Wie Christen und Muslime respektvoll miteinander leben
Hat er sich nur in der Tür geirrt? Oder: Weshalb hat er nur die Tür geöffnet, hineingeschaut und ist wieder verschwunden? Und: Warum kommt er zehn Minuten später wieder zurück in den Gebetsraum? Als Seelsorger in der Sihlcity-Kirche erlebe ich so manch überraschende Begegnung.
Beobachtungen aus der Sihlcity-Kirche
Die Sihlcity-Kirche ist eine offene Kirche. Sie ist auch ein Ort, an dem es einen interreligiösen Gebetsraum gibt: den Raum der Stille. Schon auf der Eingangstüre sind die Symbole der fünf Weltreligionen angebracht. Ein wichtiges Zeichen, das die Kirchen in Zürich setzen.
Hier beten Menschen unterschiedlicher Religionen und Konfessionen. Sie suchen einen Moment der Ruhe und Stille. Sie treten ein, um für sich oder andere zu beten. Sie zünden eine Kerze an oder schreiben etwas auf, was sie bewegt und … gehen einfach weiter.
Gegenseitiger Respekt
Dabei gibt es interessante Beobachtungen und Begegnungen. Da kommt ein Mann mittleren Alters, öffnet die Kapellentüre, schaut herein, schliesst sie wieder und geht weg. Vielleicht hat er sich nur in der Türe geirrt. Viele Besucherinnen und Besucher erblicken den Raum der Stille dann zu ersten Mal, wenn sie die Toiletten suchen.
Aber dieser Mann kommt nach etwa 10 Minuten wieder. Öffnet wieder die Türe, schaut hinein und diesmal geht er hinein, schliesst die Türe und bleibt einige Minuten. In der Zwischenzeit war nämlich die ältere Dame, die im Raum der Stille war, gegangen und die Kapelle war leer.
Diese Szene habe ich seitdem regelmässig beobachtet. Irgendwann bei einer solchen Gelegenheit bin ich mit dem Mann ins Gespräch gekommen und er hat mir von sich erzählt.
„Ich bin Moslem und komme zum Mittagsgebet , wenn ich Pause habe. Ich möchte niemanden stören, denn ich habe viel Respekt vor allen Menschen, die diesen Raum zum Innehalten aufsuchen. Danke, dass es in der Sihlcity-Kirche dieses Angebot gibt.“
Zeichen der Hoffnung
Ein andermal kam ich aus der Mittagspause. Mein Weg führte mich in die Kapelle, die Türe war offen. Und drinnen sass eine junge Frau mit Blick auf die Kerze mit dem Kreuz und schräg neben ihr betete ein (anderer) Moslem auf dem Gebetsteppich still in Richtung Mekka .
Diese Art von Zusammenleben, und zusammen beten, das hat mich tief berührt. Natürlich weiss ich, dass solche Begegnungen noch kein Zusammenleben bedeuten. Aber sie können ein erster Schritt sein.
Letzte Woche sah ich die ältere Dame und den Mann mittleren Alters auf dem Kalanderplatz vor dem Sihlcity : Sie waren miteinander im Gespräch …
„Eine Kirche „im Aufbruch“ ist eine Kirche mit offenen Türen. … Eines der konkreten Zeichen dieser Öffnung ist es, überall Kirchen mit offenen Türen zu haben. So stösst einer, wenn er einer Eingebung des Geistes folgen will und näherkommt, weil er Gott sucht, nicht auf die Kälte einer verschlossenen Tür“. Papst Franziskus in Evangelii gaudium 46-47
Danke für Ihren Bericht. Im Kleinen sind wir doch alle gleich. Probleme gibts erst wenn die Religionen missbraucht werden um wirtschaftliche Interessen zu sichern. Vor allem die der grossen Ex-Kolonialimperien: Erdöl in Nahost, Uran und weitere Bodenschätze in Mali, Sahelzone und ganz Zentralafrika oder wichtigen Verkehrswegen wie in Afghanistan.
Lieber Herr Tschopp. Darum geht es genau: im Kleinen beginnen, in meinem Umfeld Zeichen setzen und sich nicht unterkriegen lassen von all dem, was in der Welt geschieht.
Thomas Münch
Ein eindrückliches Zeichen der Hoffnung auf friedliches Zusammenleben der Religionen!
Lieber Frau Schumacher, genau so ist es mir ergangen, als ich diese Szenen sehen durfte besonders nach den schrecklichen Bildern von Paris.
Thomas Münch
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