Disputieren über die gute Botschaft in dieser Welt
Eine reformierte Pfarrerin, ein Psychotherapeut und katholischer Priester haben sich im Rahmen der 3. und letzten Disputation über Rituale und deren Bedeutung unterhalten. Wo sehen Sie die entscheidenden Unterschiede im Verständnis von Ritualen zwischen diesen drei Protagonisten?
Christoph Sigrist: Beim Priester spürt man den katholischen Rahmen, bei der reformierten Pfarrerin die Individualität und beim Psychotherapeuten die psychologische Achtsamkeit. So ist für die katholische Kirche klar, um was es bei der Eucharistie geht, das Ritual und seine Bedeutung ist klar vorgegeben. Anders bei der reformierten Kirche, welche grossen Wert auf die eigene Wahrnehmung legt. Und schliesslich der Psychologe, der aufmerksam auf sein Gegenüber eingeht und auch auf die Ausstattung des Raumes bedacht ist, in dem das Gespräch stattfindet.
Es war die Rede von ritualen Räume: Welche konkreten Beispiele sind Ihnen speziell geblieben?
Ch. S.: Rituale Räume sind Orte, an denen der Einzelne oder eine Gemeinschaft von Menschen versucht, Dinge, die man nicht im Griff hat, Ambivalenzen im Alltag aufzufangen und mit ihnen umzugehen. Den Sonntag zu «heiligen» und damit eine ritualisierte Zeit mitzutragen, in der zwecklos Gemeinschaft gelebt werden kann, ist gesellschaftspolitisch sehr spannend. Eindrücklich finde ich auch das Setting einer Gruppe von Jugendlichen in einer psychischen Notsituation. Sie werden im rituellen Raum einer therapeutischen Sitzung behutsam über eine Brücke geführt.
Was für Rituale sind in Ihrem Alltag wichtig?
Ch. S.: Der Morgen beginnt bei mir mit Beten und hält eigentlich den ganzen Tag an, wie das bei Don Camillo zum Ausdruck kommt. Wenn immer möglich besuche ich jeden Tag auch einmal die Zwölfbotenkapelle im Grossmünster, zünde eine Kerze an und bin mit meinen Gedanken bei Menschen, die mir viel bedeuten.
Die dritte und letzte Disputation ist Vergangenheit: Wie haben Sie diese Art von Streitgespräch insgesamt wahrgenommen? Was wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Ch. S.: Die Reihe mit den drei Disputationen war ja als Fenster zu einem Grundinstrument der Reformation gedacht, gemeinsam zu disputieren über die gute Botschaft in dieser Welt. Beeindruckt haben mich die Ehrlichkeit der Begegnungen und die ernsthafte Suche nach möglichen Antworten auf Fragen und Ambivalenzen – auf dem Podium als auch beim Publikum. Mir ist bewusst geworden, dass die Ökumene im Kanton Zürich schon längst Einzug gehalten hat. Nach 500 Jahren geht es nicht mehr um das Streiten über den richtigen Glauben, sondern um das Christsein in einer pluralistischen Gesellschaft. Die ökumenischen Brückenschläge haben mir sehr gefallen. Wir sollten diese auch künftig nutzen für gemeinsame Schritte nach vorne.
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