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Winterthurer Sonnenstrahl wärmt Flüchtlinge in Kroatien

Winterthurer Sonnenstrahl wärmt Flüchtlinge in Kroatien
Redaktionsteam
Katholische Kirche im Kanton Zürich
Die Beiträge im Blog geben die Haltung der Autoren wider und müssen nicht in jedem Fall mit der offiziellen Haltung der kirchlichen Körperschaft übereinstimmen.
Katholische Kirche im Kanton Zürich
19. Februar 2016

Flüchtlingshilfe handfest: Mit einem Transporter fuhr Diakon Zeljko Calusic an die kroatisch-serbische Grenze. Dorthin, wo die Flüchtlinge aus Syrien EU-Boden betreten. So wurde aus einer Sammelaktion der Pfarrei St. Laurentius Winterthur zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit ein eindrückliches und nachhaltiges Unterfangen, reich an Erlebnissen und Erfahrungen. Zeljko Calusic berichtet darüber.

Ein Zeichen der Hoffnung setzen

Was gerade auf unserer Welt passiert, ist eine Katastrophe biblischen Ausmasses. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie jetzt.

Kleinkind_FOTO_Zeljko Calusic

Kleinkind_FOTO_Zeljko Calusic

Die Verzweiflung der Menschen ist übergross. Sie nehmen als letzte Chance die ungewisse und lebensgefährliche Reise nach Europa auf sich. Mit unserer Aktion zu Beginn des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit konnten wir die gewaltige Not ein bisschen lindern.

Materialdepot für Hilfsgüter_FOTO_Zeljko Calusic

Materialdepot für Hilfsgüter_FOTO_Zeljko Calusic

An drei Tagen, während nur sechs Stunden, haben wir weit über eine Tonne warme Kleider, Schuhe und Decken von sehr guter Qualität gesammelt. Herzlichen Dank an alle edlen Spender und die freiwilligen Helferinnen und Helfer!

Die Aktion weitet sich aus

Ursprünglich wollte ich mit meinem Minivan fahren. Das war angesichts des Umfangs der gesammelten Güter nicht mehr möglich, und ich musste einen Transporter mieten. Die Mietauto AG Winterthur hat die Hilfslieferung mit einem grosszügigen Rabatt von Fr. 600.- unterstützt.

Nebst Kleidern habe ich auch Geld erhalten:  € 10 080.– und CHF 3045.-. Ein grosses Dankeschön geht auch an die Mitarbeiter von S. Oliver Wallisellen, die von der Aktion gehört und CHF 1600.– gesammelt haben.

Ein ganz besonderer Dank gilt einem unbekannten Spender aus unserer Pfarrei, der mir in einer Tasche mit Kleidern auch einen Umschlag mit €10 000 übergegeben hat. Der Begleitbrief war nicht unterschrieben, sodass ich gar nicht weiss, wer er war.

Im Brief schreibt er:

«Geschätzter Herr Calusic, auf verschiedenen Wegen wandern wir als christliche Brüder und Schwester durch die Advents- und Weihnachtszeit. Im Pfarrblatt erwähnen Sie das Heilige Jahr der Barmherzigkeit und den Weg zu den Menschen an der EU-Grenze zu Serbien, den Sie demnächst gehen werden. Der Himmel anvertraut Ihnen notleidende Menschen auf dem Weg. Um die Not zu lindern, anvertrauen wir Ihnen die Spenden. Möge Sie der Geist der Liebe begleiten, wenn Sie dem Leben von Angesicht zu Angesicht begegnen. Alles Gute!»

Was für ein schöner Brief! Dankeschön!

Zeljko Calsusic mit Transporter_FOTO_Zeljko Calusic

Zeljko Calsusic mit Transporter_FOTO_Zeljko Calusic

Abfahrt: 27. Dezember 2015

Seitdem Ungarn einen Zaun entlang der Grenze zu Serbien erbaut hat, ist die Route über Kroatien der einzige Weg nach Europa. Momentan kommen viereinhalb bis sieben Tausend Flüchtlinge täglich. Im Sommer sind Flüchtlinge noch zu Fuss über die Grenze in Sid (siehe Karte) gelaufen. Das ist nicht mehr möglich. Heute wartet die kroatische Polizei an der Grenze und steckt die Flüchtlinge in die Sonderzüge, die nach Slavonski Brod fahren. Da gibt es ein Camp für etwa 12 000 Flüchtlinge.

Fluchtrouten der Flüchtlinge_Screenshot NZZ

Fluchtrouten der Flüchtlinge_Screenshot NZZ

Aus diesem Grund fuhren mein Bruder und ich direkt nach Slavonski Brod, einer Stadt mit knapp 60 000 Einwohnern und eine Stunde Zugfahrt von der serbischen Grenze entfernt. Wir kamen um punkt 8 Uhr an.

Eingang zum Aufnahme- und Transitzentrum Republik Kroatien_FOTO_Zeljko Calusic

Eingang zum Aufnahme- und Transitzentrum Republik Kroatien_FOTO_Zeljko Calusic

Ein zäher Nebel und die kroatische Polizei empfingen uns im Camp. Das Fahrzeug wurde komplett durchsucht, selbst von unten wurde mit Spiegeln der Unterboden des Transporters kontrolliert.

Entladen der Hilflieferung_FOTO_Zeljko Calusic

Entladen der Hilflieferung_FOTO_Zeljko Calusic

Hätte ich unser Kommen zwei Wochen davor beim Roten Kreuz nicht angemeldet, wäre die ganze Reise umsonst gewesen, denn Zivilsten haben keinen Zutritt ins Camp, sondern nur von den Hilfswerken registrierte und angemeldete Helfer und Spender.

Bestätigung Rotes Kreuz_FOTO_Zeljko Calusic

Bestätigung Rotes Kreuz_FOTO_Zeljko Calusic

Die Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes im Camp nahmen unsere Kleiderspende entgegen und bestätigten den Empfang .

Das Rote Kreuz koordiniert im Auftrag des Staates den Einsatz aller Hilfswerke mit etwa 300 Freiwilligen. Sie sind auch für die medizinische Versorgung zuständig. Weil das vom Staat finanziert wird, bot ich erst gar nicht an, Medikamente zu kaufen.

Mit der Währung Kuna kauft sichs günstiger ein

In Kroatien wechselte ich das Bargeld in die kroatische Währung Kuna. Obwohl Kroatien in der EU ist, kann man immer noch in Kuna bezahlen und kauft damit günstiger ein. Schlussendlich hatte ich 97‘788 Kuna und damit eine volle Tasche Geld bei mir.

Grosseinkauf im Laden_FOTO_Zeljko Calusic

Grosseinkauf im Laden_FOTO_Zeljko Calusic

Als erstes kaufte ich Lebensmittel für 7 495,40 Kuna (ca. 985 Euro): Tee, Schokolade, Brot, Brotaufstrich, Konserven…

Dringender Bedarf an Schuhen

Was es aber am meisten und ganz dringend brauchte, waren warme Schuhe.

Schuhe haben bei allen Hilfswerken gefehlt. Dabei sind Flüchtlinge zum Teil mit kaputten Schuhen, nur mit Flip-Flops oder sogar nur mit Socken angekommen.

Quittung für 596 Paar Schuhe_FOTO_Zeljko Calusic

Quittung für 596 Paar Schuhe_FOTO_Zeljko Calusic

Also kaufte ich vom Rest des Geldes 596 Paar Schuhe für 90 007,10 Kuna (€ 11 828). Dabei konnte ich einen Rabatt von 33 % rausschlagen.

Schuhschachteln im Tranpsorter_FOTO_Zeljko Calusic

Schuhschachteln im Tranpsorter_FOTO_Zeljko Calusic

Der Laden wurde für den Einkauf drei Stunden lang geschlossen. Etwa 20 Paar Schuhe mussten wir schliesslich auf den Sitzen transportieren, weil es hinten im Transporter keinen Platz mehr gab.

Die Brüder Calusic im Camp_FOTO_Zeljko Calusic

Die Brüder Calusic im Camp_FOTO_Zeljko Calusic

Mein Bruder und ich waren im Einsatz für die kroatische Caritas. Wir bekamen von ihnen einen Ausweis umgehängt. Trotzdem mussten wir jeden Tag durch den Metalldetektor laufen und wurden durchsucht.

Die Schichten dauerten jeweils zwölf Stunden von 6-18 Uhr oder 18-6 Uhr, weil die Züge wie z.B. in der Silvesternacht oft sehr spät ankamen.

Mit den Mitarbeitern der Caritas  haben wir die Schuhe sortiert, damit wir sie besser verteilen können. Jedes Paar Schuhe wurde ganz genau notiert.

Mitarbeitende de Caritas_FOTO_Zeljko Calusic

Mitarbeitende de Caritas_FOTO_Zeljko Calusic

Die Leiterin von Caritas im Camp (ganz links) meldete wie jede andere Spende auch diese bei der Zentrale der Caritas in Osijek an. So erfuhr auch der dortige Bischof von unserer Aktion. Er meldete sich telefonisch bei mir, bedankte sich und schickt auch der Pfarrei St. Laurentius seinen bischöflichen Segen. Inzwischen ist auch eine Dankesurkunde wir für die Pfarrei St. Laurentius eingetroffen.

Das Camp

Das Camp besteht aus sechs beheizten Zelt-Komplexen, die insgesamt etwa 12 000 Flüchtlinge aufnehmen können. Allerdings wollen alle weiter nach Deutschland, Norwegen, Schweden…

Aussenansicht des Camps_FOTO_Zeljko Calusic

Aussenansicht des Camps_FOTO_Zeljko Calusic

Die Flüchtlinge werden in Kroatien nur registriert, von den Hilfswerken versorgt und fahren mit denselben Zügen nach etwa sechs Stunden zur slowenischen Grenze weiter. Nur die Kranken und ihre Familien bleiben, bis sie in der Lage sind, ihre Reise fortzusetzen. Von den 600 000 Flüchtlinge, die seit dem Sommer durch das Camp gegangen sind, haben nur vier Asyl im Camp beantragt.

Wohncontainer für Kranke_FOTO_Zeljko Calusic

Wohncontainer für Kranke_FOTO_Zeljko Calusic

Im Camp fehlt es an nichts: Gebetsräume für Moslems, die Heilige Messe für Christen, separate Container des Roten Kreuzes für Familien der Kranken, Duschen, Toiletten, Ladestationen für Natel, eine Leinwand mit Informationen auf Arabisch…

Ladestation für Mobiltelefone_FOTO_Zeljko Calusic

Ladestation für Mobiltelefone_FOTO_Zeljko Calusic

Rezept für 100 Liter Tee

Täglich trafen 3 bis 4 Züge ein. Eine halbe Stunde vor der Ankunft des Zuges wurden wir Helfer informiert. Dann musste es schnell gehen.

Zuerst kochten wir Tee – bei der Kälte sicherlich der richtige Willkommensdrink nach folgendem Rezept

In der Teeküche_FOTO_Zeljko Calusic

In der Teeküche_FOTO_Zeljko Calusic

  • 100 Liter Wasser

  • 300 Beutel Tee

  • 5 Kilogramm Zucker

Die Ankunft der Flüchtlinge

Nach der Ankunft mussten sich die Flüchtlinge zuerst zur Registrierung begeben, bevor wir sie verpflegen und mit dem Nötigsten ausrüsten konnten.

Einkleiden der Flüchtlinge_FOTO_Zeljko Calusic

Einkleiden der Flüchtlinge_FOTO_Zeljko Calusic

Wir gaben ihnen, was wir hatten:

  • Tee
  • Handschuhe
  • Schuhe
  • Jacken
  • Schokolade für die Kinder
  • Lunchpakete…
Glücklich angekommen: Syrische Familie_FOTO_Zeljko Calusic

Glücklich angekommen: Syrische Familie_FOTO_Zeljko Calusic

Diese syrische Familie wollte den Tee bezahlen. Ich lehnte natürlich ab, fragte aber, ob sie sich mit mir fotografieren lassen würden, wozu sie gerne zustimmten.

Danach erzählten sie mir vom Krieg und der gefährlichen Flucht. Sie hatten alles verkauft, um die Reise zu bezahlen. Wenn sie eines Tages zurück müssen, haben sie keinen Ort mehr, wo sie hingehen könnten. Jetzt waren sie einfach glücklich, dass sie lebendig das sichere Europa erreicht hatten.

Im Flüchtlingslager angekommen: Kleinkind_FOTO_Zeljko Calusic

Im Flüchtlingslager angekommen: Kleinkind_FOTO_Zeljko Calusic

Sehr betroffen machte mich als Familienvater die unglaublich grosse Anzahl kleiner Kinder unter den Flüchtlingen. Immer wieder musste ich mit Tränen kämpfen, wenn ich müde, erschöpfte, kranke und unterkühlte Kinder sah. Das Elend ist wirklich gross! Dieses Elend aus nächster Nähe zu erleben, war sehr hart.

Abschiedsstimmung im flüchtlingslager_FOTO_Zeljko Calusic

Abschiedsstimmung im flüchtlingslager_FOTO_Zeljko Calusic

Bei der Ankunft am Montagmorgen empfing uns der Nebel. Bei der Abfahrt am Samstagmorgen, 2. Januar, verabschiedete uns die Sonne. Hoffentlich lichtet sich bald auch der «Nebel» über den Flüchtlingen.

Auf jedem Fall haben wir mit der Aktion ein bisschen Licht ins Leben der Flüchtlinge gebracht und Weihnachten wirklich geschehen lassen. So lange es Menschen gibt wie Sie, die diesen Hilfskonvoi ermöglicht haben, gibt es Hoffnung für unsere Welt.

«Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.» sagt Jesus. (Matthäus 25,40)

So vergelte der Herr Ihr Tun und Ihre Barmherzigkeit mit reichem Segen und grosser Freude!

Worte reichen nicht aus, um Ihnen meine Dankbarkeit auszudrücken. Trotzdem: Danke, danke, danke

Zeljko Calusic, Diakon