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Warum das Kirchenrecht im Fall Bürglen für Entspannung sorgt

Warum das Kirchenrecht im Fall Bürglen für Entspannung sorgt
Benno Schnüriger

Benno Schnüriger ist Staatsrechtler und war von 2007 bis 2018 Präsident des Synodalrats der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.

Benno Schnüriger
09. März 2015

In der Causa Wendelin Bucheli, Pfarrer von Bürglen im Kanton Uri gingen und gehen die Wogen hoch. Mit Blick auf die von Pfarrer Bucheli vorgenommene Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares geht es um Theologie und die katholische Sexuallehre . Dazu äussere ich mich nicht. Die Intervention des Diözesanbischofs, welcher Pfarrer Bucheli offenbar um eine Demission gebeten hat, betrifft hingegen das Verhältnis zwischen der Kirchenleitung und den staatskirchenrechtlichen Organen von Uri, namentlich dem Kirchenrat von Bürglen. Verschiedenen Orts wurde der vorliegende Fall Bürglen bereits mit demjenigen von Röschenz verglichen, wo sich Pfarrer Szabo im Gleichschritt mit dem Kirchenrat gegen eine Entlassung durch den damaligen Bischof Kurt Koch zur Wehr setzte.

Abwarten, bis wieder klare Sicht herrscht

Immer dann, wenn Nebelpetarden geworfen werden, gilt es abzuwarten, bis sich der Rauch etwas verzogen hat, um dann bei besseren Sichtverhältnissen die Lage zu beurteilen. Als Zürcher steht es mir natürlich nicht an, den Urnern, insbesondere den Bürglern, Ratschläge zu erteilen. Da sich aber vor wenigen Jahren im Kanton Zürich eine ähnliche Geschichte zu entwickeln drohte, erlaube ich mir, anhand der Rechtslage der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich für etwas Entspannung zu sorgen.

Die Grundlage lautet: Einvernehmlichkeit

In der Präambel zu unserer Kirchenordnung vom  29. Januar 2009 steht, dass

«die römisch-katholischen Einwohnerinnen und Einwohner im Kanton Zürich den Willen haben, die je eigenen kirchlichen und staatskirchenrechtlichen Zuständigkeiten zu beachten und mit den kirchlichen Organen einvernehmlich zusammenarbeiten».

Ein Anwendungsfall für die gegenseitige Beachtung der je eigenen Zuständigkeiten und des einvernehmlichen Handelns ist das Personalrecht, insbesondere das Recht der Anstellung und das Recht der Entlassung.

Entzug der Missio bedeutet Kündigung

Die Anstellungsordnung der Katholischen Körperschaft (AO) bestimmt in § 14 Abs. 2 deshalb klar und eindeutig:

«Der sachlich begründete Entzug der kirchlichen Ernennung oder der Missio canonica hat, sofern diese für die Anstellung erforderlich sind und vor dem Entzug eine Anhörung durch den Bischof oder seinen Personalverantwortlichen stattfand (rechtliches Gehör), zwingend die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge.»

Im Falle des Entzugs der kirchlichen Ernennung oder Missio canonica (Kanonisches Recht) muss also das Anstellungsverhältnis (Körperschaftliches Recht) dann aufgelöst werden, wenn der Entzug formell richtig durchgeführt und sachlich begründet ist.

Deckblatt Kirchenrecht

CIC Deckblatt

Und was schreibt das Kirchenrecht vor?

Im Kanonischen Recht, also dem Recht der Römisch-katholischen Kirche ( Codex Iuris Canonici oder CIC ), ist für die Enthebung eines ernannten Pfarrers aus seinem Amt oder für eine Versetzung ein detailliertes Verfahren vorgeschrieben (cc. 1740 – 1747).

  • Es beginnt mit einer Erhebung der Fakten (cc. 1742 § 1)
  • und führt allenfalls zu einer Verwarnung (cc. 1741 Ziff. 4),
  • sofern es sich um einen erstmaligen Vorfall handelt.
  • Am Schluss des Verfahrens kann Beschwerde eingereicht werden (cc. 1732 ff.).

Falls der Bischof der Meinung ist, dass der fehlbare Pfarrer eine kirchenrechtliche Straftat (z.B. die Vortäuschung einer Sakramentenspendung, cc 1379) begangen hat,

  • muss er eine formelle Voruntersuchung anordnen, um den genauen Sachverhalt objektiv zu erheben  (cc. 1717 § 1).
  • Nach Abschluss der Voruntersuchung gibt es drei Vorgehensmöglichkeiten:
    • Ein administratives Strafverfahren (cc. 1720),
    • einen Strafprozess (cc. 1721)
    • oder die Einstellung des Verfahrens (cc. 1724).

Soweit aus dem «fact sheet» ersichtlich, welches das Ordinariat von Chur veröffentlicht hat, ist es bis jetzt weder das Erste noch das Zweite geschehen. Inwieweit das Gespräch zwischen Bischof Vitus und Pfarrer Bucheli vom 2. Februar 2015 tatsächlich «klare Ergebnisse» ergab, ist nicht überprüfbar. Aber offenbar ist Pfarrer Bucheli bezüglich des «klaren Ergebnisses» anderer Meinung.

Oder anders gesagt: Der Bischof hat noch keinen einzigen, kanonisch-rechtlichen Schritt unternommen, Pfarrer Wendelin Bucheli die Missio canonica formell und sachlich korrekt zu entziehen.

Angesichts dieser Rechtslage müssen sich die Bürgler und Urner vorläufig überhaupt keine Sorge um das weitere priesterliche Wirken von Pfarrer Wendelin Bucheli machen. Sie dürfen sich vom medialen Wirbel nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Entspannung ist angesagt.