Kirche aktuell

Das ewige Kreuz mit dem gemeinsamen Mahl

Das ewige Kreuz mit dem gemeinsamen Mahl
Barbara Oberholzer
Barbara Oberholzer ist ursprünglich Germanistin, seit vielen Jahren Pfarrerin am Universitäts Spital Zürich und seit 2015 Vizedekanin des Pfarrkapitels der Stadt Zürich
Barbara Oberholzer
09. Januar 2019

Die reformierte Pfarrerin Barbara Oberholzer ist mit einem katholischen Mann verheiratet. Ökumene funktioniert in ihrer Familie bestens, endet aber vor dem Altar. Das gemeinsame Abendmahl ist heute in weiterer Ferne als auch schon. Eine reformierte Wortmeldung, die auch uns zu denken geben könnte.

In meiner Familie bin ich von Mischehen und -beziehungen umgeben. Mein Mann ist katholisch; bereits seine Eltern lebten in einer Mischehe. Meine Brüder pflegten und pflegen ebenfalls Mischbeziehungen. Von den Brüdern meines Mannes hat einer katholisch geheiratet, der zweite reformiert. Die Kinder: mal so, mal so. Unser Sohn (reformiert) ist mit einer Katholikin liiert – die Tradition setzt sich also aufs erfreulichste fort. Zu häuslichen Konflikten führte dies nirgendwo. Wir lästern mal über die eine, mal über die andere Kirche, kennen unterschiedlichstes Bodenpersonal, besuchen katholische und reformierte Gottesdienste, die ökumenische Predigtkritik floriert. Und sonst glauben wir an den Gott der Liebe. Bei unsern Freunden siehts ähnlich aus. In der ganzen Gesellschaft siehts ähnlich aus, ausser dass der kirchliche Bezug vielleicht lockerer oder gar nicht mehr existent ist.

Bei uns ist er aber da, der kirchliche Bezug. Und da leiden wir manchmal doch. An den Feiertagen. Ich als Reformierte leide.

Ich besuche grundsätzlich gerne katholische Gottesdienste. Katholische Kirchen mag ich auch. Wenn nur nicht das Problem mit der Kommunion wäre. Zu der sind wir Reformierten nämlich nicht eingeladen. Das ist manchmal hart, wissen Sie.

Besonders an den hohen christlichen Feiertagen, an welchen wir vielleicht besonders überlegen und empfinden, was uns unser ChristInnensein bedeutet. Die KatholikInnen gehen nach vorne, wir bleiben sitzen. Ich bleib auch sitzen.

Vor 10, 15 Jahren wär ich das noch nicht. Ich hätte mich willkommener gefühlt. Oekumenische Gottesdienste mit Mahlfeiern, einmal Abendmahl, einmal Eucharistie, waren noch üblicher. Da waren selbstverständlich alle eingeladen. Besonders bei uns im Spital lief das unkompliziert. Ich erinnere mich an einige gestandene Priester und Ordensleute, bestimmt nicht alles berufene Ökumeniker. Aber dass es bei kranken und leidenden Menschen mehr um Gemeinschaft und solidarische Mitmenschlichkeit geht als um theologische Differenzen, war für sie keine Frage. Heute gibt es auch im USZ keine gemeinsamen Mahlfeiern mehr.

Hat die Theologie gesiegt über die Bedürfnisse der Menschen, die doch Gottes Ebenbild sind, nackt und schutzlos geboren wie er und auch in ihrem Leben oft genug im Schatten des Kreuzes? Oder ist es die Angst, die siegt?

Vor dem Bischof, dem «dualen System», vor dem Entzug der Missio und damit faktisch dem Berufsverbot? Wer verstünde das nicht?  Aber es ist für uns, die wir ökumenische Beziehungen leben, schwierig geworden. Sind auch wir Kollateralschäden der neuen Ära in Chur?  Seit Jahren sind ich und andere reformierte Angehörige regelmässig an Weihnachten und Ostern in einer Pfarrei zu Gast. Die Gemeindeleiterin weiss genau, wer wir sind. Katholische Familienmitglieder singen im Chor und dirigierten ihn früher.

Doch noch nie wär jemand gekommen und hätte gesagt: Schön, dass ihr immer so treu da seid, fühlt euch eingeladen, kommt doch auch!

Das ging zeitweise so weit, dass katholische Mitglieder auch nicht mehr zur Kommunion gingen aus Solidarität mit den reformierten.

Warum ich das ausgerechnet jetzt schreibe? Es war halt grad wieder Weihnachten. Und bereits an Ostern stellt sich der Konflikt erneut. Und ich gestehe: An diesem Weihnachtstag siegte zum ersten Mal mein reformierter Stolz. Ich ging nicht mit in besagte Pfarrei und liess es mit dem reformierten Heiligabendgottesdienst bewenden. Klar, da gehör ich auch hin. Aber trotzdem traurig. Und ich bin als reformierte Theologin froh, dass es nicht an uns ist, den Zutritt zum Abendmahl zu verwalten. Ist nicht Christus unser aller Gastgeber? Wer an seinen Tisch treten möchte, sei von Herzen willkommen.

 

Barbara Oberholzer ist reformierte Spitalseelsorgerin am Universitätsspital Zürich. Ihr Beitrag erschien zuerst im Blog diesseits.ch der reformierten Kirche des Kantons Zürich. Wir übernehmen ihn mit freundlicher Erlaubnis der Autorin.