«Sammeln Sie auch Panini-Bildchen, Herr Pfarrer?»
Es war nach der Erstkommunionfeier auf dem Kirchenplatz. «Sammeln sie auch Panini-Bildchen für die EM?», fragt mich ein Knirps und schaut mich erwartungsvoll an. «Nein, tut mir leid», antworte ich. Um den sichtlich enttäuschten Kleinen nicht sang- und klanglos von dannen ziehen zu lassen, versuche ich wieder Terrain gut zu machen und frage schnell nach: «Spielst du in einem Fussballclub?» «Klar», antwortete dieser. «Und du? », fragt der Junge zurück «spielst du auch Fussball?». «Ja, ich spiele hie und da in einer besonderen Fussballmannschaft. Sie heisst FC Religionen , und alle tragen wir die Zahl ‚ 7 ‚ auf dem Leibchen.» Der Kleine schaut mich etwas verständnislos an und fragt: «Haben Sie auch gegen Moslems gespielt?» «Nein», antworte ich entschieden, « nicht gegen , sondern mit Moslems und zudem mit Juden, Reformierten und Katholiken.»
Das Spezielle dieser – vom reformierten Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist 2008 initiierten – Mannschaft ist, dass sich fussballfreudige Pfarrer, Rabbiner, Imame, Theologen in derselben Mannschaft jeweils den Ball zuspielen. Als ich vor zwei Jahren angefragt wurde, ob ich da mitmachen wollte, hatte ich zunächst Zweifel. Zwar hatte ich selber als Kind während einiger Jahre in einem Fussballclub mitgemacht, nachdem aber mein erstes und einziges Kopfballtor ein Eigentor war, habe ich mir eingestehen müssen, dass ich es im Fussball wohl nicht weit bringen würde. So bin ich ein Fussballbegeisterter geblieben – als Zuschauer und als Gelegenheitskicker. Schliesslich hat der Reiz gesiegt und ich habe zugesagt, beim FC Religionen mitzuspielen.
Was Fussballspielen mit Christentum und Religion(en) zu tun hat? Nun, darüber lässt sich trefflich philosophieren und entsprechend gefüllt sind diesbezüglich die Regale in den Buchhandlungen. Was der Coach – selbst ein ehemaliger Erstliga-Trainer und Fachmann für Kommunikation – uns schon beim ersten Training einschärfte und konkret fussballerisch einübte, waren nicht irgendwelche Dribbelkünste oder Standardsituationen, sondern war etwas viel Fundamentaleres: Kommunikation. So mussten wir zuallererst lernen, nicht irgendwie draufloszurennen, sondern uns entsprechend zu bewegen und dem Mitspieler durch Zurufe zu signalisieren: «Ich bin da, du kannst mir den Ball zuspielen.»
Wir würden wohl fussballtechnisch kein hohes Niveau erreichen, meinte der Coach ehrlich nach dem Training, aber etwas könnten wir schaffen: nämlich ein Team zu werden, das zusammen-spielt. Zwar haben wir dann den nächsten Match mit 4 : 1 verloren, aber Spass hat es dennoch gemacht. Wir sind tatsächlich so etwas wie ein Team geworden. Unmerklich und auf natürliche Weise hat sich mit dem Spiel auch eine freundschaftliche Dimension unter uns entwickelt, die beim anschliessenden gemeinsamen Nachtessen vertieft wurde. So erzählte der Rabbiner stolz von seiner fünfjährigen Tochter, die während des Spiels an der Seitenlinie für uns gefant hatte oder der junge Imam von seinen Schwierigkeiten im Religionsunterricht mit seinen Teenies, die sich mehr für die neuesten Apps als für Religion interessierten. «Der Dialog unter Religionen ist nur als Begegnung mit Haut und Haar, ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Körper zu haben,» sagte mir Christoph Sigrist, Pfarrer vom Grossmünster. Und ich dachte mir: gilt dies nicht grundsätzlich für jeden Dialog, vor allem auch für den innerkirchlichen? Wie auch immer – ich freue mich aufs nächste Fussballspiel mit dem FC Religionen .
Fulvio Gamba
Alle Bilder sind Screenshots vom SRF aus diesem Filmbeitrag:
Gottesmänner am Ball – Anpfiff für den FC Religionen, Sternstunde Religion, srf Kultur
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