mobilisation von Freiwilligen. Da war sehr viel positive Energie, um diese Krise gemeinsam zu meistern und die Betroffenen dieser Krise zu unterstützen. Innerhalb kürzester Zeit wurden Netzwerke aufgebaut und tatkräftige Hilfe angeboten. Es war schön zu sehen, wie die Menschen zusammen standen und jeder bereit war, seinen eigenen Beitrag zu leisten.

Hat Corona die Kirche verändert? Oder alternative Frage: Was erwarten Sie gerade jetzt von der Kirche?

Die Kirche, selber auch deutlich eingeschränkt durch den Virus, hat nun grosses Potential, die Schwächsten in unserer Gesellschaft mit ihrem Angebot der Seelsorge zu unterstützen. Dies geschah ja bereits zuvor, doch ich denke, dass der Bedarf hier deutlich ansteigt. Mit ihrem Netzwerk kann es der Kirche gelingen, die psychischen Folgen dieser Krise abzufedern und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung zu leisten.

Zudem ist es die Möglichkeit der Kirche, sich auch im digitalen Rahmen weiter zu entwickeln und Angebote zu generieren, die vielleicht auch Menschen erreichen, welche nur eingeschränkt an der kirchlichen Gemeinschaft teilhaben können.

Was soll nach dem Ausnahmezustand für das kirchliche Leben bewahrt werden?

Ich habe nicht aktiv verfolgt, welche Massnahmen die Kirchen bereits initiiert haben in dieser Zeit. Allerdings sind mir ein paar spannende Ideen ins Auge gestochen. Nebst aufgezeichneten Gottesdiensten und Gesprächsrunden via Zoom ist mir auch eine "Kirche to go" aufgefallen. Einfallsreichtum und Kreativität ist bestimmt unterstützend für das kirchliche Leben.

Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?

Ich habe mal wieder gelernt, dass das Leben gerne die eigenen Pläne durchkreuzt. Wichtige Dinge sind manchmal gar nicht so wichtig, wie sie den Anschein erwecken. Die Krise hat mich darauf hingewiesen, dass jetzt jetzt ist und morgen morgen.

Hat der Lockdown neben all der bedrückenden Seiten auch etwas Gutes?

Ich bin überzeugt, dass viele Menschen auch für sich selber eine gute Seite am Lockdown entdeckt haben. Der Lockdown hat von uns Fähigkeiten gefordert, die in unserem Alltag ansonsten nicht immer so deutlich zum tragen kommen. Nebst dem Besinnen auf sich und die engsten Angehörigen, erforderte der Lockdown ein Denken über die eigenen Grenzen hinaus. Der Fokus wurde weg von der einzelnen Person hin zur Einheit als Bevölkerung gerichtet. Geduld und das Aushalten dieser Situation war gefragt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen an ihren eigenen Ressourcen arbeiten konnten.