Kirche aktuell

Segen für queere Paare «Segen ist Ermutigung in allen Lebenslagen»

Dürfen schwule oder lesbische Paare von der Kirche gesegnet werden? Was Rom verbieten will, ist für Hanspeter Schmitt, Ethik-Professor der Theologischen Hochschule Chur, selbstverständlich, «denn Gottes Liebe ist grösser als unsere Rechtsnormen».
05. Mai 2021 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Was ist eigentlich ein Segen und was bewirkt er?

Hanspeter Schmitt: Biblisch-christlich gesehen ist Segen eine Zeichenhandlung, die der Ermutigung von Menschen dient. Entsprechend ermutigend sind deshalb Worte und Gesten zu wählen. Der Kern dieser Ermutigung ist die feste Zusage, dass Gott jeden Menschen begleitet und liebt. Das zu vermitteln, berührt ein Grundbedürfnis, das wir alle haben: in meinen Lebensvollzügen ohne Vorbehalt angenommen und begleitet zu sein – als jener Mensch, der ich bin.

Was ist der Unterschied zwischen dem Segen einer Mutter über ihre Kinder und dem Segen des Priesters über ein Paar?

Kinder und Paare haben unterschiedliche Fragen und Lebenssituationen. Auch darauf wird man in der Auswahl der Worte und Gesten eines Segens achten. Aber seine Kernbotschaft ist für diese wie für andere Gruppen dieselbe: Eben jene unbedingte Ermutigung, die wir als Zusage und Kraft unseres Lebens brauchen. Dafür bedarf es übrigens keiner Weihe oder anderer institutioneller Vorgaben. Es geht einfach darum, dass das Zeichen ehrlichen Herzens gegeben und empfangen wird.

Der Vatikan hat kürzlich einmal mehr die Segnung von schwulen oder lesbischen Paaren verboten. Warum tut sich die Kirchenleitung so schwer damit?

Sie spielen auf die Antwort an, die dazu von der römischen Glaubenskongregation kam. Sie erfährt auch innerhalb unserer Kirche breiten Widerspruch. Seelsorgende und Gläubige können nicht nachvollziehen, dass Liebe und Partnerschaft jenseits oder vor der klassischen Ehe keine Anerkennung erfahren dürfen. Auch eine pastorale Begleitung unter diesem Vorbehalt wirkt vor allem für die Betroffenen faktisch ausgrenzend. Dass ein solcher Vorbehalt sogar einen einfachen Segen betrifft, widerspricht zudem seinem Grundverständnis: Ermutigung in allen menschlichen Lebenslagen zu sein.  

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Wie kann eine Kirche, die Töffs und Tiere segnet, aber queeren Liebenden den Segen verweigert, glaubwürdig ein Zeichen für die Liebe Gottes zu den Menschen sein?

Ich finde zunächst, dass unsere Kirchen überzeugende Beiträge für mehr Gerechtigkeit, Liebe und menschliche Entfaltung leisten. Denken Sie an die vielen sozialen Bereiche, in denen sich Kirchen materiell, spirituell und personell engagieren. Auch erleben wir eine echte Reform kirchlicher Pastoral mit Paaren und Familien, die direkt von Papst Franziskus ausgeht. Wenn wir auf diesem Weg nicht auch die Anerkennung z. B. gleichgeschlechtlicher Liebe und ihrer Werte steigern, haben wir in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

In der Kirche weiss man, dass einzelne Seelsorgende schon längst auch homosexuelle Paare segnen, aber sie tun das im Verborgenen. Nun setzt der Zürcher Seelsorger Meinrad Furrer mit seiner Segensfeier ein öffentliches Zeichen. Wie bewerten Sie das?

Diese Initiative hat auch demonstrativen Charakter, sowohl in Richtung der Paare wie in Richtung der Seelsorgenden. Beide Gruppen bewegen sich in einem pastoral unwürdigen „Halbdunkel“, sobald es um solche Segnungen oder liturgische Handlungen geht. Deshalb verstehe ich, dass man ein öffentliches Zeichen setzen will für die Ermutigung jeder partnerschaftlichen Liebe durch Gott. Es sollte dort aber so geschehen, dass sich diese Ermutigung persönlich wirklich vermitteln kann.

Sie sind selbst Priester. Wurden Sie schon mal von einem homosexuellen Paar um den Segen für ihre Liebe gebeten - und wie haben Sie darauf reagiert?

Segnen und ermutigen kann, wie gesagt, jede und jeder. Gefragt wurde ich nicht, vermutlich weil ich nie fest in der Pfarreiseelsorge war. „Gottesdienste für Liebende“ habe ich mitgestaltet, zu denen Paare und Familien ohne Unterschied eingeladen waren und kamen. Natürlich habe ich dabei auch von ganzem Herzen den Segen gesprochen und hoffentlich gut vermittelt. Ich finde, dass Gottes Liebe prinzipiell grösser zu denken ist als unsere Moral- und Rechtsnormen es sind. Davon dürfen wir uns mehr überraschen lassen – gerade in unseren Kirchen!