Kirche aktuell

Firmbegleiter: Jugendliche erteilen Profis eine Lektion

Firmbegleiter: Jugendliche erteilen Profis eine Lektion
Leiter Ressort Pastoral Generalvikariat
Rudolf Vögele
Rudolf Vögele
06. Juni 2017

In Sachen Zukunft können Kirchen-Profis viel von Jugendlichen lernen. Erkenntnisse einer überraschenden praktischen Lektion von Firmbegleitern.

Frustrierende Suche nach Firmbegleitern

Angesagt war  ein Austauschtreffen von Pfarreiverantwortlichen zum Thema Leitungskultur. Da sich an diesem Abend jedoch viele Teilnehmer kurzfristig abmeldeten, nahm das Treffen eine unerwartete Wendung, in dem Anja Beroud von einer wundersamen Vermehrung der Firmbegleiter in ihrer Pfarrei erzählte. Wichtig zu wissen ist: Wer für die Firmung Verantwortung trägt, sucht immer nach Freiwilligen, die mithelfen – am liebsten natürlich aus dem Jahrgang der frisch Gefirmten. Ein oftmals ziemlich frustrierendes Unterfangen.

Anja Beroud, seit 2007 Religionspädagogin und Jugendverantwortliche in der Pfarrei Niederhasli , hatte grad mal wieder einen Jahrgang mit der Firmung hinter sich gebracht. Kurz nach der Firmung schaute sie bereits dem Neustart in wenigen Wochen entgegen. Da kamen plötzlich 10 der kürzlich Gefirmten zu ihr und hatten ein Anliegen:

“Dürfen wir mitmachen an der Firmvorbereitung? Wir haben unseren eigenen Firmkurs toll gefunden, wollen aber gerne mithelfen, dass vieles noch besser rübergebracht wird. Zum Beispiel was für die Entscheidung, sich firmen zu lassen, so wichtig ist. Und als Jugendliche haben wir einen viel besseren Draht zu denen, die sich neu auf die Firmung vorbereiten.“

Bisheriges Konzept in Zweifel ziehen? Kann man machen!

Nach der ersten Überraschung tauchten bei Anja Beroud bald einmal Fragen und Zweifel auf:

  • Können die das?
  • Was heisst das für das bisherige Firmkonzept?
  • Welche Rolle spiele ich dann?

Immerhin hatte sie Zusammen mit dem Pfarreibeauftragten Hermann-Josef Hüsgen ein Konzept erarbeitet und jahrelang durchgezogen – wenn auch mit abnehmender Begeisterung. Beide waren jedoch sofort der Überzeugung: ein solches Angebot von freiwilligen Jugendlichen, die sie zum Teil von den Ministranten, der Jubla und dem Cevi kannten, muss man einfach annehmen!

Neues Konzept: Firmweg in drei Teilen

In Zusammenarbeit mit Michael Zingg, dem Verantwortlichen für den Firmweg bei der Jugendseelsorge Zürich , entwickelten sie ein verändertes Konzept. Jetzt sieht der gesamte Firmweg drei Teile vor:

  • den pfarreilichen Religionsunterricht inkl. Weekend während der 7./8. Klasse der Sekundarstufe und dem Besuch von insgesamt 5 Jugendgottesdiensten in der Pfarrei
  • die Firmreise (oder alternativer Weg) in der 9. Klasse, sowie der Mithilfe bei der Vorbereitung von einem Jugendgottesdienst
  • den Firmkurs während des 1. Lehrjahrs bzw. der 10. Klasse mit einem Weekend und 3-4 Kursabenden.

Die Firmung wird zu Beginn (September) des 2. Lehrjahrs bzw. der 11. Klasse gefeiert.

Doch die Neugefirmten grenzten sich ab: Sie wollten nur den Firmkurs mitgestalten – nicht den ganzen Firmweg!

Denn: Was ihnen von dem ganzen Firmweg, in Erinnerung geblieben ist und sie bewegt hat, waren die erlebnispädagogischen Elemente im letzten Jahr – und die wollten sie optimieren.

Von der Leiterin zur Ansprechperson

Der Einstieg mit der neuen Truppe war für Anja schon mal steil: der Firmkurs startet mit einem Weekend, bei sich die Jugendlichen für den Firmkurs entscheiden, nicht aber schon für die Firmung. Bereits auf den Zeitpunkt hin hatten die Neuen, die sich recht bald «Firmbegleiter» nannten, ein eigenes Logo entwickelt und T-Shirts drucken lassen.

Und: sie hatten nicht nur grandiose Ideen, sondern waren bereit, viel Zeit und Einsatz zu investieren, um diese auch umzusetzen. Die Rolle der Verantwortlichen veränderte sich: Von der Leiterin und Managerin wurde sie zur Ansprechperson. Oft sass Anja in ihrem Büro und erledigte andere Dinge, während die Firmbegleiter-Crew im Pfarreizentrum Ideen entwickelte. Und wenn Fragen oder Probleme auftauchten, wussten die Jugendlichen: Anja weiss Bescheid, ob das geht oder nicht…

Der Mittelpunkt im Hintergrund

Mittlerweile braucht es die hauptberufliche Religionspädagogin kaum noch. Sie ist beziehungsmässig der Mittelpunkt, das ist deutlich spürbar. Sie geniesst Respekt, ihr Wort hat Gewicht. Aber nur selten muss sie korrigierend eingreifen und sagen: „Das geht jetzt aber gar nicht!“ Eher animiert sie dazu, eine andere Perspektive einzunehmen: „Probiert es mal so…“ Und sie wiederum weiss, dass sie auf das volle Vertrauen ihres Vorgesetzten bauen kann.

Was machen Firmbegleiter konkret?

Wer sich erstmals mit der Fragestellung konfrontiert sieht, will wissen: Was machen denn diese Firmbegleiter konkret?

Die Aufgaben gliedern sich in verschieden Phasen:

  • Sie gestalten einen Informationsabend für Firmanden und deren Eltern . Hier sprechen sie über Firmung grundsätzlich, aber auch über Erwartungen (Wie viel Zeit muss ich als Teilnehmer aufwenden? Welche Erwartungen gelten beidseits? Was bedeutet Verlässlichkeit?).
  • Sie organisieren das erlebnisreiche, aber auch in die Tiefe gehende „Start-Weekend“ , bei dem die Firmanden sich kennenlernen, Gruppen bilden, den eigenen Standort bestimmen und die Regeln für den Firmkurs unterschreiben.
  • An den Kursabenden in kleineren Gruppen von 7-10 Teilnehmern leiten sie die Jugendlichen an, sich mit sich selbst, mit Gott, mit der Gemeinschaft, mit ihrer eigenen Zukunft und vielem mehr auseinanderzusetzen. Dabei bringen sie Themen zur Sprache wie das Credo, Versöhnung, Beten, Tod und Sterben, Liebe und Treue, Verantwortung.

Die Firmbegleiter reden mit ihren Kolleginnen und Kollegen Klartext und fordern sie ganz unverblümt zu einer Entscheidung auf. Diese Direktheit überrascht auch erfahrene Profis wie Anja Beroud. „Wir dürfen das“, beruhigen die Firmbegleiter sie, „und wir wollen das auch. Wer sich firmen lassen will, soll sich damit auseinandersetzen, was Christsein und Glaube im Leben und im Alltag bedeutet, denn: Christsein ist nichts für Davonschleicher.“

Zahl der freiwilligen Firmbegleiter steigt

Und wie geht das mit dem Rekrutieren von neuen Firmbegleitern? Nach einer Startphase eigentlich beinahe automatisch: So ist die Zahl der freiwilligen Firmbegleiter in Niederhasli in den letzten drei Jahren bereits auf 19 angestiegen. Sie sind heute zwischen 17 und 21 Jahre alt.

Überraschend ist: Immer mehr der Neugefirmten wollen dabeibleiben und freiwillig mitmachen! Ein Selbstläufer? „Jein“, zögert Anja Beroud, „Ich muss und kann die Jugendlichen ‚laufen lassen‘, aber ich muss gleichzeitig präsent sein. Ich darf sie nie allein lassen! Ich muss für sie als Ansprechpartnerin, als Vertrauensmensch in Rufweite sein.“

Die Gruppe der Firmbegleiter nahm am Wettbewerb „Freiwillig SICHTBAR“ von 2016 teil – und gewann verdientermassen den 1. Preis.

Hier ein Video der Preisverleihung

Am 7. November 2017 bietet der Seelsorgerat unter dem Titel „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ eine Weiterbildung für Verantwortliche von  Freiwilligenarbeit an.  Die jugendlichen Firmbegleiter von Niederhasli zeigen dort , wie junge Erwachsene gerne, eigenständig und verantwortungsvoll in der Kirche mitarbeiten — wenn man sie lässt…