Kirche aktuell

Bruder Andreas Knapp mit Vorträgen in Zürich Teilen lernen

Bruder Andreas Knapp ist Verfasser von mehreren, auch preisgekrönten Büchern, deutscher Ordensmann und Priester. Demnächst berichtet er in Zürich über die Situation der Christen im Nahen Osten, insbesondere im Irak und in Syrien. Wir haben uns mit ihm vorgängig über seine Motivation fürs Schreiben, sein Leben, das Weltgeschehen und die Kirche unterhalten.
01. März 2024 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Über was werden Sie in Zürich referieren?

Andreas Knapp: Christliche Gemeinschaften in Syrien und im Irak wurden in den letzten Jahren stark diskriminiert und reduziert. Einige Gemeinden sind vom Aussterben bedroht. In Syrien mussten in Mossul auf Druck des IS rund 120'000 Christen nach Kurdistan emigrieren. In Syrien war ich noch vor dem Krieg, im Irak besuchte ich viele Flüchtlingslager. Ich erzähle in meinem Buch «Die letzten Christen» über deren Flucht und Vertreibung aus den Nahen Osten. Mir war die Geschichte der Christen in diesen Ländern selbst fremd. Dabei handelt es sich zum Teil um altorientalische Kirchen, in denen noch aramäisch gesprochen wird.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Nahen Osten ein?

Das ist ganz schlimm und ganz traurig. Das gegenseitige Morden führt nur zu noch mehr Rache. Es ist ein Kreislauf der Gewalt. Einen Weg der Versöhnung zu finden wird immer schwieriger. Christen in Palästina sind zwischen den beiden Lagern der religiös stark nationalistischen jüdischen Seite und den radikalen Muslimen. Die kleine Minderheit an Christen steht zwischen zwei Feuern und es wird dazu führen, dass noch mehr emigrieren.

Wie kann der Konflikt gelöst werden?

Die Verantwortlichen müssen begreifen, dass Gewalt nicht mit Gewalt beantwortet werden kann. Gewalt führt nie zu Frieden. Beide Seiten müssen bereit sein zu Kompromissen. Letztendlich gilt das auch weltweit und auch wirtschaftlich. Wir müssen lernen zu teilen.

«Gewalt führt nie zu Frieden.»

Bruder Andreas Knapp

Wie kamen Sie zum Schreiben?

Aus der Lust am Schreiben. Ich habe immer viel gelesen. Das hat mir viel gegeben. Wenn mir ein Gedanke kam, habe ich ihn aufgeschrieben. Ursprünglich habe ich mich der Lyrik gewidmet. Das ist ja quasi ein «Orchideenfach» in der Schreibszene, ein wenig beachtetes Teilgebiet. Ich habe einfach Freude an der Sprache.

Wie sieht Ihr Alltag in Leipzig aus?

Ich arbeite, ich engagiere mich in der Flüchtlingsarbeit. Ansonsten geht es in unserer Gemeinschaft auch um Kochen, Waschen, Putzen, Bekanntschaften pflegen. Einmal im Monat gehen wir in eine Einsiedelei im Wald. Es ist mir ganz wichtig, auch Zeit für das Gebet und für die Stille zu haben.

Wie sind sie in der meist nicht-gläubigen Nachbarschaft akzeptiert?

Sehr gut. Wir pflegen auch intensiv die Kontakte mit Geflüchteten, von denen bei uns die Mehrheit aus Syrien und dem Irak kommen. Wir reden viel über Kulturen, Kindererziehung, Mann-Frau-Themen. Wir lernen von anderen Kulturen und versuchen ihnen zu helfen, bei uns ihren Platz zu finden. Syrisch-orthodoxe Christen haben sich jetzt eine Fabrikhalle gekauft und diese wird in Eigenarbeit umgebaut. Samstags sind alle auf der Baustelle am Helfen. Jetzt sind wir gerade mit den Elektroleitungen dran. Das miteinander Arbeiten gibt eine ganz andere Qualität von Kontakten.

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In der katholischen Kirche sind sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz die Missbräuche ein grosses Thema.

Es ist einfach entsetzlich, wie lange die Kirche vor diesen Vorfällen die Augen verschlossen und geschwiegen hat. Wobei sich das Thema ja in verschiedenen Kreisen zeigt und jetzt auch bei den Protestanten zum Thema wird. Die katholische Kirche hätte da eine Vorreiterrolle innehaben können. Sie hat sich viel zu wenig oder anfänglich gar nicht um die Opferseite gekümmert.

«Auch in der Kirche müssen wir lernen zu teilen.»

Was hätte Sie anders machen können?

Sie hat die Chance verpasst, ein Vorbild im Umgang mit Schuld zu sein. Dabei geht es um Fragen, wie Kirche als Botschaft gelebt werden sollte. Es geht doch um ein gutes Miteinander. Es macht mich traurig, dass das so lange nicht gelungen ist.

Haben die Nachrichten über die Missbräuche Ihren Glauben tangiert?

Nein, mein Engagement ist nicht in Frage gestellt. Ich habe in meiner Jugend mit der Kirche gute Erfahrungen gemacht. Der gute Umgang mit unserer Umwelt ist mir schon seit über fünfzig Jahren genauso wichtig wie die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Hier habe ich im christlichen Glauben ein Vorbild gefunden.

Was wünschen Sie sich jetzt von der Kirche?

Auch in der Kirche müssen wir lernen zu teilen. Hier geht es darum, Verantwortung zu teilen. Ganz konkret: Aufgaben sollten nach Gaben und Fähigkeiten, zwischen Frauen und Männern gleichwertig und gleichwürdig aufgeteilt werden. So dass sich alle, die getauft und gefirmt sind, ernst genommen fühlen. Aber der Weg ist noch weit.

 

Andreas Knapp (66) lebt mit drei anderen Männern in der Gemeinschaft der Kleinen Brüder des Evangeliums in einer Plattenbausiedlung in Leipzig. Diese Ordensgemeinschaft geht auf Charles de Foucauld zurück und hat sich zum Ziel gesetzt, direkt mit den Armen in Armut zu leben. Knapp gab eine vorgezeichnete Kleriker-Karriere auf, um als Arbeiterpriester und Gefängnisseelsorger zu wirken. Heute engagiert er sich in der Flüchtlingsarbeit. In seinem Umfeld ist die Distanz zu Religionen sehr gross. Die Kontakte zur Nachbarschaft pflegt die Gemeinschaft sehr, sie besucht Flüchtlingsfamilien, hilft bei Behördengängen, vermittelt zwischen den Kulturen der Heimatländer und dem Leben in Deutschland.

 

Vorträge


Dienstag, 5. März, 19.30 Uhr,
Kath. Pfarreizentrum, Pfarrei St. Benignus, Pfäffikon ZH
«Wer alles gibt, hat die Hände frei», Referat über Leben und Spiritualität von Charles de Foucauld

Donnerstag, 7. März, 19 Uhr, Pfarrei Erlöser Zürich, Zollikerstrasse 160, Zürich
Die letzten Christen – Flucht und Vertreibung aus dem Nahen Osten