Podiumsdiskussion «Kirchenraum neu denken»
«Die Kirche gehört dem Quartier»
«Die Kirche gehört dem Quartier»Zur Veröffentlichung des neuen Buches im Rahmen der Reihe Zürcher Zeitzeichen fand in der Kirche Bruder Klaus in Zürich eine Podiumsdiskusstion statt. Exponenten aus Kirche und Politik diskutierten darüber, wie und in welcher Form in Zukunft Kirchenräume genutzt werden sollen und dürfen.https://www.zhkath.ch/kirche-aktuell/die-kirche-gehoert-dem-quartierhttps://www.zhkath.ch/kirche-aktuell/die-kirche-gehoert-dem-quartier/@@download/image/20251029_183204.jpg
Zur Veröffentlichung des neuen Buches im Rahmen der Reihe Zürcher Zeitzeichen fand in der Kirche Bruder Klaus in Zürich eine Podiumsdiskusstion statt. Exponenten aus Kirche und Politik diskutierten darüber, wie und in welcher Form in Zukunft Kirchenräume genutzt werden sollen und dürfen.
31. Oktober 2025Katholische Kirche im Kanton Zürich
Ann-Katrin Gässlein, Herausgeberin des neuen Buches. Foto: Sibylle RatzAnn-Katrin Gässlein, die als Herausgeberin des neuen Bandes «Kirchenraum: Begegnung neu denken» fungiert, hat diverse Stellungnahmen und Beispiele zu Kirchennutzungen aktuell und in der Zukunft gesammelt. Nebst all den möglichen Umnutzungen plädierte sie bei der Podiumsdiskussion dafür, insbesondere den spirituellen Aspekt nicht ausser Acht zu lassen. Es gelte auch, Kirchen als eine «Schutzzone» zu bewahren.
Anlässlich der Vernissage in dieser Woche diskutierte sie zusammen mit der Kantonsrätin Judith Stofer, dem reformierten Theologe Christoph Sigrist, dem katholischen Seelsorger Thomas Münch und dem Architekten Alex Wohlwend über Kirchennutzungen. Die Veranstaltung mit musikalischer Begleitung wurde von Susanne Brauer, Bereichsleiterin Soziales und Bildung bei der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, moderiert.
Umnutzen oder bewahren
Architekt Alex Wohlwend hatte sich verschiedene Überlegungen zur Nutzung von leerstehenden Kirchengebäuden gemacht und brachte auch das Problem von Profanisierungen zur Sprache. Das könnte seiner Meinung nach umgangen werden, wenn Kirchen allenfalls zur Lagerung von in anderen Kirchen nicht mehr genutzten sakralen Gegenständen und Kunstwerken gebraucht würde.
Der reformierte Theologe Christof Sigrist im Gespräch mit Susanne Brauer, Abteilungsleiterin bei der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Foto: Sibylle Ratz
Christoph Sigrist, bekannt für seine pointierten Aussagen, hielt fest: «Die Kirchengebäude sind das Gold der Kirchen». Man könne und dürfe sich nicht ohne weiteres von ihnen trennen. Im weiteren Gespräch setzte er sich dafür ein, dass die Nutzung der Kirchen nicht irgendwo entschieden werden, sondern von den Quartieren, den Dörfern, von den Menschen. Die Nutzung muss den Ansprüchen vor Ort entsprechen und wieder zum «Bauchnabel», zum Treffpunkt werden.
Gold der Kirchen
Es passe daher nicht überall, in nicht mehr genutzten kirchlichen Räumen beispielsweise eine Bibliothek einzurichten. Das könne auch bestehende Angebote konkurrenzieren. Nein, die Menschen selbst sollten die Bedürfnisse formulieren dürfen und die Kirchen wieder zu «ihrem» Eigentum machen: «Eine Kirche, ein Gemeindehaus gehört dem Quartier. Und das Quartier bestimmt.»
«Eine Kirche gehört dem Quartier» Christoph Sigrist
Für den Umbau, eine Umnutzung von Kirchenräumen brauche es Generationen. Weil, es gebe immer jemanden, der noch an Kirchenraum hängt, weil er vielleicht in dieser Kirche getauft wurde oder andere Erinnerungen hat, an denen er hängt. Veränderungen würden auch erst dann passieren, wenn man in Not sei, wenn das Geld fehle, wie aktuell bei den Kirchen in Basel.
Sogar mehr Geld für die Kirchen
Dem stimmt Kantonsrätin Judith Stofer zu und berichtet gleich über das Beispiel in Zürich-Wipkingen, wo gerade ein «Haus der Diakonie» entsteht in einem Gebäude, das jahrelang ungenutzt war. Dabei kam man auch auf die Gelder zu sprechen, welche die Kirchen vom Kanton erhalten. Ob denn in dem Fall für eine raschere Umgestaltung den Kirchen das Geld gekürzt werden müsste. Dem widersprach Stofer vehement, auch wenn sie sich in einem Einstiegsreferat klar für ein Neudenken der Kirchenräume eingesetzt hat. «Wr studieren die Berichte der Kirche jeweils sehr genau. Für all das, was die Kirche leistet, sollte die Politik eigentlich sogar mehr Geld zur Verfügung stellen», meinte Stofer.
«Wir müssen hellhörig sein» Thomas Münch
Thomas Münch gab zu bedenken, dass die alten Kirchen ja auch früher so gebaut wurden, dass die Kirchen zuerst gebaut wurden und sich darum herum Zentren bildeteten. «Wir müssen hellhörig sein für die Quartiere. Und die Probleme sind dann eben von Quartier zu Quartier verschieden. Das muss in meine pastorale Arbeit einfliessen.»
Bestandesaufnahmen machen
Hilfreich sei die Standortbestimmung, die in der Stadt Zürich bei den katholischen Kirchen gemacht wurde. Dabei wurde im Detail aufgezeichnet, wie die Struktur, die Verkehrsituation und andere wichtige Rahmenbedingungen rund um die bestehenden Kirchen und Kirchgebäude sind. Man müsse miteinander diskutieren, wo die Investitionen gemacht würden.
Die gut besuchte Podiumsdiskussion in der Kirche Bruder Klaus in Zürich, in der gleichzeitig auch eine Ausstellung mit dem Werk des Zürcher Künstlers Max Rüedi zu sehen ist. Foto: Sibylle Ratz
Ann-Katrin Gässlein streicht hervor, dass die Funktion von Kirchen und Kirchenräumen als Freiräume nicht zu unterschätzen sei. Hier müsse man nicht konsumieren, die Aktivitäten seien in der Regel nicht ins kapitalistische System eingebunden und würden den Menschen Zugang zu Kultur, Kunst und Spiritualität auch ohne Konsumzwang ermöglichen. Die Umnutzung eines Kirchenraumes als Schwimmbad stehe ganz am Ende eines Prozesses. Sie sieht sich daher auch als Anwältin, das Allerheiligste für die Menschen zu bewahren, denen es weh tue, wenn eine Kirche dazu genutzt werde, zum Beispiel einen Fussballmatch anzuschauen.
Zweifellos wird der gesellschafts- und kirchenpolitische Transformationsprozess von Kirchenräumen alle noch weiter beschäftigen.
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