Kirche aktuell

Bunte Kirche "Rassismus ist subtil"

Die Unruhen in den USA entfachen auch bei uns die Diskussion um Rassismus neu. «People of Color» (Menschen mit Farbe) rücken in den Fokus. Auch im kirchlichen Umfeld sind viele von ihnen beschäftigt – Schweizer, Afrikaner, Südamerikaner oder Inder zum Beispiel. Zeit zu fragen: Welche Erfahrungen haben sie mit Rassismus gemacht?
11. Juni 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Oscar Tassé, 47, stammt aus Kamerun und ist Priester in der Pfarrei St. Laurentius in Winterthur. Er lebt seit 2004 in der Schweiz, studierte Theologie in Luzern und liess sich einbürgern.

Oscar Tassé, 47, stammt aus Kamerun
Oscar Tassé, 47, stammt aus Kamerun

 «Derzeit fühle ich mich nicht gut. Der Rassismus in der Welt ist wie ein Teufelskreis. Der Fall in Amerika war wie ein Tröpfchen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Das tut mir wirklich weh als Mensch – das wird nie aufhören. Die Übergriffe in den USA waren hier in der Pfarrei noch kein konkretes Thema. Ich merke aber zum Beispiel, dass sich viele durch diese aktuelle Situation über Rassismus ganz allgemein Gedanken machen. Ich habe schon Erfahrungen mit Rassismus gemacht zum Beispiel bei einer Polizeikontrolle. 

Der Mensch, der Rassist ist, zeigt es nicht öffentlich. Aber die Art und Weise, wie er oder sie dich anschaut, wie er oder sie redet, ist irgendwie anders. Ich spüre das. Es ist sehr subtil und schwierig zu beweisen.

Etwas sehr Schlimmes habe ich als Pastoralassistent in einer Stadtzürcher Pfarrei erlebt. Es ging um eine Beerdigung, die ich halten solle. Alles war vorbereitet, mehrere Telefonate mit der Familie waren bereits geführt. Drei Tage vor der Beerdigung rief eine Angehörige an und forderte, dass ein anderer Priester die Beerdigung halten soll. Es kämen viele Gäste aus Deutschland und Österreich. Der Gemeindeleiter intervenierte: «Entweder Oscar Tassé macht die Beerdigung oder niemand von uns.» Das ganze Team hat gespürt: Hier geht es um Rassismus. Die Familie hat sich geschämt, obwohl sie gesagt hat, dass es nicht darum gehe, dass ich Afrikaner sei.

Wir sind doch eine Kirche, sie aber wollen auf die Hautfarbe schauen. Das tat sehr weh, aber ich fühlte mich vom Team getragen. Das war das Schlimmste – und gleichzeitig das Schönste. Wer im Endeffekt die Beerdigung als Priester begleitet hat, weiss ich nicht. Ich nicht und auch kein Seelsorger der Pfarrei.»

trennlinie.png

Françoise Tsoungui leitet seit 2017 die sechs Secondhand-Läden von Caritas Zürich. Sie wuchs in Uznach im Kinderheim der Ingenbohler Schwestern auf. 

Françoise Tsoungui im Secondhand-Laden im Viadukt. Foto: Forum Pfarrblatt
Françoise Tsoungui im Secondhand-Laden im Viadukt. Foto: Forum Pfarrblatt

Von «Mohrenkopf» bis «scheusslich», hörte ich alles, als ich noch ein Kind war. Ich wurde angestarrt. Es hiess: «Schwarze, geh nach Haus.» Wenn das ein Kind sagt, weiss ich doch, dass solche Sprüche aus dem Elternhaus kommen. Natürlich wollte ich weisse Haut, blonde Haare und blaue Augen wie alle haben. Ich hatte gute Menschen um mich herum, die mir gesagt haben, «du bist gut so wie du bist», und «liebe deinen Nächsten wie dich selbst». Später als mein Sohn in die Schule kam, wurde der weisse Vater als Bezugsperson angesprochen, ohne dass ich gefragt wurde. Ob das Gedankenlosigkeit oder Höflichkeit war? Es könnte ja sein, dass ich kein Schweizerdeutsch spreche...

Oft werde ich auf Hochdeutsch angesprochen. Wenn ich dann im Dialekt antworte, sind viele erstmal verwirrt.

Beruflich hatte ich extrem Glück, die Caritas ist natürlich offen. Hier machen wir bei der Berufsintegration keine Unterschiede – erst recht nicht bei der Hautfarbe. Sonst ist es in der Berufswelt so, dass man härter arbeiten muss als andere. Ich bin zielstrebig, ich weiss, was von mir erwartet wird. Wenn du später hierherkommst, mit wenig Sprachkenntnissen, dann hast Du es schwer.

Derzeit herrscht ein versteckter Rassismus, man steckt schnell in einer Schublade. Als Frau hast du weniger Probleme, meist reagiere ich mit Humor und Charme. Mein grosser Bruder wird eher mal kontrolliert an der Langstrasse, wegen Drogen zum Beispiel. Er diskutiert mehr - mit allen möglichen Menschen. Oft wird so argumentiert: «Bei euch ist es anders, ihr seid ja integriert!» Die Hautfarbe bleibt aber. Rassismus kann man trotz Integration erfahren und erleben. Die aktuelle Diskussion ist wichtig. Missstände werden angesprochen. Dass wir eine Stimme haben, ist gut.»