Kirche aktuell

Armutsforum der Caritas Kein Zugang zur Digitalwelt

Handy, Internet und andere Medien bestimmen unseren Alltag. Aber nicht alle haben Zugang dazu. Das diesjährige Armutsforum der Caritas beleuchtet Chancen und Hürden der Digitalisierung für Armutsbetroffene.
24. Oktober 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Aktuelle sozialpolitische Themen stehen jeweils auf der Agenda des Armutsforums der Caritas. Bei der diesjährigen Austragung geht es darum, mit welchen Möglichkeiten und Hindernissen Armutsbetroffene im Zusammenhang mit der Digitalisierung konfrontiert sind. Denn «Wer mit digitalen Geräten nicht umgehen kann, ist von der Welt abgehängt», wie es ein Teilnehmer eines Caritas-Zürich-Computerkurses beschreibt.

Digitale Teilhabe kostet

Beim Armutsforum wird die Digitalisierung aus der Perspektive von armutsbetroffenen Menschen beleuchtet. Wünschenswert sei es, dass spannende Diskussionen entstehen mit dem teilnehmenden Fachpublikum. Je mehr Prozesse digital ablaufen, desto höher ist das Risiko, dass digital Ausgeschlossene abgehängt werden. Damit alle am digitalen Wandel teilhaben können, braucht es einerseits finanzielle Ressourcen für die digitale Infrastruktur – etwa fürs Handy, den Laptop, den Internetzugang oder einen Drucker. Diese Infrastruktur kostet: Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Mobiltelefonie, Computer usw. betragen 200 Franken pro Haushalt. Das ist sehr viel Geld für einen Haushalt mit einem geringen Einkommen.

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Isabelle Lüthi ist Projektleiterin bei Caritas und für das Armutsforum zuständig. Foto: zvg

Wie Isabelle Lüthi, Projektleiterin der Veranstaltung ausführt, braucht es auch die nötigen Kompetenzen, um digitale Angebote zu nutzen. «Vielen Menschen fehlen diese aber: Rund 25 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben keine oder nur geringe digitale Grundkompetenzen. Um diese zu erwerben, müssten sie Kurse oder Weiterbildungen absolvieren. Nur fehlen armutsbetroffenen Menschen dafür ganz oft Zeit, Geld und auch die Unterstützung der Arbeitgebenden.» Diese Hürden hätten sich während der Coronapandemie verdeutlicht. Kinder aus Familien mit prekären finanziellen Verhältnissen hatten schlechtere Bedingungen für Fernunterricht, etwa wegen beengter Wohnverhältnisse und fehlenden digitalen Geräten. Ältere Menschen aus ärmeren Haushalten hätten weniger digitale Kontaktmöglichkeiten und litten so stärker unter Einsamkeitsgefühlen.

Für alle mitdenken

Armutsbetroffene haben in Bezug auf Digitalisierung spezielle Bedürfnisse. Zunächst sei es also wichtig, dass sie als relevante Anspruchsgruppe überhaupt mitgedacht werden in digitalen Prozessen, wie Lüthi ausführt. Bildung und Weiterbildung würden eine zentrale Rolle spielen, um auf digitale Veränderungen in der Lebens- und Arbeitswel reagieren zu können. Eine digitale Grundversorgung für alle müsse gewährleistet werden. Durch die Digitalisierung entstehen auch neue Jobs, wie etwa die Plattform-Arbeit (Arbeit, die übers Internet erbracht oder bestellt und per App gesteuert wird). «Hier besteht das Risiko, dass prekäre Arbeitsformen entstehen. Da sind also eine gute sozialrechtliche Absicherung und existenzsichernde Mindestlöhne sehr wichtig», sagt Lüthi.

Neue Chancen öffnen sich

Wenn Menschen Zugang zum Internet haben, dann würden sich ihnen viele neue Möglichkeiten bieten, gerade im Bereich der Arbeit. Auch für Hilfsorganisationen ergeben sich neue Perspektiven. Das habe sich gerade während der Coronapandemie gezeigt: Viele Organisationen boten neu beispielsweise Online-Beratungen an; etwa per Videocall oder auch per Chat. Eine Chance ist die Digitalisierung auch im Kontakt mit Menschen, denen die entsprechenden Sprachkompetenzen fehlen: Dank Übersetzungsapps, Erklärvideos usw. können Sprachbarrieren einfacher überwunden werden. Es gäbe aber sicherlich noch viel brachliegendes Potenzial in diesem Bereich. Das mag auch daran liegen, dass «Digitalisierung» immer nach etwas sehr Grossem, vielleicht auch Kompliziertem klingt, das man dann lieber nicht anpackt. Neue, mutige Ideen wären hier wünschenswert.

Staat steht in der Pflicht

Immer mehr prekäre Jobs entstehen. Hier wäre es wichtig, existenzsichernde Mindestlöhne zu setzen und neue Arbeitsformen sozialrechtlich klar und gut abzusichern. Grundsätzlich müssten tiefe Löhne besser versichert werden, gerade im Hinblick auf die zweite Säule. Davon würden Frauen stark profitieren; sie sind in Tieflohnbranchen nämlich übervertreten. Zudem brauche es existenzsichernde Stipendien, die Umschulungen und Weiterbildungen ermöglichen. Speziell hervorzuheben sei die Sozialhilfe: Sie sollte existenzsichernd sein, damit Menschen wirklich am sozialen Leben teilhaben können. Ganz wichtig sei zudem, dass der Staat bei all seinen digitalen Angeboten Armutsbetroffene mitdenkt und seine Kommunikation entsprechend anpasst.