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„Zu spät“: Knall verursacht Martin Werlens neues Buch

„Zu spät“: Knall verursacht Martin Werlens neues Buch
Zu spät - Buchvernissage von Alt-Abt Martin Werlen im Brockenhaus Zürich_20180205_FOTO_Arnold Landtwing
Pünktlich fünf nach zwölf präsentierte Alt-Abt Martin Werlen sein neuestes Buch. Es beginnt mit einem Knall, der ihn aufschreckt und zu einer schonungslosen Analyse einer Kirche führt, die sich von den Menschen entfernt hat. Eine Provokation, die aufrüttelt.
06. Februar 2018 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Das Brockenhaus als Ort für die Präsentation des neuesten Buches hatte Alt-Abt Martin Werlen mit Bedacht gewählt: Hier, wo all die Sachen abgestellt würden, für die es zu spät sei, arbeiten auch Menschen, für die es in der Gesellschaft zu spät sei. Das Buch widme er „in Dankbarkeit allen Menschen, die die Kirche nicht in Ruhe lassen“ – und explizit auch den anwesenden Medienleuten: „Die Bischöfe werden dies bestätigen, aber nicht mit der gleichen Freude.“

Buchvernissage von Alt-Abt Martin Werlen im Brockenhaus
Buchvernissage von Alt-Abt Martin Werlen im Brockenhaus Zürich_20180205_FOTO_Arnold Landtwing

Alt-Abt fordert Kommunikationsprofi

Dass Alt-Abt Martin Werlen in Sachen Kommunikation anders funktioniert, offenbarte Journalist und Kommunikationsprofi Florian Inhauser den Zuhörern gleich zu Beginn. Dass er über Direktnachrichten auf Twitter den direkten Kontakt suchen und pflegen musste, war für ihn gewöhnungsbedürftig. Im Gespräch fragt er in Anlehnung an Michael Gorbatschows Zitat „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ ob dies für die Kirche auch gelte. In markanten Bildern fasste Werlen den Kern seines Buches zusammen: „Die Kirche ist gestraft genug, denn sie hat sich von den Menschen verabschiedet – nicht umgekehrt! In dem Moment, da wir es merken, dass es fünf nach zwölf – und damit zu spät ist, werden wir fähig, das zu hören, was Gott uns sagen will. Die Kirche hat jetzt den Auftrag, den 99 verlorenen Schafen nachzugehen und das eine zurückgebliebene zu überzeugen, mitzukommen.“

Gewachsene Traditionen verhindern visionäre Tradition

In der Frage der Unterscheidung zwischen verschütteter visionärer Tradition und blockierenden Traditionen sprach Werlen Klartext, dass überall, wo zuerst die Frage der Kompetenz gestellt werde, im Hintergrund Traditionen stecken, die am Alten festhalten und keine Entwicklung wollen. Konkret illustrierte er dies mit der Rolle der Frau in der Kirche: “Je länger je mehr bin ich davon überzeugt: Der Ausschluss der Frauen vom Weiheamt gründet in Traditionen, aber nicht in der Tradition. Darum reden alle darüber, aber es bewegt sich nichts.“

Klartext: Aussage des Nuntius ist ein Skandal

Als Skandal bezeichnete er Aussagen des Nuntius, welcher Gläubige, die sich um eine gute Bischofsnachfolge sorgten als „dysfunktionale Familie“ bezeichnete. Es sei gerade umgekehrt, gab sich Werlen kämpferisch: „Es ist eben genau die funktionale Familie, die sich sorgt. Deshalb widme ich dieses Buch den Menschen, die Kirche nicht in Ruhe lassen.“

Als Vision für eine lebenswerte und menschennahe Kirche hofft Martin Werlen, dass die wieder als Ort der Hoffnung wahrgenommen werde, „ein Ort, wo Menschen aufatmen können, wo sie nicht zuerst verurteilt werden.“

Bischöfe sollen erwachen

In einem persönlichen Interview ausserhalb der Präsentation auf die erhoffte Wirkung des Buches befragt, antwortete Alt-Abt Werlen: „Wenn die Schweizer Bischöfe erwachen, freut mich das sehr. So wie die Bischofskonferenz jetzt wahrgenommen wird, nicht nur von Insidern, sondern von allen, ist es einfach peinlich“ um dann mit einem Schmunzeln anzufügen: „Ich glaube, ich muss mich nicht davor fürchten, dass sie mich nächstes Jahr einladen werden, um ihre Einkehrtage zu begleiten.“

Alt-Abt Martin Werlen präsentiert sein neues Buch "Zu spät"
Alt-Abt Martin Werlen präsentiert "zu spät"_20180205_FOTO_Arnold Landtwing (13)

Drei Hauptbotschaften liegen Martin Werlen am Herzen und die will er mit seinem Buch „Zu spät. Eine Provokation für die Kirche. Hoffnung für alle“ vermitteln:

1. Das Buch soll bewegen und Menschen zur Besinnung bringen, die festgefahren sind. Ihnen wünsche er, dass sie die Kraft des Evangeliums entdecken.

2. Den Verzweifelnden soll das Buch davon erzählen, dass es die Situation von „Es ist zu spät“ in der Bibel immer wieder zu finden gibt. „Unser Glaube ist ein Glaube, der weiterführt, in dem die Hoffnung durch alles trägt und die Liebe nicht ausschliesst“, so Werlen.

3. Das Buch ist in Dankbarkeit allen Menschen gewidmet, die die Kirche nicht in Ruhe lassen. Es soll sie ermutigen, stärken und ihnen danken.

 

Martin Werlen, Zu spät. Eine Provokation für die Kirche. Hoffnung für alle. Herder 2018
ISBN: 978-3-451-37519-4