Kirche aktuell

Will Generalvikar Grichting Caritas und Fastenopfer abschaffen?

Will Generalvikar Grichting Caritas und Fastenopfer abschaffen?
Katholische Kirche im Kanton Zürich
19. Dezember 2014

In einem Essay  in der Zeitschrift „Schweizer Monat“  lässt der Generalvikar des Bistums Chur Dr. Martin Grichting unter dem Titel „Nicht Mitte, nicht links, nicht rechts“ im Dezember 2014 verlauten, dass Vertreter der katholischen Kirche immer öfter mit Kapitalismuskritik liebäugeln, um sich dem Zeitgeist anzubiedern.

„Gottes Zuckerguss“ als Retrospektive

Dieser Artikel wäre eigentlich keines Kommentares wert. Aber wie bei einem guten Film, braucht es eine Retrospektive, damit man den Artikel richtig einordnen kann. Im vorliegenden Fall hat René Scheu, Chefredaktor und Herausgeber der Zeitschrift, diesen Rückblick verfasst. Unter der Überschrift „Gottes Zuckerguss“ führt er aus, wie er sich in einem Beitrag in der „NZZ am Sonntag“ kritisch äusserte und welche Reaktionen darauf erfolgten: „Unmittelbarer Anlass für meine Unmutsbekundung war das erste apostolische Schreiben des neuen Papstes, das im denkwürdigen Satz „Diese Wirtschaft tötet“ (Evangelii Gaudium Nr. 35 – Anm. der Red.) gipfelte“.

Die Antworten kamen aus der Feder von Protestanten und Katholiken, die meisten ausnahmsweise in zustimmenden Ton, darunter Kirchgänger, Theologen, ja sogar der oberste Reformierte der Schweiz – und eben auch Martin Grichting, seines Zeichens Generalvikar des Bistums Chur und einer der erfreulich streitbaren Notabeln der katholischen Kirche.“

Es ist doch erstaunlich, dass sich Martin Grichting nach den Worten von René Scheu klar von Papst Franziskus distanziert. Gehört Martin Grichting gar zu jenen Leuten in der Hierarchie, welche nicht von Papst Franziskus sprechen, sondern despektierlich nur von „Herrn Bergoglio“?

Liest man den Artikel von Martin Grichting unter dieser Prämisse, dann wird es erst interessant. Da steht z.B. zu lesen: „Denn nicht wenige Kirchenleute sehen in Jesus Christus im Grunde ein sozialistisches Blumenkind. Und so setzen sie das Evangelium als Marketinginstrument für ihr Gutmenschentum ein“.

Das wirft drei Fragen auf:

  1. Zählt Martin Grichting den Papst auch zu denjenigen Kirchenleuten, die Jesus für ein sozialistisches Blumenkind halten? Mindestens Chefredaktor René Scheu scheint dieser Meinung zu sein.
  2. Oder sähe es der Generalvikar des Bistums Chur lieber, wenn das Evangelium als Marketinginstrument für ein Schlechtmenschentum eingesetzt würde? Im Zusammenhang mit dem kritisierten Zitat von Papst Franziskus ist auch eine andere Stelle bemerkenswert: „Dort, wo zentrale Inhalte der Glaubenslehre oder die Menschenwürde – etwa in den Fragen der Bioethik oder des Rechs auf Leben – unmittelbar zur Debatte stehen, wird die amtliche Verkündigung automatisch politisch.“ Ich lese das von Martin Grichting kritisierte Papstzitat durchaus so, dass dieser das Recht auf Leben in seiner Ganzheit und in auch seiner Verwundbarkeit verteidigt. Warum also stört sich Martin Grichting so sehr daran? Könnte es daran liegen, dass er lediglich das ungeborene Leben zu schützen gedenkt? Der Schutz des geborenen Lebens scheint ihm also nicht zu den zentralen Inhalten der Glaubenslehre zu gehören. So nach dem Motto: Wer lebt muss halt selber schauen wie er durchkommt!
  3. Wie hält er es denn mit dem 5. Gebot: Du sollst nicht töten? Oder wie hält er es mit den Aussagen der Bergpredigt oder dem Gleichnis vom Guten Samariter? Gehören all diese Zeugnisse und Aussagen von Jesus von Nazareth nicht zu den „zentralen Inhalten der Glaubenslehre oder der Menschenwürde“?

Wie ist die von Martin Grichting gesetzte theologische Pointe des Christentums, wonach „die Kirche eine Glaubenslehre vertritt die per definitionem nicht die Lösung kontingenter weltlicher Fragen zum Ziel haben kann“ zu verstehen? Eigentlich nur so, dass die katholischen Hilfswerke Caritas und Fastenopfer  abgeschafft gehören.

Es ist Advent, die Zeit des Wartens auf Christi Geburt. Könnte es sein, dass Dr. Martin Grichting mehr Freude am Evangelium hätte, wenn Jesus bei den „Schlechtmenschen“ der damaligen Zeit, beispielsweise bei König Herodes geboren worden wäre, so im pelzbedeckten Bettchen, beim warmen Kaminfeuer und mit angemessenem Willkommenstrunk?