Kirche aktuell

Frauen-Kirche-Bewegung in der Schweiz «mächtig stolz»

Vor vier Jahrzehnten fasste in den theologischen Fakultäten die damals neue feministische Theologie Fuss, gleichzeitig gewann die Frauen-Kirche-Bewegung immer mehr Kraft. In einem neuen Buch blicken engagierte Frauen zurück - und nach vorne. Doris Strahm*, Mitherausgeberin, stellt das Buch vor.
19. April 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

«mächtig stolz»: Das können sie sein, die vielen Frauen, die in den letzten 40 Jahren feministisch-theologische Projekte und Initiativen ins Leben gerufen, an Orten wie der Paulus-Akademie, Boldern, Gwatt, Leuenberg und dem RomeroHaus feministisch-theologische Bildungsarbeit gemacht, eigene Zeitschriften wie die FAMA gegründet, Frauengottesdienste gefeiert, feministische Netzwerke aufgebaut, ökumenische Frauenkirchenfeste und Frauensynoden organisiert, kirchliche Frauen- und Genderstellen geleitet, neue spirituelle Räume geschaffen und feministisch-theologische Forschung vorangetrieben haben.

All diese Frauen wollten nicht länger warten, bis Theologie und Kirchen sich verändern, bis ihre Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit ernstgenommen werden, sondern selber etwas entwickeln und eigene Räume schaffen: Wie dies geschah und in welcher Vielfalt, davon berichten im Buch «mächtig stolz», das Anfang Mai im eFeF-Verlag erscheinen wird, gut 70 Akteurinnen von damals und heute aus ihrer Sicht, unterlegt mit Daten und Fakten. Sie geben so einen Überblick über die Anfänge und Entwicklungen der Feministischen Theologie und der ökumenischen Frauen-Kirche-Bewegung in der Schweiz. Damit liegt ein Stück Schweizer Frauen(kirchen)geschichte vor, die es wert ist, gewürdigt und vor allem auch vor dem Vergessen bewahrt zu werden.

Aufbruch unzähliger Frauen

Feministischer Theologie geht es seit ihren Anfängen um die Befreiung von Frauen aus patriarchaler Unterdrückung zu einem selbstbestimmten Leben und Glauben, um eine feministische Kritik theologisch begründeter Frauenfeindlichkeit und um die Überwindung patriarchaler Geschlechterrollen, auch in den christlichen Kirchen. Weltweit begannen Frauen in den 1970er und 1980er Jahren ihre kontextuell unterschiedlich geprägten Erfahrungen von Unterdrückung, aber auch ihr Verlangen nach Befreiung auszudrücken, theologisch zu reflektieren und selber die Deutungshoheit über die biblische Botschaft und die christliche Theologie zu beanspruchen. Die Weiblichkeit Gottes und vergessen gegangene weibliche Gottesbilder in der Bibel wurden wiederentdeckt, ebenso das historische Erbe unserer biblischen Vor-Schwestern, die in den Anfängen des Christentums als Jüngerinnen, Apostelinnen, Diakoninnen, Gemeindeleiterinnen und Missionarinnen eine zentrale Rolle spielten. Neue liturgische Formen und eine liturgische Sprache ohne androzentrische Verengungen, vor allem in Bezug auf das Gottesbild, wurden entwickelt und praktiziert, Frauengottesdienste fanden statt und alte spirituelle Traditionen wurden wiederentdeckt.

All dies führte zu einem befreienden Aufbruch christlicher Frauen, auch bei uns in der Schweiz. Feministische Theologie hat unzählige Frauen von der Last einer christlichen Sozialisation befreit, die Frauen zu minderwertigen und sündigen Wesen gemacht und das Selbstwertgefühl vieler Frauen nachhaltig beschädigt hat. Dank ihr haben sich viele Frauen von einem Gottesbild verabschieden können, das die Herr-schaft von Männern religiös legitimierte, und haben gelernt, sich als Gottes selbstbewusste Töchter zu verstehen. Sie haben die biblische Botschaft mit einer feministischen Brille zu lesen begonnen und deren unterdrückende wie auch befreiende Elemente entdeckt, haben neue, frauenbefreiende Theologien kennengelernt, sich dadurch verändert und sind aufrecht und frei eigene Wege gegangen – in und ausserhalb der Kirchen.

Es braucht uns weiterhin

Leider haben die vielen Projekte und Initiativen, die im Buch dokumentiert werden, bis heute die Kirchen und die traditionelle Theologie nicht nachhaltig verändert. Noch immer dominieren in den christlichen Kirchen männliche Gottesbilder, patriarchale theologische Konzepte, eine heteronormative Geschlechterordnung – und noch immer werden Frauen in der römisch-katholischen Kirche aufgrund ihres Geschlechts vom Priesteramt ausgeschlossen. Feministische Theologie braucht es also weiterhin, auch wenn sie derzeit keine hohen Wellen mehr wirft. Doch vielleicht bahnt sich an neuen Orten, in neuen Koalitionen – wie dies z.B. beim Frauen*(Kirchen)Streik der Fall war – und mit neuen Themen wie dem interreligiösen Dialog oder ökofeministischer Theologie etwas an, das Zukunft haben könnte.

*Doris Strahm, Dr. theol. Dr. h.c., feministische Theologin und Publizistin, www.doris-strahm.ch

 

Buchvernissage am 18. Mai, 18 Uhr im Fraumünster

Grussworte von Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr, Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz. Im Anschluss daran findet eine Podiumsdiskussion zum Thema statt. Zum Abschluss wird ein Apéro im Kreuzgang serviert. Der Anlass ist öffentlich.

 

mächtig stolz

40 Jahre Feministische Theologie und Frauen-Kirche-Bewegung in der Schweiz

Herausgegeben von Doris Strahm und Silvia Strahm Bernet unter Mitarbeit von Monika Hungerbühler

CHF 38.00 eFeF-Verlag, Wettingen 2022. ISBN 978-3-906199-27-6