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«Der Fluch» von Wolfgang Wettstein Theologie als Krimi

Ein Theologieprofessor der Universität Zürich liegt vergiftet in seiner Wohnung. Auf dem Unterarm eingeritzt die Zahl 2015. Eine Leiche vergraben im Schrebergarten. Und viele Gemälde ungeklärter Herkunft. «Der Fluch» von Wolfgang Wettstein versetzt die theologische Fakultät und Zürich in Hochspannung.
31. März 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Einen spannenden und detailreichen Krimi zu Antisemitismus und Judenfeindlichkeit, der den Bogen spannt vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart, hat Wolfgang Wettstein geschrieben. Es ist der dritte Zürich-Krimi des Autors, Theologie-Doktoranden und TV-Journalisten, der in Zürich rund um den buckligen Gerichtsmediziner umd Hobby-Philosophen Sokrates spielt. 

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Ihr Roman «Der Fluch» zeichnet sich durch hohe Sachkenntnis zum Beispiel in der Gerichtsmedizin oder auch zum Thema Kunst in der Nazizeit aus. Wie sind Sie vorgegangen?

Ich bin Journalist von Beruf. Mir ist es wichtig, dass die Themen kenntnisreich dargestellt werden und die Fakten stimmen: Welche Pistolen tragen Polizisten bei Verhaftungen? Welche Dienstwagen fahren sie? Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung von Waffen, konnte aber den Waffenmeister der Kantonspolizei interviewen. Er erklärte mir, wie man anhand einer Kugel den Waffentyp bestimmt, von dem diese Kugel stammt. Ich war auch bei der Israeltischen Cultusgemeinde vor Ort und konnte so die Szenen im Buch, die dort spielen, genau beschreiben. Mit Mediendatenbanken und Fachliteratur bereite ich mich ebenfalls vor. Natürlich habe ich dann für den Roman vieles verdichtet, damit die Story funktioniert. Grundsätzlich muss ich mich in jede Szene einfühlen können, und das geht am besten, wenn ich zuvor alles mit eigenen Augen angesehen habe.

Spielt der Krimi deswegen auch in Zürich?

Zürich ist eine tolle Stadt und ich kenne Zürich eben sehr gut. Das macht es einfach. Es gibt aber auch Szenen, die in Auschwitz, Krakau oder München spielen. Ich glaube, man spürt, ob ein Autor die Stadt oder die Gegend kennt, über die er schreibt. Ich bin in München geboren, die Stadt kenne ich deshalb. Mit der Zürcher Rechtsmedizin hatte ich als Journalist viel zu tun, habe dort vieles gesehen.

Das Institut für Rechtsmedizin hat weltweit einen guten Ruf, ein hohes internationales Renomée, deswegen war es toll, dies in meinem Roman aufzunehmen.  

Wie lange hat es gedauert, das Buch zu schreiben?

Mein Ziel war es, 4000 Zeichen am Tag zu schreiben. Dazu kam noch die Recherche. Alle haben mich unterstützt, die Kripo Zürich hat mir extrem geholfen. Ich war vor Ort, habe sie mehrfach besucht, war im Kriminalmuseum, bei der Forensik usw. Und ich war auch in Auschwitz. Drei Juden, die Auschwitz überlebt hatten, haben mir ihre Geschichten erzählt, die ich eins zu eins im Roman aufgenommen habe. Wie auch das Phänomen der sogenannten Fettwachsleichen. Nach 30-40 Jahren kann man an diesen Leichen noch genau erkennen, wie der Mensch damals ausgesehen hat. Das Thema hatte ich bereits als TV-Redaktor recherchiert und war damals mit einem Friedhofssanierer unterwegs, der mir erklärt hat, warum es Leichen gibt, die noch nach Jahrzehnten nicht verwesen.  

In der Regel bin ich nach sieben Monaten mit dem Rohtext eines Buches fertig. Danach kommt noch die Verlagsarbeit. Bevor ich anfange zu schreiben, überlege ich mir alles bis ins Detail, und tüftle das Gerüst der Erzählung aus. Alles in allem dauert die Arbeit an einem Buch ungefähr ein Jahr.

Sie stellen Fragen nach Gott, Schuld und Sühne in Ihrem Roman – wie wichtig ist Ihnen Ihr Glaube?

Ich bin Theologe und doktoriere jetzt noch in Theologie. Theologie finde ich unglaublich spannend: die Fragen nach Gott, Zeit, Ewigkeit, Schuld und Sühne, aber auch Kirchengeschichte, ethische Fragen und der Reichtum der Bibel faszinieren mich. Ich war über 20 Jahre lang in verschiedenen Funktionen beim Schweizer Fernsehen tätig, unter anderem als Redaktionsleiter beim Kassensturz. Ich habe viel gesehen, viele Berichte gemacht, nicht nur für den Kassensturz, sondern zum Beispiel auch für die Rundschau.

Und dann war ich 54 Jahre alt und habe nach langem Überlegen den Schritt gewagt, ein Theologiestudium in Zürich zu beginnen. Das Studium ist sehr aufwendig, ich musste zum Beispiel Hebräisch lernen. Es ist ein wahnsinniges Privileg, dass ich nochmals studieren kann - auch ohne das Ziel, Pfarrer zu werden. Momentan konzentriere ich mich auf das Doktorat. Mal sehen, wie es danach weitergeht.

Das Kunsthaus war gerade mit seiner Bührle-Ausstellung wegen Raubkunst in den Schlagzeilen. In ihrem Krimi geht es ebenfalls um Gemälde, die Nazis in die Schweiz in Sicherheit gebracht haben. War das Zufall?

Mein Roman war schon vor der Ausstellung der Bührle-Sammlung fertig. Aber die Geschichte um die Gurlitt-Sammlung in München hat mich auf das Thema gebracht. (Anmerkung: bei Sammler Cornelius Gurlitt wurden über 1000 Kunstwerke gefunden, von vielen war die Herkunft ungeklärt.) Zu dieser Gurlitt-Sammlung gab es Ausstellungen in Bonn und Bern. Durch diese habe ich mich zum Thema Raubkunst inspirieren lassen und wollte dazu die Geschichte einer jüdischen Familie erzählen, die das erlebt hat. Es war wirklich reiner Zufall, dass die Bührle-Sammlung dann auch in die Schlagzeilen geriet.  

 

Wolfgang Wettstein, Jahrgang 1962, ist Journalist und studiert Theologie in Zürich. Er arbeitete über zwanzig Jahre beim Schweizer Radio und Fernsehen als Redakteur, Produzent und Redaktionsleiter. Nach «Mörderzeichen» (2015) und dem mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichneten «Feuertod am Sechseläuten» (2017) ist «Der Fluch» sein dritter Zürcher Kriminalroman. Am 22. Juni (19 Uhr) liest er aus seinem Buch im «Hoch3» der reformierten Kirchgemeinde in Zürich-Witikon.