Kirche aktuell

Was das Gemeinwohl mit der Kirchensteuer zu tun hat....

Was das Gemeinwohl mit der Kirchensteuer zu tun hat....
Chefredaktor Pfarrblatt forum
Thomas Binotto
Thomas Binotto
13. Mai 2014

Vordergründig geht es bei der Abstimmung vom 18. Mai 2014 bloss um eine Finanzierungsfrage:

Sollen die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen auch durch Steuergelder von juristischen Personen unterstützt werden, um damit einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten zu können?

Wer diese Frage eng fasst, der kann selbstverständlich darauf verweisen, dass das Christentum in seiner Verwirklichung nicht auf Steuergelder angewiesen ist, und dass Kirchen unter ganz unterschiedlichen rechtlichen Strukturen gedeihen können. Es geht allerdings um mehr. Viel weitreichender ist die Frage, was wir unter Gemeinwohl verstehen.

Seit Platon und Aristoteles wird Gemeinwohl als jenes Wohl definiert, das ein Gemeinwesen benötigt und fördert. Gemeinwohl ist also gleichzeitig Grundlage und Ziel des Gemeinwesens.

Das Argument

«Unternehmen haben keine Konfession und sollen deshalb auch keine Kirchensteuer bezahlen»

ist jedoch gerade kein Argument des Gemeinwesens, sondern eines, das die Eigeninteressen über das Gemeinwohl stellt. Ich bezahle für das Steuern, was mir selbst wieder zufliesst. Konsequent weiter gedacht, würden dann nur noch Eltern zu Steuern für das Schulwesen verpflichtet. Der Gedanke der Krankenkasse als Solidaritätswerk, der Gesunden mit den Kranken wäre in Frage gestellt. Die Arbeitslosenversicherung stünde auf wackligen Beinen.

Herrschaft der Mehrheit über die Mindeheit?! NEIN!

Eine radikale Privatisierungswelle droht, die schliesslich sogar die Politik selbst unterspülen würde, denn Gemeinwohl ist gerade nicht der Rückzug ins Private. Gemeinwohl ist der Ausgleich, den ein Gemeinwesen zu schaffen versucht, damit in ihm möglichst alle seine Teile glücklich werden können. Es wäre ein fatal falsches Verständnis von Demokratie, wenn wir darunter nur noch die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit verstehen würden.

Gerade der Staat als Garant des Gemeinwesens hat die Aufgabe, in dieses Gemeinwohl Minderheiten einzuschliessen, all jene, die sich selbst nicht durchsetzen und ihre Bedürfnisse nicht selbst finanzieren können. Dass er die Kirchen als Mitträgerinnen des Gemeinwohls unterstützt, ohne im Detail zu definieren, wie dieses Gemeinwohl aussehen soll, selbst das ist nur konsequent demokratisch.

«Es ist nun eine wesentliche Eigentümlichkeit jedes totalitären Regimes: dass der Inhaber der politischen Gewalt den Anspruch macht, den konkreten Inhalt des bonum commune (Gemeinwohls) erschöpfend und endgültig zu bestimmen. Das eigentlich Fatale ist, dass der«Plan» zum ausschließlichen Massstab für das gesamte Leben gemacht wird […] – so dass alles, was sich vor diesem Massstab nicht zu rechtfertigen vermag, für «sozial nicht wichtig» und «unerwünscht» erklärt wird, wenn es nicht einfach dem Verbot und der Unterdrückung verfällt.»

So hat es der Philosoph Josef Pieper am 7. Mai 1953 in der «Zeit» formuliert.

Und so ist es heute noch gültig.

Der Text stammt aus dem forum pfarrblatt.