Kirche aktuell

Weil wir gemeinsam mehr bewirken

Weil wir gemeinsam mehr bewirken
Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ)
Daniel Kosch
Daniel Kosch
14. Juli 2014

Ein fundierter wissenschaftlicher Bericht liefert differenzierter Hintergründe zum Verhältnis Kirche und Staat in der Schweiz . Vor ziemlich genau einem Jahr sorgte das «Vademecum» in staatskirchenrechtlichen Kreisen und in den Medien für Aufsehen und Missstimmung. Beabsichtigt gewesen war eine Verbesserung der «Zusammenarbeit von katholischer Kirche und Körperschaften», von der im Titel des Dokumentes die Rede ist.

Am 25. Juni 2014 wurde im Rahmen einer Buchvernissage der wissenschaftliche Bericht der bischöflichen Fachkommission Katholische Kirche und Staat in der Schweiz vorgestellt. Er liefert unter dem Titel „Staatskirchenrechtliche Körperschaften im Dienst an der Sendung der katholischen Kirche in der Schweiz“ den erforderlichen Hintergrund und differenziert, was im Vademecum stark vereinfacht und zum Teil verkürzt gesagt wird.

Schweizer Bischofskonferenz Foto: J-C. Gadmer

Schweizer Bischofskonferenz Foto: J-C. Gadmer

Ein gutes Zeichen: Alle kommen zu Wort

Bemerkenswert ist nicht nur das Buch, sondern auch die Art, wie die Schweizer Bischöfe diese Vernissage gestalteten. Es kamen alle zu Wort:

  • Die Bischofskonferenz , vertreten durch ihren Präsidenten, Bischof Markus Büchel,
  • der Vertreter des Heiligen Stuhls, Kardinal Francesco Coccopalmerio ,
  • das Expertengremium , vertreten durch Prof. Libero Gerosa ,
  • und die RKZ , deren Anliegen Daniel Kosch zur Sprache brachte.

Sämtliche Beiträge zur Buchvernissage vom 25. Juni 2014 sind hier zugänglich.

Soll die Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Körperschaften wirklich besser werden, muss das Gespräch weitergehen – auch über heikle und strittige Fragen. In diesem Sinn hat die RKZ an ihrer letzten Plenarversammlung das Dokument „Weil wir gemeinsam mehr bewirken“ mit Empfehlungen und kritischen Anfragen verabschiedet.

Entscheidend ist die Haltung

Entscheidend für dieses Gespräch sind nicht erst die Inhalte, sondern schon die Haltung, mit der es geführt wird. Auf Haltungen wie «Dialogbereitschaft» und «Vertrauen» können sich alle verständigen. Schon schwieriger wird es mit Begriffen wie «Partnerschaft», «gegenseitige Ergänzung» oder «gemeinsame Verantwortung». Denn sie setzen voraus, dass die Beziehungen in dieser Zusammenarbeit von Gegenseitigkeit geprägt sind.

Beide Seiten haben ihre je eigene Verantwortung, beide Seiten haben aber auch eine Mit-Verantwortung für die jeweils «andere Seite».

Die staatskirchenrechtlichen Behörden haben das Thema «Geld» nicht für sich gepachtet. Es ist auch ein pastorales, ja sogar ein theologisches Thema, wie die Kirche mit ihrem Geld umgeht. Sie kann damit viel Gutes tun, aber sie kann auch schuldig werden, indem sie falsche Prioritäten setzt, zu sehr an sich selbst und zu wenig an die anderen denkt.

Die pastoral Verantwortlichen haben nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, mitzudenken und mitzureden, wo staatskirchenrechtliche Behörden Finanzentscheidungen treffen. Das kann unbequem werden.

Die Gläubigen nicht als Untertanen behandeln

Ebenso haben auch die kirchlichen Amtsträger das Thema «Pastoral», ja sogar das Thema «Glaube» nicht für sich gepachtet. Sie müssen beachten, dass die Mitglieder staatskirchenrechtlicher Behörden wie sie getaufte und gefirmte Menschen sind, die – wie es das Konzil betonte – Anteil haben an der Sendung der Kirche. Dazu sagte der Präsident der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx in einem Interview:

«Wir Katholiken glauben, jeder Gläubige nimmt teil am Priesteramt, am Königamt, am Prophetenamt Christi. Jeder, das heisst: nicht nur die Bischöfe, nicht nur die Priester. Es wäre ein Rückschlag für die Kirche, wenn auch nur der Anschein entstünde, dass wir die Gläubigen quasi als Untertanen behandeln und wir ihnen erst einmal Bescheid geben müssen, weil sie selbst nicht klug genug sind.» (Die Zeit, 12.9.2013, 64)

Die kirchlichen Amtsträger müssen darüber hinaus der Tatsache Rechnung tragen, dass die Mitglieder staatskirchenrechtlicher Behörden die Pflicht haben, darauf hinzuweisen und wenn nötig einzuschreiten, wenn sie den Eindruck haben, die finanziellen Mittel würden nicht so eingesetzt, wie es dem Auftrag der Kirche entspricht. Sie machen sich schuldig, wenn sie zulassen, dass finanzielle Mittel in Projekte investiert werden, die die Menschen nicht erreichen und folglich dem Auftrag der Kirche und dem «Heil der Seelen» nicht dienen. Auch das kann unbequem werden.

Partnerschaft muss an Konflikten wachsen können

Die kirchlich-staatskirchenrechtliche «Partnerschaft» lebt – wie jede echte Partnerschaft zwischen Menschen – nicht nur vom Frieden, von der Harmonie und vom gegenseitigen Respekt. Sie lebt auch von der Spannung, von der gegenseitigen Herausforderung, muss auch Konflikte aushalten und daran wachsen können. Das «auxiliäre» Modell von Über- und Unterordnung, in dem die einen «befehlen» und die anderen «zahlen und ausführen», geht nicht nur von einem fragwürdigen Kirchenbild aus, sondern trägt auch der Verantwortung nicht Rechnung, die unausweichlich ist, sobald jemand über Geld verfügt. Und das «arbeitsteilige» Modell, das «innere» und «äussere», «geistliche» und «materielle» Angelegenheiten voneinander trennt, übersieht, dass Geld und Geist sich genau so wenig auseinanderreissen lassen wie Körper und Seele, das Evangelium und das reale alltägliche Leben.

Es braucht also ein zwar immer auf Einvernehmlichkeit und Konsens ausgerichtetes, wenn nötig aber auch streitbares Miteinander.

Dieses wird dann am besten gelingen, wenn nicht Macht- und Kompetenzfragen, sondern der gemeinsame Auftrag im Zentrum steht: Einer Kirche zu dienen, die ihrerseits im Dienst der Menschen und der Welt von heute das Evangelium bezeugt.

Eine Papstrede als Richtschnur für eine Kirche

Papst Franziskus hat noch als Kardinal Bergoglio bei den Beratungen über das Profil des künftigen Papstes eine bemerkenswerte Rede gehalten. Seinen Mitbrüdern im Kardinalskollegium sagte er:

1. Evangelisierung setzt apostolischen Eifer voraus. Sie setzt in der Kirche kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht. Sie ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends.

2. Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium). Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.

In der Offenbarung sagt Jesus, dass er an der Tür steht und anklopft. In dem Bibeltext geht es offensichtlich darum, dass er von außen klopft, um hereinzukommen. Aber ich denke an die Male, wenn Jesus von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen. Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten.

3. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre – dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das „Geheimnis des Lichts“ zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der „geistlichen Mondänität“ Raum (nach Worten de Lubacs das schlimmste Übel, was der Kirche passieren kann). Diese (Kirche) lebt, damit die einen die anderen beweihräuchern.

4. Was den nächsten Papst angeht: (Es soll ein Mann sein) der aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existenziellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der „süßen und tröstenden Freude der Verkündigung“ lebt.

Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das „Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet“; und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.

Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die  notwendig sind für die Rettung der Seelen.

Nicht nur für unsere pastoralen Fragen, sondern auch für unser Miteinander im dualen System ist deshalb diese Rede von Papst Franziskus wegweisend.