Kirche aktuell

Pfarrei-Initiative «Neue Wege sind zu suchen»

Willi Anderau

Kapuzinermönch

 
Willi Anderau
Am 15. Januar hat sich der Verein Pfarrei-Initiative aufgelöst. Hat sie schlicht resigniert?, fragt Kapuziner Willi Anderau, einer der führenden Köpfe der Initiative.
21. Januar 2020

Nein, wir haben nicht resigniert. Wir sind lediglich aus einer Sackgasse umgekehrt, weil wir gemerkt haben, dass wir auf diesem Weg nicht weiterkommen. Wir müssen andere Wege suchen und gehen.

In Stadt und Kanton Zürich sind immer weniger Pfarreien durch einen Pfarrer besetzt. Theologisch ausgebildete Seelsorgerinnen und Seelsorger wirken an ihrer Stelle. Gut so. Aber sie dürfen keiner Eucharistiefeier vorstehen, weil sie entweder verheiratet oder Frauen sind. Notlösungen da und dort. Für viele Menschen sind die konfessionellen Grenzen, welche krampfhaft aufrechterhalten werden, kaum mehr nachvollziehbar. Gerade in der Zwinglistadt Zürich pflegen nicht wenige schon lange die ökumenische Einheit, um die die Offiziellen in der Kirche immer noch ringen und beten lassen. Die offiziellen Kirchen verlieren an Glaubwürdigkeit und wundern sich über den Mitgliederschwund. Die Kluft zwischen Basis und Kirchenleitung weitet sich zusehends aus. Handeln ist dringend angesagt.

Selbstverständlichkeiten an der Basis

Im Jahre 2013 haben über 540 Seelsorgende und über 1000 Sympathisantinnen und Sympathisanten in der Schweiz mit ihren Unterschriften bezeugt, was für sie in der Seelsorge der katholischen Kirche selbstverständlich ist. Sie haben geglaubt, auf diesem Weg in einen konstruktiven Dialog eintreten zu können mit den verantwortlichen Männern in der Kirchenleitung. Das Ziel war, dass auch offiziell als selbstverständlich anerkannt werde, was für die Seelsorgenden an der Basis schon lange eine Selbstverständlichkeit ist.

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Und wo klemmet es? Zum Beispiel die Zulassungsbedingungen zur Kommunion. Für uns ist es selbstverständlich, dass alle eingeladen sind und es nicht an uns liegt, zwischen «würdig» und «unwürdig» zu unterscheiden. Mit dieser Unterscheidung wollte damals der Bischof von Chur die wiederverheirateten Geschiedenen treffen. Auch gehören selbstverständlich alle Menschen mit ihren verschiedenen sexuellen Orientierungen, mit allen Rechten und Pflichten, zu unserer Kirche. Zur Feier der Eucharistie wie zum Abendmahl lädt Christus alle ein. Es ist für uns selbstverständlich, niemanden auszuschliessen und auch interkonfessionell gemeinsam zu feiern. Und ganz selbstverständlich machen wir keinen Unterschied zwischen den Rechten von Frauen und Männern, alle dürfen das Wort Gottes verkünden und hoffentlich auch bald einmal einer Eucharistiefeier vorstehen.

Unverbindliche Gespräche

Naiverweise haben wir damals an einen Dialog auf Augenhöhe geglaubt. Aber das Gegenteil ist passiert: Die Seelsorgenden aus den Bistümern Basel und St. Gallen wurden zum «Dialog» zitiert. Der Bischof von Chur forderte die Seelsorgenden aus seinem Bistum auf, sich schriftlich zu rechtfertigen und gar die «Missio Canonica» (Arbeitserlaubnis) freiwillig zurückzugeben, was jedoch niemand tat. Soviel zum gemeinsamen Gespräch auf Augenhöhe. Die Pfarrei-Initiative blieb für die Bischöfe ein rotes Tuch und unangenehm.

In den folgenden Jahren wurde die Pfarrei-Initiative für viele, die noch nicht resignierten, ein Ort der Hoffnung auf Erneuerung. Es gab internationale Verbindungen mit ähnlichen Bewegungen; es gab in der Schweiz Treffen zu aktuell brennenden Themen und Aktionen und man machte sich gegenseitig Mut. Doch mit der Zeit wurde deutlich, dass man auf diesem Weg unter sich und seinesgleichen blieb. Die anderen, die Verantwortlichen in der Kirchenleitung, mit denen man den Weg zusammen gehen wollte, blieben ebenfalls unter sich, zwar freundlich aber unverbindlich. Manchmal werden Vertreterinnen und Vertreter von Erneuerungsbewegungen zu Gesprächen eingeladen, manchmal wird Verständnis und Sympathie signalisiert, aber getroffen werden keine Massnahmen. Die Auswahl der Ausreden ist klein, aber bewährt: Für Veränderungen brauche es mehr Zeit; man sehe das Problem, aber das müsse gründlich überdacht werden; man solle zuerst beten und den Glauben vertiefen; und vor allem: wir können allein nichts machen, solange die Weltkirche nicht mitzieht.

Beten allein genügt nicht

So kann es nicht weitergehen. Neue Wege sind zu suchen. Am 15. Januar 2020 hat die Generalversammlung in Zürich mit einer Gegenstimme beschlossen, den Verein Pfarrei-Initiative aufzulösen. Das Schicksal der Pfarrei-Initiative reiht sich damit ein in das Schicksal anderer Reform-Initiativen der jüngsten Zeit, die gegen das erstarrte klerikale System ebenso wenig ausrichten konnten. Erinnert sei an «Kirche*mit», der Marsch der Frauen nach Rom im Jahr 2017, an die Protestbewegung «Segen statt Brot», an den Frauenkirchenstreik, an die Junia-Initiative usw.  Immer wieder wird viel Kreativität eingesetzt, doch offiziell ändert sich kaum etwas. Es wird vertröstet und verzögert. Und jüngst hat die Schweizer Bischofskonferenz sogar ihren eigenen, gemeinsamen Erneuerungsweg gebodigt. Die Erneuerung müsse in den einzelnen Diözesen von unten, bei der Basis beginnen, liess sich ein Bischof vernehmen. Ein anderer riet zum Beten. Allerdings: Es wird gebetet und die Erneuerung von unten, an der Basis, hat schon längst begonnen; viele tun bereits, was selbstverständlich ist. Dazu möchten wir die Basis und die Seelsorgerinnen an der Basis weiterhin ermuntern und ermutigen. Und es gibt Bewegungen, welche auf andere Weise das Feuer der Erneuerung wachhalten, zum Beispiel die Allianz «Es reicht!» oder die Tagsatzung. Erstere hat das Erbe der Pfarrei-Initiative übernommen. Sich bei solchen Bewegungen zu engagieren, dazu wurden die Mitglieder und Sympathisanten des aufgelösten Vereins an der letzten Generalversammlung der Pfarrei-Initiative eingeladen.

Willi Anderau, Kapuziner