Kirche aktuell

Nicht fasten - schon Masshalten ist viel!

Nicht fasten - schon Masshalten ist viel!
Leiter sozialethisches Institut «ethik22» in Zürich
Thomas Wallimann-Sasaki
Dr. theol. Thomas Wallimann-Sasaki ist Leiter des sozialethischen Instituts «ethik22» in Zürich, Präsident a.i. der sozialethischen Kommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz und Dozent für angewandte Ethik an verschiedenen Fachhochschulen.
Thomas Wallimann-Sasaki
15. April 2014

Soeben habe ich auf das angebotene Schoggi-Eili zum Kaffee am Mittag verzichtet! Warum eigentlich? Ich hatte ja schon ein Schoggi-Stängeli zum Znünikaffee. Doch bei den Schoggi-Eili geht’s mir um mehr! Seit Jahren beginnt für mich die Osterzeit mit genau diesen Eili. Und dies ist es mir wert. Dies will ich mir nicht nehmen lassen – ganz im Innern.

Beim Nachdenken über diese kleine Episode fällt mir auf, dass nicht das Fasten eine Herausforderung ist, sondern vielmehr das Masshalten. Denn angesichts der vielen Angebote, der Möglichkeiten und Versprechungen ist das Fasten schon fast pure Überforderung. Und weil ich dies sowieso nicht schaffe, lohnt es sich nicht einmal einen ersten Schritt zu machen.

Anders der Blick zum Masshalten: Er weckt die Frage nach dem wirklich Not-Wendigen. Am besten wird das sichtbar beim alltäglichen Konsum, beim Essen, beim Einkaufen. Aber auch gesellschaftlich.

Mich dünkt, es wäre nicht schlecht, beim Ruf nach Gesetzen, Regeln und Rahmen zuerst zu fragen, 

  • ob dies wirklich nötig ist,
  • ob damit das anvisierte Ziel erreicht wird und
  • ob dies alles das Leben für Menschen sinnvoller und lebenswert macht.

Ich meine: Ja!
Doch Masshalten bringt eine ganz andere Fragen ins Spiel: Die Fragen nach dem Sinn. Nach der Bedeutung von Gemeinwohl und Solidarität. Oder von Mensch-sein und seinen Grenzen und Wünschen ganz allgemein.

Ich habe heute auf das Schoggieili verzichtet. Es ist kurzsichtig zu meinen, dass mich dieser Verzicht zu einem moralisch besseren Menschen gemacht hat. Aber es liegt auf der Hand, dass ich gemerkt habe, wie sehr ich doch selber einen Massstab setzen kann.

 In den nächsten Tagen muss ich die Steuererklärung ausfüllen – die Frage nach dem Mass stellt sich dann erneut – aber ganz anders, bei Angaben, Abzügen, möglichen „Optimierungen“.